LPK-F3

Auf dieser Seite finden Sie die Lappenkeuler - Beiträge “Ladendieb” und “Grüne Stifte” aus dem Jahre 2006. Beide Textbeiträge können hier direkt gelesen werden oder auch als jeweils eigenständige PDF - Datei heruntergeladen werden.

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Beitrag 1

Lappenkeuler - Brief / Email „Ladendieb" vom 14.02.2006

Globale Grüße.

Wie schnell man unverschuldet in etwas hinein geraten kann, das
wurde mir am letzten Montag erst wieder bewusst. Wissen Sie, ich
kaufe selten etwas in normalen Waren-Kaufhäusern, weil die im
Preisvergleich meist zu teuer sind. Trotzdem gehe ich durchaus gerne
durch Kaufhäuser, nur so zum gucken, teils auch als Information, was
es so gibt oder was bestimmte Dinge so kosten, sagen wir mal in
gewisser Hinsicht also aus Neugierde, aber auch zur Unterhaltung.
Auch finde ich zuweilen die Atmosphäre dort interessant. So war ich
neulich in einem Kaufhaus in der Innenstadt. Kayla war nicht mit, sie
war mit dem Wagen anderweitig unterwegs. So ging ich gemütlich
von Etage zu Etage, betrachtete dies und das, wunderte mich vor
allem über die hohen Preise von manch sinnlosem Zeug. Nach
vielleicht 1 Stunde hatte ich genug gesehen und wollte das Warenhaus
wieder verlassen. So fuhr ich per Rolltreppen ins Erdgeschoss und
ging vorbei an den Büchern und Schreibwaren in Richtung Ausgang.
Dort gibt es auch im Bereich des Ausgangs noch mal einige Kassen,
die für diese Schreibwaren-Abteilungen zuständig sind. Von weitem
hörte ich ein Gekreische im Laden, wusste dies aber zunächst nicht
zuzuordnen. Das änderte sich schnell, eine Verkäuferin eilte durch den
Laden einem vermeintlichen Ladendieb nach und schrie mehrmals so
etwas wie haltet den Dieb oder Alarm. Ich ging unterdessen weiter in
Richtung Ausgang. Als ich den Ausgang so gut wie erreicht hatte, trat
aus einer Seitentür eine Art Hausdetektiv, nahm mich beim Arm und
zog mich wüst zur Seite. Der hatte wohl da irgendwas falsch
verstanden und glaubte, ich sei der vermeintliche Ladendieb. Der
Schwachkopf verdrehte mir schon ziemlich den Arm und das
schmerzte sehr. Das stimmte mich natürlich nicht gerade freundlich
und ich beschimpfte ihn, worauf er noch mehr drehte und an mir
zusätzlich dabei noch herumzog. So entstand eine Aufregung und
einige andere Leute schauten schon blöd, weil die mich in dieser
Situation natürlich auch für den Bösen hielten. Der schwachsinnige
Ladendetektiv war dann immer dran, ich solle sagen wo das Diebesgut
sei, ich wusste natürlich gar nicht, was der wollte. So brüllte er immer
mehr und zog mich dann rüber, wollte mich mit in einen Nebenflur
zerren, um mich von dort in sein Büro zu verbringen. Da ich mich
ziemlich wehrte, weil ich das als Unschuldiger ja nicht wollte, wurde
er wieder rabiater und verdrehte mir erneut den Arm, dass es
schmerzte. Daraufhin fiel mir ein alter Trick von früher ein, ich legte
sozusagen plötzlich und für den unerwartet ganz kräftig den
Rückwärtsgang ein, das heißt ich begann stark rückwärts auf den
Detektiv zuzugehen, der mich ja von hinten am Arm gepackt hielt,
wobei ich mich ganz plötzlich kräftig mit den Füssen am Boden in
Rückwärtsrichtung abdrückte. Damit hatte der nicht gerechnet, weil
die rechnen ja immer damit, dass man im Gegenteil weglaufen will
und nicht dass man in seine Richtung oder sozusagen rückwärts durch
den durch laufen will, zugleich wird das Armverdrehen dadurch
entlastet und es tut nicht mehr weh. Durch dieses unerwartete
Rückwärtsgehen schob ich den Detektiv ein Stück mit nach hinten,
dadurch wieder geriet er, wie es der Zufall wollte, über eine
Messingkante am Boden ins Straucheln und fiel hin, wobei er
automatisch meinen Arm los ließ. Dadurch war ich wieder frei und
ging zunächst in Richtung Ausgang, aber da kamen inzwischen 2
weitere Ladendetektive und da wäre ich niemals dran vorbei
gekommen. So blieb ich dort stehen und verlangte nun meinerseits,
dass umgehend die Polizei geholt werde. Mittlerweile hatte die
kreischende Verkäuferin es bis zu uns geschafft und erklärte dem
wieder aufgestandenen Detektiv, der mich am liebsten gleich
verdroschen hätte, dass ich der Falsche sei, der Dieb, der ihr mehrere
Geldscheine aus der offenen Kasse gezogen habe, hätte eine schwarze
Lederjacke angehabt und sei zudem viel schlanker und größer, als ich
und in Richtung des Ausgangs Nadlerstraße gelaufen. Trotzdem
wollte der dumme Detektiv noch weiter frech werden, weil ich ihn zu
Boden gestoßen hätte. Während die anderen beiden Ladendetektive,
die direkt am Ausgang standen, nun versuchten mich zu
beschwichtigen und schon nach Worten der Entschuldigung für dieses
Versehen rangen, obwohl die ja aktiv gar nichts gemacht hatten,
beschimpfte mich der Bodendetektiv. So verlangte ich, dass man die
Polizei rufe, damit ich den wegen Körperverletzung und Nötigung
anzeigen könne. Daraus entstand dann zunächst eine etwa
fünfminütige Diskussion und es kam ein Abteilungsleiter oder so
etwas ähnliches hinzu, der sich dann offiziell im Namen des
Kaufhauses bei mir entschuldigte und den blöden Ladendetektiv in die
Schranken wies, als der erneut aufbegehren wollte. Zu dem sagte ich
dann, dass es damit nicht getan sei, da mir der Detektiv grundlos
Schmerzen zugefügt habe und ich deshalb einen Arzt konsultieren
werde. Der Abteilungsleiter bat mich dann überfreundlich, ob man
diese Diskussion nicht in seinem Büro fortsetzten könne, da diese ja
nicht zur Unterhaltung der dadurch vielleicht verunsicherten
Kundschaft dienen soll. Nun gut, dazu ließ ich mich jetzt
breitschlagen und folgte dem in sein Büro, welches sich im 2 Stock
hinter den Verkaufsräumen befand. Ein wunderschönes Büro mit
kostbarer Holzvertäfelung und großzügigen Fenstern, hier lässt sich
der Tag angenehm verleben, dachte ich. Der Abteilungsleiter bot mir
dann einen Einkaufsgutschein in Höhe von 20 Euro an, wenn ich dafür
den Vorfall auf sich beruhen ließe und es einem übereifrigen
Hausdetektiv nachsehe. Er begründete dessen Übereifer damit, dass in
den letzten Wochen die Anzahl der Ladendiebstähle und insbesondere
der direkten Gelddiebstähle aus geöffneten Kassen drastisch
zugenommen habe. Ich erwiderte daraufhin, dass mein Arm noch
schmerzen würde und ich mit 20 Euro ja noch nicht einmal einen
Arztbesuch bezahlen könne und dass ich wohl doch besser die Polizei
einschalten würde, da man die Sache ja gewissermaßen festhalten
müsse. Es könne ja sein, dass sich später gesundheitliche Mängel am
Arm herausstellen und dann will es keiner gewesen sein. Dann folgte
eine Reaktion, die ich nicht erwartet hätte. Der Abteilungsleiter
bescheinigte mir auf einem Schriftstück, welches er von seiner
Sekretärin, einer älteren Dame, schnell am Computer aufsetzen ließ,
dass die Kosten für aus diesem Vorfall resultierende
Arztbehandlungen vom Kaufhaus übernommen würden, sofern diese
einen direkten Bezug dazu hätten und bis spätestens 7.August 2006
geltend gemacht würden, das ist also ungefähr ein halbes Jahr.
Zusätzlich bot er mir dann einen Einkaufsgutschein in Höhe von 50
Euro an. Nun, man will ja auch kein Unmensch sein und wenn ich
ehrlich bin, waren zu diesem Zeitpunkt die Schmerzen im Arm schon
längst wieder weg, ich glaube sogar, dass der Hausdetektiv durch den
Sturz eher noch ein paar blaue Flecken übrig behalten wird. So
wurden wir uns einig und ich erhielt die genannte Bescheinigung und
einen Einkaufsgutschein im Wert von 50 Euro, der übers ganze Jahr
2006 Gültigkeit hat. So schön die Sache letztendlich ausgegangen ist,
ich muss zugeben, im ersten Moment, als ich selbst noch nicht so
recht wusste, wie mir geschah, da wird einem schon anders und es
schießen einem alle möglichen Gedanken durch den Kopf. Auf
Anhieb wusste ich ja auch nicht gleich, dass dieser Knilch ein
Ladendetektiv ist, ich dachte zuerst, es sei vielleicht der flüchtende
Dieb, die mich quasi als Geisel oder als Schutzschild für seine Flucht
zweckentfremden wollte. Diesen Gedanken verwarf ich aber dann
gleich wieder, weil so was macht wohl kein Ladendieb so schnell,
auch weil das hier wohl ein Profi war, denn ein kleiner Ladendieb ist
wohl kaum so dreist, dass er der Verkäuferin gezielt in die geöffnete
Kasse greift, der hätte vielleicht ein paar verlockende Artikel
mitgenommen. Aber das wusste ich zu diesem Zeitpunkt ja noch
nicht.

Spielen Sie gerne Karten? Ich meine Skat oder so was? Ich hasse
Kartenspiele wie die Pest und begreife nicht, wie man damit auch
noch begeistert Zeit totschlagen kann. Wie Sie wissen, helfe ich ab
und zu bei einem Bauunternehmer im Innenausbau aus, vielleicht an
einem Tag pro Monat. Ich mache es eigentlich nicht wirklich gerne,
was die Tätigkeit betrifft, aber der zahlt so gut, das Geld überredet
einen dann sozusagen, diese Plackerei für einen Tag mal
hinzunehmen. Auch ist der Unternehmer ehrlich, das heißt, man läuft
nie seinem Geld nach, man kommt morgens, wird eingeteilt, zur
Baustelle gefahren, manchmal kriegt man sie auch am Abend vorher
gesagt, wo man dann gleich selbst hinfahren soll, dann erhält man
morgens ein Drittel der vereinbarten Entlohung und den Rest abends,
wenn Schluss ist. Ich habe noch nie erlebt, dass ich das dann nicht
bekommen hätte oder dass ich noch umständlich den erinnern muss.
Zu Feierabend kommt der selbst auf die Baustelle, zahlt die
Gelegenheitsjobber wie mich gleich aus und tschüss, wie man so sagt.
Er selbst scheint auch zufrieden mit meiner Arbeit zu sein, denn sonst
würde er mich nicht immer wieder für solche Innenausbau-
Hilfsarbeiten holen. Bei Not am Mann und größeren Projekten habe
ich auch schon mal 4 oder 6 Tage pro Monat, aber nie mehr als 2 Tage
pro Woche, bei dem geholfen, aber das ist sehr selten und gefällt mir
auch eigentlich nicht. Wissen Sie, mein Hauptaufgabengebiet ist
inzwischen das maßgenaue Zuschneiden von Rigipsplatten und
ähnlichen Ausbauplatten. Da habe ich mich so eingearbeitet, dass
selbst Fachleute vom Bau, die es eigentlich besser können müssten,
eher zu mir kommen und mich das machen lassen, weil meine
Zuschnitte exakter passen und eben nicht an irgend einer Stelle
geschwungen sind, was dann später mit Nesselband und Fertig-
Spachtelmasse wieder zeitraubend ausgeglichen werden muss. Die
richten dann an der Baustelle eine Ecke ein, mit ein paar Böcken, den
notwendigen Spezial-Bandsägen, einer feinen Stichsäge für kleine
Ecken, einen Abkanter mit Anreißdorn, einigen Lochsägebohrern in
verschiedenen Größen für die Stellen, wo später Steckdosen,
Lüftungs- oder Wasserrohre durch sollen, einem guten Kantenhobel
und allem Werkzeug, was man zum passgenauen Zuschneiden so
braucht. Sehr viel ist es ja gar nicht, es klingt aufwändiger, als es ist.
Dann bringen die mir die Platten, schreiben die notwendigen Maße
auf die Platten, bemaßen Aussparungen für Steckdosen, Wasserrohre
u.s.w.,  kennzeichnen die Stellen, wo Plattenübergänge hin sollen,
wegen der dort notwendigen Abschrägungen, stellen mir meist 15
Platten auf Vorrat hin, die ich dann abarbeite, dann kommen sie die
wieder holen und bauen sie ein u.s.w. Ich brauch da auch nicht groß
mit den schweren Sachen zu schleppen, dann würde ich das auch nicht
machen, weil ich dazu nicht mehr in der Lage bin, jedenfalls nicht in
größeren Mengen. Die Leute am Bau verwenden ja auch in aller Regel
nicht die leichter handhabbaren Einmann-Platten, wie man sie meist in
den Baumärkten vorfindet, sondern die richtig großen, die doppelt so
breit und 2,6 m hoch sind. Und davon wieder auch meist die dicke
Sorte. Na ja, zurück zu dem, was ich Ihnen eigentlich sagen wollte.
Zwischen der Arbeit werden selbstverständlich auch einige Pausen
gemacht, wo man ein Butterbrot isst und etwas trinkt. Nun nervt mich
an der aktuellen Großbaustelle, wieder auf dem Gelände der Uni,
ständig einer der Bauarbeiter, weil der mich in jeder Pause anbettelt,
ich möge doch beim Skatspielen mitwirken, damit 3 Leute zusammen
kämen oder so. Ich habe das dem schon so oft erklärt, dass ich davon
nichts halte, aber in jeder Pause kommt der Idiot aufs neue
angedackelt und fragt das selbe. Wenn er dann genügend andere
Dumme gefunden hat und die eine Weile gespielt haben, dann kommt
er wieder zu mir und erzählt mit leuchtenden Augen, wie er mit
welchen Zügen und was weiß ich nicht alles wieder einmal raffiniert
gewonnen hat. Da kriege ich die Krise. Es interessiert mich nicht, es
langweilt mich zu Tode, ich finde es schlicht gesagt Scheiße! Also
wenn Sie irgendwann hören, dass ein Skatspieler in Stuttgart während
der Mittagspause umgebracht wurde, dann war ich das! Nein, nichts
für ungut, das ist natürlich nur Spaß, aber der Kerl nervt wirklich auf
eine eklatante Weise. Nun kennen Sie inzwischen sicher ein wenig
meine schelmische Ader und so hatte ich kurz nach der
Frühstückspause einige seiner Spielkarten mit Fertig-Spachtelmasse
eingeschmiert und fest zusammengedrückt. Das hatte ich aber fein
säuberlich gemacht und man konnte das vorher nicht sehen. In der
Mittagspause hat der vielleicht blöd geschaut, als er manchmal so
verdächtig „dicke Blätter" in der Hand hielt, wo 2 oder manchmal
sogar 3 Karten zu einer dicken Pappe aufeinandergebacken waren.
Danach habe ich dann aber wieder blöd geguckt, weil der
Kartensüchtige natürlich immer genügend Ersatz-Kartenspiele dabei
hat. Obwohl geärgert hat er sich schon, vor allem weil ihm dadurch
wieder mögliche Spielzeit verloren ging. Er konnte sich sicher
denken, wer das war, er hat sich mir gegenüber aber nichts anmerken
lassen.

Der Winter mag seine Abschiedsvorstellung noch nicht geben und
kehrt zurück. Ich weiß nicht, ich glaube es war am Mittwochabend, da
wurden wir unterwegs doch recht bös vom Winter überrascht. Gegen
16 Uhr waren wir noch im Schwarzwald unterwegs. Gut, am
Straßenrand lag noch alter Schneebestand, aber es war zwar grau, aber
dennoch so, dass man aus seiner Lebenserfahrung fest glaubte, dass an
diesem Tag kein Neuschnee mehr zu erwarten ist. So fuhren wir
gemütlich und hatten vor, noch irgendwo schnell etwas essen zu
gehen, um danach noch gemütlicher die Heimreise in Richtung
Stuttgart anzutreten. So ähnlich machten wir das dann auch. In der
Nähe des kleinen Ortes Ebersbronn kehrten wir in einem etwas abseits
liegenden Landgasthof ein, wo wir schon mal im August waren. Die
haben frische, leckere Speisen zu sehr niedrigen Preisen. An dem Tag
dauerte es dort ein wenig länger, weil nur eine Bedienung anwesend
war. Aber wir haben ja Zeit. Ein alter Herr mit Pfeife im Mund, der in
einer Ecke der Lokalität saß und genüsslich einen Schoppen Wein
zeitlupenhaft trank, meinte zur Bedienung noch, dass es heute noch
schweres Wetter geben würde. Die Bedienung lachte und meinte, dass
er sich da sicher irre, es ist beruhigtes Wetter, so sagte sie. Der meinte
weiter, dass seine linke Augenbraue wieder kräftig jucken würde,
dann käme Sauwetter, darauf sei Verlass. Unter seiner linken
Augenbraue habe er eine alte Verletzungsnarbe, wo ihm vor 50 Jahren
beim Arbeiten im Sägewerk mal ein Holzklotz gegen gesprungen sei
und die melde ihm seither immer zuverlässig schlechtes Wetter. Dass
es Wetterfühligkeit gibt, ist nicht neues, aber trotzdem hielten wir und
die Bedienung das für Altherrengeschwätz, weil es nach unserer
Meinung gar nicht nach wirklich schlechtem Wetter aussah. So
verzehrten wir genüsslich unser Essen, ein schön heftig gewürztes
Rindsgulasch mit einem einmaligen Karottensalat, manche nennen es
auch Möhrensalat, und Bandnudeln, einschließlich leckerem lockeren
Vanillepudding mit Kirschsoße als Abschluss alles zusammen je
Portion 6,90 Euro. Dazu trank Kayla 2 Gläser Apfelsaft, während ich
ein Glas Coca-Cola und ein Glas Mineralwasser dazu nahm. Als wir
dann wieder dort abfuhren, war es schon dunkel und ungefähr 18 Uhr.
Wettermäßig sah alles noch aus, wie zuvor, nur dass hier und da ein
paar Dunstwolken wie leichter Nebel an den langen Waldstrecken
aufzogen, aber keineswegs dramatisch, zumal diese Nebelbänke meist
kaum über längere Strecken als vielleicht 300 m andauerten, dann war
wieder freie Sicht und selbst in diesen Nebelhaufen konnte man noch
locker über 100 m weit sehen. Wissen Sie, inzwischen kenne ich in
bestimmten Schwarzwaldbereichen auch viele Schleichwege und
genau einen solchen befuhr ich dann als Abkürzung. Diese Abkürzung
erspart uns einen langen Bogen über Gernsbach - Weisenbach und
Bad Herrenalb. Man kommt dann von Raumünzbach über diesen
Schleichweg, der offiziell nur ein paar Aussiedlerhöfe anbindet, in
einem Nest mit dem kuriosen Namen Gompelscheuer aus. Von dort
aus führt dann wieder eine wildromantische, schöne Straße nach
Enzklösterle, von wo aus man dann flott auf die B 294 gelangt, über
die man dann leicht Calw und darüber auch Stuttgart erreicht. Nun
soweit alles noch recht schön, diese winzigen Straßen bis
Gompelscheuer und Enzklösterle waren aber nicht das Problem, dort
kamen wir gemächlich aber konstant voran. Die Probleme begannen
auf der gut ausgebauten B 294. Auch das Stück von Enzklösterle bis
zur B 294 ist zwar teils eng und kurvig, aber es war gut zu befahren.
Kaum waren wir nach links auf die B 294 abgebogen, die eigentlich
rauf bis Pforzheim läuft, von der man dann aber unterwegs oben vor
dem Abzweig nach Bad Wildbad in entgegengesetzter Richtung nach
Calw auf die gut ausgebaute B 296 abbiegen kann, begann es heftig zu
schneien. In weniger als 3 Minuten war die Fahrbahn, die zuvor noch
völlig schwarz war, dicht mit Schnee bedeckt. Kräftiger Wind kam
hinzu, dessen Böen teils so heftig waren, dass man glaubte, die Wipfel
der am Rand stehenden Bäume würden sich vor einem verneigen und
bald die Straße berühren. Dieser Sturm führte dann wieder dazu, dass
der Altschnee, der seitlich auf vom Straßendienst
zusammengedrückten Haufen im Graben lag, teils noch zusätzlich mit
auf die Straße geweht wurde und sich dort zusammen mit dem
Neuschnee zu keilförmigen Barrieren auftürmte. Das war dann immer
dort der Fall, wo von westlicher Seite ein Weg oder eine Schneise in
den Wald verlief, weil dort der Sturm weit nach unten durchpfeifen
konnte. Mit vielleicht 20 km/h krochen wir und eine Hand voll
anderer Autos daher. Ungefähr 3 Autos vor uns fuhr ein Sattelzug-
LKW der einen unbeladenen Tieflader für Baumaschinen oder so
etwas ähnliches hinter sich zog, womit man sonst große Bagger oder
dergleichen transportiert. Es dauerte nicht lange, da geriet der in so
einem aufgewehten Schneekeil in Schräglage und kam nicht mehr
weiter. Man konnte sicher schon froh sein, dass er nicht in den
Straßengraben rutschte, aber weg kam er halt auch nicht mehr. Lange
mussten wir warten, es staute sich schon weit hinter uns und in
Gegenrichtung lief auch nicht mehr viel, weil die an dem auch nur
sehr vorsichtig vorbei kamen, da er etwas schräg geraten war. Dann
sahen wir, dass ein Stück vor diesem Sattelzug weitere LKW fest
hingen und den Gesamtverkehr blockierten. Inzwischen war es schon
dreiviertel 8 und der Schneefall nahm weiter zu. Etwa 400 m vor dem
Sattelzug entdeckte ich eine kleine Abzweigstraße nach rechts, die mit
Hofstett und Neuweiler beschriftet war. Das war gerade im Lichtkegel
der Scheinwerfer noch lesbar, weil sich von oben schräg eine
Schneeschicht an den Schildern wie ein halb zugezogener Vorhang
festgesetzt hatte. So haben wir uns an dem fest liegenden Sattelzug
vorbei gezwängt und sind dort rein.  Diese kleine Landstraße war noch
dichter schneebedeckt, dort traute sich außer uns keiner rein.
Immerhin konnte man dort, wenn auch sehr langsam,  gemächlich
weiterfahren, während auf der B 294 nichts mehr lief. Nach wenigen
Kilometern erreichten wir Hofstett, ein kleines Dorf, welches wir
weiter in Richtung Neuweiler befuhren. Neuweiler, auch ein Dorf,
welches aber schon etwas größer war und wo es vor allem vernünftige
Verkehrsschilder gab, mit denen man wirklich mal etwas anfangen
konnte. Viele Orte geizen ja geradezu mit brauchbaren
Verkehrsschildern, dort sind entweder gleich gar keine oder nur
welche, die Hinweise auf den nächsten Ort tragen, der für sich
genommen so klein und unbekannt ist, dass man daraus nicht
erkennen kann, in welche Richtung man da wirklich gerät und wie es
dort weitergehen könnte. Das war in Neuweiler nicht so, ein Lob an
die Aufsteller der Schilder dort. Mitten im Ort zweigt diese Straße 
jeweils um 90 Grad versetzt in 3 weitere Straßen ab. Das wurde aber
mit gut sichtbaren Schildern bekundet, wo oben der nächste kleine
und unbekannte Ort drauf stand und jeweils darunter, etwas kleiner
aber immer noch gut lesbar, der nächste große Ort mit seiner
Entfernung. Rechts stand Martinsmoos 4 km, darunter klein Altensteig
15 km und Nagold 23 km, dorthin wollten wir also schon mal mit
Sicherheit nicht, weil das wieder weiter südlich im Schwarzwald liegt.
Auf dem mittleren Schild stand Topfsee 2 km, Fischzuchtanstalt 1,5
km und Gemeindehaus 250 m, also mehr ein innerörtlicher Verweis.
Nach links an dem Abzweig stand Schmien 5 km, Zavelstein 6 km
und - siehe da - Calw 11 km. So sind wir dann gefahren. Eine
herrliche, winzige Straße, außer uns hat sich offensichtlich kein
anderer dort lang getraut. Außer in den Orten selbst begegneten wir
nirgendwo einem anderen Auto. Die kleinen Straßen waren
inzwischen hoch zugeschneit, aber da ich ja Winterreifen habe, war
das Durchkommen mit langsamen 10 bis 20 km/h problemlos
möglich. Da es natürlich um diese Zeit schon dunkel war, war die
Orientierung etwas schwer, aber zum Glück waren die
Verkehrsschilder in Neuweiler mitten im Ort so geschützt montiert,
dass sie nicht zugeschneit waren. Kurz vor Schmien, einem winzigen
Nest, geriet ich aus Versehen in einen Feldweg, weil ich glaubte, dies
sei die weiterführende Straße, die selbst jedoch in einem schrägen
Bogen weiter lief, von dem dieser Feldweg im zugeschneiten Zustand
genau im Schnittpunkt wie die Geradeaus-Weiterführung der
eigentlichen Straße wirkte. Wir hatten dann etwas Probleme, von
diesem zugeschneiten Feldweg wieder zurück auf die eigentliche
Straße zu setzen, weil im Rückwärtsgang die Winterreifen deutlich
schlechter funktionieren und weniger griffig sind, als im
Vorwärtsgang. Allerdings bekamen wir nach 10 Minuten dieses
Problem mit einem alten Sack in den Griff, der seitlich über einem
Weidenpfahl hing und der von uns zweckentfremdet wurde, um ihn
unter einen Vorderreifen zu schieben, damit der besser greift. Da
wurde uns schon kurz etwas anders und wir sahen uns schon im Geiste
dort im zugeschneiten Auto übernachten. Als wir dann wieder auf der
eigentlichen Straße waren, ging es aber zügig über Schmien und
Zavelstein weiter bis Calw. Ab Calw ging es dann unter mehr Betrieb
auf breiten und relativ gut geräumten Straßen wieder über Weil der
Stadt und Leonberg zurück nach Stuttgart, wo wir dann erschöpft aber
auch um einige schöne Strecken-Erfahrungen, im wahrsten Sinne des
Wortes, bereichert gegen dreiviertel 11 in der Nacht wieder am
Mobilheim eintrafen. Diese Strecken werden wir mit Sicherheit im
Frühling bei schönem Sonnenwetter nochmals fahren und ich bin
gespannt, wie es dann dort ohne Schnee und bei Tage aussieht, wenn
man wirklich etwas von der Landschaft sieht. Ich vermute, das muss
eine sehr schöne Gegend sein.

Es ist eigentlich banal und trotzdem bemerkenswert, weil uns
derartiges eigentlich noch nie passiert ist. Wir haben tatsächlich völlig
vergessen Lebensmittel einzukaufen. Wissen Sie, normalerweise bin
ich einer der Menschen, die meist Lebensmittel auf Vorrat einkaufen,
so dass ich eigentlich höchstens einmal pro Woche einkaufen gehen
müsste. Nur Kayla legt viel Wert auf frische Gemüse, während ich
ursprünglich ein Anhänger von tiefgefrorenem Gemüse a' la Iglo &
Co bin. Deshalb geht Kayla vielleicht 2 mal pro Woche zusätzlich
frisches Gemüse und teils auch Kräuter zum Abwürzen kaufen.
Solange ich alleine war, habe ich kaum frisches Gemüse gekauft,
obwohl ich viel Gemüse esse. Nur die Zubereitung von dem
Tiefkühlgemüse ist halt einfacher, schneller und geschmacklich sind
die frisch gekauften Gemüse heute oft ebenbürtig. Beim korrekten
Tiefgefrieren geht am Gemüse, im Gegensatz zu Konserven, ja auch
nichts verloren. Doch zurück zu unserem Einkaufsnotstand. Kayla
hatte diese Woche viel anderes zu tun und dadurch ihre Einkäufe
vergessen, was auch kein Problem war, weil ich immer noch einige
Vorräte an Gefriergemüse im Gefrierschrank halte, die auch
mindestens einmal pro Woche weiterhin auf den Tisch kommen. Ich
selbst hatte diese Woche auch gar nichts eingekauft, weil ich Anfang
der Woche glaubte, es sei noch genug da und in der zweiten
Wochenhälfte habe ich gar nicht mehr daran gedacht. So kam, was
kommen musste. Am Sonntag, direkt beim Frühstück, stellten wir fest,
dass kein Brot mehr da war, ebenso keine Wurst mehr. Keine Wurst
wäre noch egal gewesen, aber kein Brot zu haben, das ist unschön. So
aßen wir etwas Käse so locker von der Hand. Kayla hatte irgendwo
noch eine Packung trockener Kekse gefunden, die wir dazu futterten.
So dachte ich mir am Sonntag hat ja eine Bäckerei in der
Rossbergstrasse immer offen, also fahre ich dorthin und kaufe Brot
oder Brötchen, damit wir dann wenigstens Montag in der Früh wieder
etwas haben. So habe ich mich in den Wagen gesetzt und bin dorthin
gefahren. Ungefähr gegen halb 11 war ich dort und die haben sonst
immer sonntags von 9 bis 15 Uhr offen. Dort werden dann aber
meistens Teilchen, Torten und solches Zeug gekauft, aber es gibt auch
frische Brötchen. Nun war ich wie vor den Kopf gestoßen, denn als
ich dort eintraf, sah ich schon von weitem, der Laden ist dunkel und
hat ausgerechnet heute nicht auf. Nun gibt es im Stadtteil Ostheim
zahlreiche Bäckerein, daher dachte ich mir, dann fahre ich einfach
durch die Straßen, und schaue, wo eine andere Bäckerei offen hat. Ja
ist es denn zum verrückt werden? Sonst fällt einem immer auf, dass
etliche Bäcker sonntags auf haben, ausgerechnet jetzt, wo man sie mal
brauchen würde, haben alle zu. Nach einer Stunde langsamer
Suchfahrt durch alle möglichen Straßen, vorbei an allen möglichen
Bäckereien in diesem Umfeld, hatte ich keine Lust mehr und bin
ziemlich entnervt ohne Brot oder Brötchen nach Hause gefahren.
Glauben Sie jetzt nicht, damit war's das. Als Mittag wurde, stellten
wir entsetzt fest, dass keinerlei Gemüse und auch sonst eigentlich
nichts essbares mehr im Haus ist, woraus man hätte ein Mittagessen
zaubern können. Selbst Eier waren keine mehr da, ein Zustand den es
bei uns normalerweise nie gibt. Ich mag zuweilen schon mal gerne ein
Ei, aber Kayla ist fast schon eiersüchtig, es gibt eigentlich keinen Tag
ohne mindestens 2 Eier bei Kayla, egal ob einfach gekocht, als
Spiegelei oder als Omlett. Auch mengt Kayla, wenn sie Suppe kocht,
gerne kurz vor dem Servieren ein Ei unter die kochende Suppe, den
sogenannten Eierstich. Aber nichts. Selbst der Käse, das Einzige, was
wir am morgen gegessen hatten, neigte sich dem Ende zu. So blieb
uns nichts anderes übrig, als eher widerwillig essen zu gehen. In
einem  Imbiss in der Cannstätter Straße sind wir dann hängen
geblieben. Ich vertrage Pommes Frittes nicht gut, obwohl ich sie gerne
mag, also holten wir uns eine Currywurst mit sogenannten
Stocknudeln, das kannte ich noch nicht. Schmeckt aber gut. Da ist
noch eine Soße drauf, recht würzig, dazu feine Erbsen und so war der
Mittagshunger schnell erledigt. Damit wir am Abend und für den
nächsten Morgen auch noch was zum beißen hatten, haben wir von
dem Imbiss dann noch 5 belegte Brötchen auf Vorrat mitgenommen.
Für Montag war dann zuerst einmal ein Großeinkauf angesagt.
Eigentlich gehen wir montags nie einkaufen, weil man dann meist
Reste angedreht bekommt, die übers Wochenende liegen geblieben
und im Kühlhaus bewahrt worden sind. Jedoch noch mal zurück zum
Sonntag. Wir hatten also 5 belegte Brötchen als Notvorrat gekauft und
mitgenommen, aber haben Sie schon mal solche Brötchen vom Imbiss
mit nach Hause genommen und einige Stunden gelagert, um sie
vielleicht am nächsten Morgen als Frühstück zu essen? Falls nicht,
dann lassen Sie es auch zukünftig sein, da isst man am besten lieber
gar nichts, als so was. Die schmecken nur, wenn man sie sofort isst.
Wir wollten abends jeweils eines davon essen und die verbleibenden 3
Brötchen wollten wir uns am Montagmorgen teilen, aber schon abends
schmeckten diese beiden so eklig und matschig, dass wir sie draußen
in Stücke gerupft den Vögeln und Katzen, die hier herumstreunen,
hingeworfen haben. Da hungert man lieber freiwillig und es ist schade
um das schöne Geld, was man dafür ausgegeben hat. Stellen Sie sich
bitte vor, sie würden sich ein belegtes Brötchen machen und es dann
draußen 2 Minuten in die volle Regentonne unter der Dachrinne
eintauchen, so ähnlich dürfte das Ergebnis sein, was man hier bei
diesen Brötchen nur 5 Stunden nach ihrem Kauf im Imbiss hatte.
Unsere Bewertung: völlig ungenießbar! Da braucht man kein Wort
darüber zu verlieren, wie die restlichen 3 Brötchen am nächsten
Morgen, also nochmals weitere rund 12 Stunden später ausgesehen
und geschmeckt haben. Das war dann auch nur noch Vogel- und
Katzenfutter. Dabei bin ich überzeugt, dass wir keine überzogenen
Ansprüche haben, Sie wissen es selber, dass wir uns mit wenig
zufrieden geben, wo andere schon mit dem Kopf schütteln und es als
unzumutbar bezeichnen würden. Nun ist es natürlich nicht so, dass wir
so am Limit leben, dass man nicht von Vorneherein hätte mal einen
Tag fasten können, anstatt dann gleich zum Imbiss zu rennen, aber mit
knurrendem Magen entwickelt das einen Automatismus und so arm,
dass wir uns das nicht leisten könnten, und gezwungen wären zu
hungern, sind wir dann ja auch nicht.

Demonstrationen erzeugen zuweilen auch Gegendemonstrationen. In
der letzten Woche wurde von der Gewerkschaft Verdi hier gegen
Verlängerungen von Arbeitszeiten und für Lohnerhöhungen bei den
öffentlich Beschäftigten demonstriert. Nachdem diese vielleicht 4
Stunden protestierend herumgezogen waren, sah man dann auf einmal
eine kleinere Gruppe von vielleicht 20 Leuten herumziehen, die auf
ihren Plakaten gegen diese Demonstranten demonstrierten. Sie warfen
denen vor, trotz sicherer Arbeitsplätze unverschämte Forderungen zu
stellen und sich wenig solidarisch mit den anderen Bürgern zu zeigen,
weil diese froh wären, wenn sie wenigstens überhaupt einen
Arbeitsplatz hätten. Das ist meines Erachtens natürlich eine unsinnige
Diskussion, denn mit der Begründung könnte man an jeden
Arbeitnehmer herantreten, der heute noch einen Job hat und man
könnte das dann noch weiter spinnen und gar verlangen, dass diese
Leute fast umsonst arbeiten, nur weil sie angeblich froh sein können,
einen Job zu haben. Diese Begründung würde zu einer Kette nach
unten ohne Ende mutieren und ist blühender Blödsinn. Denn die, die
gegen diese Verdi-Demonstranten demonstrieren sind mit Sicherheit
die gleichen Leute, die einem bei einem schlechten Jobangebot auch
ohne Skrupel sagen, dass sie für das Geld lieber Sohi-Gelder a'la
Hartz & Co kassieren, anstatt für diesen Minilohn arbeiten zu gehen.
Nun mag mancher sagen, dass ich es gerade nötig hätte, solche
Bemerkungen zu machen, wo ich ja zumindest teilweise ebenfalls in
gewisser Weise von Sohi-Geldern lebe. Ich denke jedoch, es ist etwas
anderes, wenn einer wenigstens, sagen wir mal 15 oder mehr Jahre in
die öffentlichen Kassen kräftig eingezahlt hat und damit zu deren
Befüllung beigetragen hat, als wie wenn Leute daher kommen, die nie
oder nur ganz kurz etwas eingezahlt haben. Wenn man nun sagt, diese
Kassen sind aber inzwischen leer, dann ist das nicht meine Schuld und
ich brauche mir deshalb kein schlechtes Gewissen zu machen, denn
ich habe seinerzeit zur Befüllung der Kassen beigetragen, wenn sich
unsere Behörden, das Land, der Staat oder wer auch immer es sich
geleistet haben, dieses Geld damals schon bei anderen zu
verplempern, die nie eingezahlt haben oder gen Osten zu schicken,
dann sollen die auch heute dafür gerade stehen, denn hätte man mir
damals gesagt, wenn du mal dran bist, kriegst du nichts, weil wir das
anderweitig im Osten oder für fremde Leute verplempern, dann hätte
ich damals nur noch schwarz gearbeitet und nie in diese Kassen
eingezahlt. Das hätte ja keinen Sinn gemacht, nur für andere
einzuzahlen und selbst später leer auszugehen.
Nun, ich befürchte, diese heikle Thematik wird uns noch des öfteren
beschäftigen. Es liegt viel an der eigenen Grundhaltung, ab wann man
sich darüber aufregen mag und ob man bestimmte Forderungen mit
einem ruhigen Gewissen stellen kann oder nicht. 

Nun möchte ich für dieses Mal hier enden, alles Gute wünscht Ihnen
Ihr

Egbert Lappenkeuler
 


Beitrag 2

Lappenkeuler - Brief / Email „Grüne Stifte" vom 23.02.2006

Neuwerte Grüße.

Da sind wir wieder. Dinge, die man schon längst zu den Akten gelegt
glaubte, bieten plötzlich wieder Möglichkeiten an. Also folgendes ist
geschehen. Es meldete sich der Herr Collmer von der
Entwicklungsgesellschaft bei uns. Wir wunderten uns natürlich heftig,
weil bekanntlich die Pläne mit der Bebauung des Campingplatzes und
daher auch die Sache mit Abschlagszahlung oder Ersatzwohnung so
gut wie gestorben sind. Der Herr Collmer war sichtlich erfreut, da die
Stadt und die Entwicklungsgesellschaft sich die ganze Angelegenheit
noch mal durchdacht haben und dabei zu dem Entschluss gekommen
sind, die geplante Bebauung doch durchzuführen, allerdings zunächst
schrittweise und in etwas kleineren Ausmaß. War ursprünglich
geplant, in einem Zug das ganze Gelände zu bebauen, so will man nun
das Gesamtbauvorhaben in 3 getrennte Bauabschnitte aufspalten, die
jeweils im Abstand von 1 bis 2 Jahren in Angriff genommen werden
sollen. Das führt dazu, dass der erste Bauabschnitt die Altlasten, also
die Gebäudereste im Erdreich, von der früheren Industriebebauung
überhaupt nicht berührt. Die werden erst bei Inangriffnahme des
dritten Bauabschnitts davon berührt. Ferner wird mit dem ersten
Bauabschnitt nicht mehr in 2006, sondern definitiv im April 2007
begonnen. Die Auswirkungen dieser Entscheidung sind vielfältiger als
man meinen möchte. Zu dem Grundstücksbereich, der gleich von
Anfang an vom ersten Bauabschnitt betroffen sein wird, zählt auch
unser Grundstück. Soweit so gut. Das heißt im Klartext, wir sollen
doch hier raus. Vor diesem neuen Hintergrund bietet der Collmer im
Namen von Stadt und Entwicklungsgesellschaft uns erneut einige
Wohnungen mietfrei als Ersatzwohnung an, so wie wir es bereits
kannten. Leider bleibt die Sache mit der Abschlagszahlung endgültig
gestorben. Die neuerlichen Beratschlagungen hätten auch ergeben,
dass die Kosten des Bauvorhabens drastisch gesenkt werden müssen
und da zähle nun jeder Cent. Daher wären keine Beträge für
zusätzliche Abschlagszahlungen mehr drin, eben um Kosten zu sparen
und weil zeitgleich die Gesellschaft, wie damals schon angedeutet,
derzeit 83 Wohnungen leer stehen hat, die sie als Ersatz für 9 oder
gegebenenfalls auch bis zu 15 Jahre mietfrei anbietet. Natürlich
können wir nicht aus 83 Wohnungen uns irgend etwas aussuchen, es
muss schon etwas sein, was nicht unter den Begriff Luxuswohnung
fällt, aber zu billig abspeisen lassen wir uns auch nicht, das habe ich
dem gleich klar gemacht. Der Collmer sagt, dass man da bereits klare
Regeln habe, wonach man uns keine Wohnung anbieten wird, die
normalerweise pro Monat 800 oder mehr Euro an Miete kosten würde,
aber man könne sich durchaus vorstellen uns Wohnungen anzubieten,
die normalerweise eine Monatsmiete von ungefähr 400 bis 700 Euro
kalt kosten. Dafür kriegt man schon was und das ist dann nicht gleich
das Allerbilligste. Des weiteren möchte man mit uns möglichst schnell
einig werden, so dass wir schon innerhalb des nächsten Vierteljahres
umziehen, sofern wir uns zeitig für eine der angebotenen Wohnungen
entscheiden. Das würde man uns anbieten, weil wir
Kooperationsbereitschaft gezeigt hätten und weil man es ein wenig als
Studienobjekt für später mögliche Umsiedlungen anderer Bewohner
betrachtet. Viele der anderen Dauer-Bewohner werden allerdings leer
ausgehen, weil die überhaupt keine vertraglich zugesicherte
Nutzungszeitdauer haben, wie es bei uns und bestenfalls 5 anderen der 
Fall ist. Herr Collmer hat bereits etliche speziell infrage kommenden
Wohnungen heraus gesucht, die wir uns innerhalb der nächsten beiden
Wochen ansehen können. Er sagte, es wären insgesamt 11 Stück,
wovon 2 Stück außerhalb von Stuttgart liegen, diese könne man dafür
aber für 15 Jahre mietfrei nutzen, während alle in Stuttgart gelegenen
Wohnungen nur für die vertraglich zugesicherten 9 Jahre Restlaufzeit
nutzbar wären. Nun hatte ich Ihnen schon mal gesagt, dass ich
eigentlich wieder ganz gerne in den Stadtteil ziehen würde, in dem ich
zuvor gewohnt habe, weil dort alles irgendwie besser zu uns passt.
Das soll keine Negativkritik an unserem jetzigen Wohnsitz in den
Mobilheimen sein, aber trotzdem würden wir längerfristig lieber
wieder in der früheren Umgebung wohnen oder an der Mosel. Die
Mosel können wir uns jedoch abschminken, ein Umzug dorthin wäre
nur mit einer Abschlagszahlung möglich gewesen. So habe ich dem
Collmer gesagt, in welchem Bereich von Stuttgart wir bei einem
Umzug dann gerne wieder wohnen würden. Der hat sich das notiert
und war sehr zuversichtlich, da er meinte, dass unter den 83 freien
Wohnungen mindestens 4, wenn nicht sogar doppelt so viele, in
diesem Stadtteil sind. Das andere Angebot, in eines der freien Häuser
auf dem Land zu ziehen und das gleich für 15 Jahre mietfrei, ist
zweifellos auch sehr verlockend. Da muss man sich die Häuser und
ihre Lage jedoch sehr genau ansehen, denn so schön es landschaftlich
auch sein mag, wir sind doch an gewisse Dinge hier in der Stadt
gewöhnt und wenn die fehlen oder zu umständlich werden, dann wird
das durch die Vorteile des Landlebens nicht aufgewogen. Wissen Sie,
um nur ein Beispiel zu nennen. Ich muss mindestens jedes halbe Jahr
zu einer Nachuntersuchung wegen meiner damaligen schweren
Erkrankung. Diese Nachuntersuchung kann hier im ganzen Umfeld
von 100 km nur in Stuttgart durchgeführt werden. Dann muss man
dies meistens mit öffentlichen Verkehrsmitteln ansteuern, weil man
oft ein Kontrastmittel einnehmen muss um mit bestimmten
Apparaturen durchleuchtet zu werden. In den ersten 6 Stunden nach
der Einnahme dieses Kontrastmittels darf man nicht mehr autofahren
und man fühlt sich zwar nicht schlecht, aber ein wenig benommen,
oder sagen wir leicht dämmrig. Je nach dem, wo dann ein Wohnsitz
auf dem Lande liegt, bekäme man dann aber dicke Probleme, mit
öffentlichen Verkehrsmittel im benommenen Zustand noch nach
Hause zu kommen. Es gibt viele weitere Gründe, die gegen einen
ansonsten schönen Wohnsitz auf dem Lande sprechen können.
Sie können sich vorstellen, dass wir nun wieder gespannt wie die
Flitzebögen sind, was man uns da nun an möglichen Ersatzwohnungen
anbieten wird. Herr Collmer hat uns versichert, dass man uns gezielt
Qualitätswohnungen anbieten wird, weil man mit uns auf jeden Fall
möglichst schnell klar kommen will, weil man sich davon einen
Mitzieheffekt für die anderen 5 Dauerbewohner mit vergleichbaren
Verträgen verspricht. Falls wir danach klagen und schimpfen, dann
wären die anderen 5, wenn die dann später mal dran sind,
abgeschreckt und würden sich sicher quer legen. Also ich fänds
großartig, wenn das so doch noch klappen würde. Kayla bejammert
nur ein wenig, dass die ganze investierte Arbeit in den Umzug nach
hier dann vertane Zeit war, womit sie natürlich recht hat, allerdings ist
sie auch für den erneuten Wechsel, sofern die neue Wohnung dann
wirklich unseren Vorstellungen entspricht. Selbstverständlich halte ich
Sie da auf dem Laufenden, weil ich denke, dass ist eine Sache, die ein
wenig von allgemeinem Interesse ist, weil man daran die
Vorgehensweise großer Anlagegesellschaften sieht, wenn man als
kleiner Betroffener in deren Mühlen gerät.

Ich glaube, wir hatten schon öfters über vergleichbares gesprochen,
aber Geschmackssache ist Geschmackssache, könnte man so sagen.
Wie Sie wissen, gehen wir selten anderweitig essen, höchstens jeden
zweiten Monat mal oder wenn es irgendwo umsonst Imbisse gibt oder
besondere Ereignisse es erfordern, wie neulich, wo uns selbst die
essbaren Vorräte aus gegangen waren. Wenn aber, meist aus Gründen
einer Eröffnung, Ausstellung oder Feierlichkeit irgendwo ein Imbiss
kostenlos angeboten wird, dann scheue ich mich keinen Moment,
solche Angebote anzunehmen und dort kostenlos zu essen. Dazu sind
solche Dinge ja auch da. Am letzten Mittwoch war es mal wieder so
weit. In der Rotenbergstraße eröffnete ein neues
Spezialitätenrestaurant mit der Werbung, dass am Eröffnungstag
zwischen 18 und 20 Uhr ein kostenloser Imbiss aus Proben der
regulären Menüs geboten würde. Das ließen wir uns nicht zweimal
sagen. Klarer Fall, punkt 18 Uhr standen wir dort auf der Matte. Kayla
hatte sich ihr süßes rot-schwarzes Kostümkleid angezogen, ich hatte
mich auch ein wenig besser angezogen, als ich es sonst tue. Nur mich
zu rasieren hatte ich vergessen. Das kommt bei mir selten vor, weil ich
mich normalerweise täglich nach dem Aufstehen rasiere, aber 2 Tage
lang hatte das nicht geklappt, weil ich vergessen hatte, den Akku vom
Rasierer zu laden. Auf die Idee mich deswegen nass zu rasieren
komme ich nicht, weil ich nass rasieren hasse, diese eklige Kleckerei.
Unrasiert in ein Lokal zu gehen ist heute kein Problem mehr, eher im
Gegenteil, selbst honorige Leute laufen heute oft in der Öffentlichkeit
mit dem berühmten Dreitagebart herum, da hätte man vor 15 Jahren
noch gefragt, was ist das denn für ein ungepflegtes, faules
Dreckschwein. So machte ich mir keinen Kopf deswegen und wir
kamen auch anstandslos in die Lokalität. Dort war es schon brechend
voll. Wegen des Andrangs standen die meisten Leute gepfercht
herum, unterhielten sich und bedienten sich dabei von diversen großen
Tabletts mit einer enormen Auswahl an schön aussehenden Häppchen.
Die waren aber so raffiniert angerichtet, dass man nicht erkennen
konnte, um was es sich dabei handelt. So bedienten wir uns auch eifrig
und ohne zu fragen von diesen Tabletts. Das erste Häppchengesteck,
welches ich erwischte schmeckte sehr gut, fast wie eine scharf
gewürzte Frikadelle. Aber ab dem zweiten Häppchen war aus mit
lustig. Traniger Fisch ist noch eine lobende Bezeichnung für das, was
man dabei schmeckte. Es war meines Erachtens ungenießbar und ich
der festen Überzeugung, dass es sich dabei um faules Zeug handelte,
Fisch, der schon vor mehreren Wochen, wenn nicht Monaten sein
Verfallsdatum hinter sich gelassen hatte. Kurzum bin ich mir in
solchen Momenten auch nicht zu schade dazu, das dann wieder
auszuspucken. Ich zog mir eine Serviette aus einem dort aufgestellten
Serviettenspender, spuckte diesen tranigen Dreck dort rein und
schmiss das dann in einen Papierkorb. Damit zog ich schon einige
kritische Blicke auf mich. Ich flüsterte Kayla ins Ohr, was damit los
war. Jetzt musste erst mal dieser widerliche Geschmack aus meinem
Mund. So nahm ich mir von einer Getränketheke ein Glas
Orangensaft, welches nach diesem Genuss der ekligen Art richtig gut
tat. Kayla ergriff sich nun ein Häppchen, verzog ebenfalls sofort die
Miene und war wohl auf ähnliches Zeug gestoßen. Sie machte es
damit genau so, wie ich. Nun lasteten die Blicke auf ihr. Ein großer
Herr mit schwarzem Anzug und schütterem Haar verzog hochnäsig
die Mundwinkel und sagte ziemlich laut zu seinem Nachbarn, so
etwas wie Vulgäres Pack. Damit meinte er wohl uns. Nun hatte ich
keine Lust, mich gleich zu Beginn mit solch einem Idioten zu streiten,
aber der Mann war in meinem Ansehen gleich ins Bodenlose gefallen.
Wir verzogen uns in eine andere Ecke des Raumes und aßen dort
einige Häppchen, die wirklich wieder sehr gut schmeckten. Allerdings
währte das nicht lange. Schon bald trafen wir wieder auf völlig
ungenießbare Brocken ekelhaft fauligen Fischs. Ich war so
angewidert, dass ich im ersten Moment etwas die Kontrolle über mich
verlor und den Fischhappen ausspuckte, bevor ich eine Serviette
ergriffen hatte. Das Ausgespuckte landete auf dem Boden und wie es
der Zufall gerade wollte, kam ausgerechnet in diesem Moment der
komische, hochnäsige Kauz vorbei. Er meckerte etwas herum und
sprach eine schlanke, kleine Dame an, die dort herumstand und mit
andern Herrschaften Konversation betrieb. Daraufhin schaute diese
Dame dorthin wo der Kauz hinzeigte, auf den Boden und man sah,
wie er ihr in schillerndsten Farben ausmalte, was er gerade an mir
gesehen hatte. Auch mehrere andere Leute, die sich wohl für feine
Pinkel hielten, schauten nun zu uns rüber, weil sie durch das Gehabe
von diesem Idioten aufmerksam geworden waren. Kayla meinte in
diesem Moment zu mir, dass es in dem Laden zu ungemütlich würde
und wir lieber nach Hause gehen sollten. Zu spät, inzwischen wandte
sich die erwähnte Dame zu uns und kam mit einem Glas Sekt in der
Hand herbei. Sie fragte mich, ob mir die gebotenen Pics, so
bezeichnete sie diese Häppchen, nicht gemundet hätten. So konkret
gefragt, antwortete ich ihr, das etliche der „Pics" durchaus lecker
waren, aber dass immer wieder völlig ungenießbare faulige
Fischsachen darunter wären, bei denen der Fisch wohl schon bei den
sogenannten Millenium-Feiern vor 6 Jahren mal irgendwo auf dem
Tisch gestanden habe. Darüber zeigte sie sich dann sehr entrüstet.
Dann ließ sie die Katze aus dem Sack und erläuterte, dass sie die
Inhaberin der neuen Lokalität sei. Sie behauptete, dass gerade diese
fauligen Fischdinger eine absolute Delikatesse darstellten, die aus
speziellen Fischsorten zubereitet würden und dann wohlgemerkt roh,
also ungekocht oder ungebraten gegessen würden. Darauf meinte ich
flapsig, dass es dann ja kein Wunder sei, dass es so traniges Zeug
wäre. Ich meinte dann noch, dass es wohl in sei, überall zu sparen und
jetzt würde schon am Erdgas zum Kochen des Fischs gespart und das
Zeug gleich ungegart serviert. Einige andere Gäste die das hörten,
lachten daraufhin herzlich, jedoch die Dame fands überhaupt nicht gut
und zu allem Überfluss gesellte sich nun auch noch wieder dieser
geschniegelte Lackaffe hinzu. Der meinte dann, das käme dabei
heraus, wenn sich Leute der unteren Gesellschaftsschicht in Regionen
verirren, in die sie nicht hinein gehören. Zugleich forderte er die Dame
auf, uns doch einfach raus zu werfen. Kayla griff mich beim Arm und
zerrte etwas und meinte, dass wir jetzt endlich diesen miesen Laden
verlassen sollten. Daraufhin wurde der Lackaffe noch recht
unfreundlich, indem er so was sagte wie, dass meine billige asiatische
Freizeitdirne und Gespielin wohl die Lage besser einschätzen könne,
als ich und dass ich besser auf sie hören solle. Dann habe ich in die
obere Jackentasche seines noblen Anzugs gegriffen, aus der ein
seidenes Strunztüchlein ragte und ihm die Tasche mit einem Ruck
abgerissen, genau so, wie man einem Degradierten die Streifen und
Orden vom Revers reißt. Alleine der blöde Gesichtsausdruck den er
dabei hinterließ war es wert, das zu tun. Ich hätte mich kaputtlachen
können, wie dieses lackierte Arschloch dann dumm aus der Wäsche
schaute und seine Tasche wie eine labbrige Zunge herunterhing. Ich
wünschte dann nur noch überfreundlich allen einen schönen Abend
und wir sind gegangen. Der eingebildete Fatzke hatte es bis zu diesem
Zeitpunkt nicht mehr geschafft, sich zu berappeln, wie man so sagt,
der stand immer noch da, wie ein begossener Pudel und wusste noch
nicht so recht, ob das, was er da gerade erlebt hatte, echt war oder ob
er nur im Alptraum dahindämmert. Kayla meinte auf dem
Nachhauseweg noch, dass es nicht unbedingt eine Heldentat von mir
war, auch wenn dieser Kerl es verdient hatte, aber wenn der die
Polizei verständigt hätte, dann würden vielleicht noch größere
Unannehmlichkeiten auf uns zu kommen. Ganz unrecht hat sie
vielleicht nicht, aber erstens war ich in dem Moment von dem
Arschloch so angewidert, dass musste einfach sein und zweitens hat er
ja auch Beleidigungen ausgestoßen, wenn auch in feinere Worte
verpackt, die dann ebenfalls zur Sprache kämen. Ich habe keine Angst
vor diesem Knallkopf und wenn der mich wirklich deswegen anzeigen
würde, dann könnte der mich aber mal wirklich richtig kennen lernen.

Vor längerem erwähnte ich schon mal, dass wir hier an den
Mobilheimen ja keinen Briefkasten haben, weil der Briefträger im
Regelfall gar nicht auf den Campingplatz kommt, sondern nur bis
vorne an das Verwaltungshäuschen. Dort hat jeder Dauerbewohner
eine Art Postfach, allerdings ohne Postfach-Nummer, sondern einem
ganz normalen Namensschildchen. Nur bei der Zustellung von
Paketen kommt der Briefträger auf das Gelände und zum jeweiligen
Mobilheim oder Wohnwagen. Nun hatten wir in der letzten Zeit eine
komische Sache, ob Kinder das machen oder ob es ein seltsamer
Irrtum ist, wir wissen es nicht. Vor rund 2 Wochen fing es an.
Meistens, wenn einer von uns raus fährt, hält er zugleich vorne an
diesem Häuschen und schaut dort im eigenen Briefkasten nach, ob
neue Post gekommen ist. So hatte ich vor ungefähr 2 Wochen beim
Öffnen einen nagelneuen grünen Filzstift im Briefkasten liegen. Ohne
weitere Angaben oder einen Hinweis von wem der ist. Wenige Tage
später lag wieder einer drin. Dann seit fast einer Woche liegt täglich
entweder solch ein Fineliner-Schreibfilzstift der Firma Schwan-
Stabilo oder ein Kugelschreiber drin, immer jeweils in grüner Farbe.
Manchmal liegen neuerdings sogar 2 drin. Inzwischen haben wir
schon 16 grüne Stifte, die auf diese Art hier eingetroffen sind. Alle
Stifte funktionieren einwandfrei und scheinen fabrikneu zu sein.
Kayla meinte, da läge sicher eine Verwechslung vor, dass die grünen
Stifte für jemand anders bestimmt sind. Die Campingplatzverwalterin,
die ja auch ihr Büro in diesem Gebäude hat, hatte aber auch nicht
mitbekommen, wer die Stifte dort ständig reinwirft. Sie sagte
allerdings, dass sie selbst vor wenigen Tagen einen neuwertigen
schwarzen Kugelschreiber in ihrem Briefkasten fand. Gut, einen, aber
nicht täglich welche. Gestern früh begegnete mir dort am Briefkasten
unser neuer Platz-Nachbar, der LKW-Fahrer Schiffer, Sie wissen
schon, der eigentlich aus Köln stammt, von dem ich Ihnen vor einigen
Wochen schrieb. Der öffnete auch gerade seinen Briefkasten. So habe
ich den gefragt, ob er auch so etwas in letzter Zeit im Briefkasten
vorfinde. Der erzählte mir dann, dass er in den zurückliegenden 2
Wochen 2 mal rote und 1 mal einen blauen Stift im Briefkasten hatte,
aber nicht wie wir, jeden Tag. Auf dem Platz traf ich noch eine ältere
Dame, die in einem Wohnwagen wohnt, der etwas abseits steht und
fragte die spontan. Die sagte auch, dass sie in jüngster Zeit schon mal
vereinzelt Filzstifte oder Kugelschreiber, meist in schwarzer Farbe, im
Briefkasten hatte, allerdings in der Gesamtsumme vielleicht 5 Stück in
2 Wochen. So war auch gestern und sogar am letzten Sonntag bei uns
wieder ein grüner Stift im Kasten. Wenn das so weiter geht, dann kann
ich bald ein Spezialgeschäft für grüne Stifte aufmachen. Ich meine, es
ist natürlich kein Nachteil für uns, im Gegenteil, von mir aus kann der
edle Spender bis zum Sankt - Nimmerleinstag damit weitermachen,
aber andererseits beunruhigt es einen doch schon etwas und so viele
grüne Stifte kriegt man ja im Leben nicht verbraucht, da trocknen die
eher ein, was auch keinem etwas bringt. Im Auto habe ich schon 3
Stück liegen für die Tanktermine einzutragen, dann hat Kayla etliche
und ich etliche, wir schreiben schon fast nur noch mit grüner Farbe.
Kayla meinte schon, vielleicht steckt genau diese Absicht dahinter,
dass der oder die edlen Spender damit das Ziel verfolgen, dass die
Leute bald alle in grüner Farbe schreiben und damit sozusagen im
Unterbewusstsein Reklame für die Grünen machen. Kann ich mir aber
ehrlich gesagt nicht wirklich vorstellen, zumal der Schiffer ja 2 rote
und einen blauen Stift im Kasten hatte und diese Frau vorwiegend
schwarze. Ich vermute eher Kinder dahinter, die irgendwo ein Lager
mit solchen Stiften geknackt haben oder irgendwie daran geraten sind
und diese nun so auf ihre eigene lustige Weise als vermeintliche
Wohltat unters Volk streuen. Warum gerade wir aber in solch großer
Menge mit ausschließlich grünen Stiften versorgt werden, leuchtet mir
nicht ein, vielleicht ist denen der außergewöhnliche Name
Lappenkeuler am Briefkasten aufgefallen und zieht die magisch an.
Vor längerer Zeit in meiner vorvorletzten Wohnung, da hatte mal
einer an meinem Briefkasten den Namen Lappenkeuler halb
durchgestrichen, also den „keuler" hatte der dick geschwärzt und dann
davor Flick-Lappen geschrieben. Das ist bestimmt schon 12 Jahre her
und damals wohnte ich noch in einem schmuddeligen Altbau in der
Lerchenstraße. Wenn man dort auf den Dachboden ging, kam man
garantiert nicht ohne Flohstiche zurück. Eine Drecksbude war das.

Flohstiche und ähnliches Ungeziefer wird man sich bald auch hier in
Stuttgart holen können, wenn das mit dem Müllabfuhr-Theater so
weiter geht. Wissen Sie, die Müllabfuhr kommt in verschiedenen
Stadtbereichen seit rund 3 Wochen nicht mehr, weil dort gestreikt
wird. Das ist allerdings sehr unterschiedlich, weil es gibt da wohl
komplizierte Feinheiten. Es gibt Bereiche, Teile von Stadtteilen muss
man wohl sagen, dort holt nicht die sogenannte städtische Müllabfuhr
den Müll ab, sondern ein privates Unternehmen, dann vielleicht 3
Straßenzüge weiter ist wieder die städtische Müllabfuhr zuständig und
1 km weiter wieder ein völlig anderes Privatunternehmen, welches
noch nicht einmal aus dem Raum Stuttgart stammt. Wo Private
abholen, ist der Müll meist weg. Ganz schlimm ist es in der Ecke, wo
wir zuvor gewohnt hatten, dort stapelt sich an manchen Wohnblocks
schon 2 m hoch der Müll. Hier bei uns merkt man eher wenig davon.
Hier wird zwar auch nicht abgeholt, aber in dem Bereich wird ohnehin
nur alle 2 Wochen der Müll geholt, nicht jede Woche, wie es in
unserem früheren Domizil der Fall war. Nun, wenn sie einmal an eine
Abholung im 2 Wochen-Rhythmus gewöhnt sind, dann macht es
ihnen auch nicht wirklich Probleme, wenn es dann mal 3 Wochen
dauert. Zudem haben wir hier recht große Mülltonnen und man hat
genug Platz, wo man den Müll auch notfalls zwischenlagern könnte,
falls die Restmülltonne oder die gelbgrüne Tonne überläuft. Der
meiste Mist sammelt sich ohnehin in dieser gelbgrünen Dualmülltonne
an, wodurch diese zuerst voll ist, aber selbst wenn die wirklich
randvoll ist, dann drückt man von oben mal kräftig nach und dieses
Zeug lässt sich oftmals dann auf ein Drittel komprimieren, so dass
locker noch Platz für mindestens 2 weitere Wochen entsteht. Das sind
ja vorwiegend Verpackungen aus Kunststoff und dergleichen, was
sich mit etwas Kraft gut zusammenpressen lässt. Nun weiß ich nicht,
wie lange dieser Streik noch andauert, das wissen die ja selbst nicht
einmal, aber falls es wirklich so lange dauern sollte, dass unsere
Tonnen überlaufen, dann hätte ich unter solchen Bedingungen auch
kein Problem damit, das Zeug irgendwo im Straßengraben
abzukippen. Man mag da sicherlich aus Umweltgründen so seine
Abneigung haben, aber was nützt mir das? Es ist immer eine Frage der
Voraussetzungen die sich zusammenbrauen, um diesen Schritt zu tun.
Unter uns kann man es ja sagen, ich hatte durchaus schon mal Müll in
der Landschaft entsorgt. Das lag auch nur an den Bedingungen. Es
waren Sachen, die man früher kostenlos beim Sperrmüll entsorgen
konnte. Irgendwann kamen die Geistesköpfe bei der Verwaltung auf
die Idee, für bestimmte Dinge, wie alte Farbdosen,
Reinigungsmittelbehälter mit oder ohne Inhalt u.s.w. eine gesonderte
Entsorgungsgebühr zu verlangen, die sich gewaschen hat. Diese
Sachen sollte man nach deren Vorstellung übers Jahr sammeln und
dann einmal zu einem Müllhof fahren oder einmal pro Jahr kam auch
ein Spezial-Müllmobil vorbei, welches solchen Kram gegen diese
Gebühr annahm. Die wollten sage und schreibe für jede alte Lackdose,
egal ob leer oder voll, 2 Euro haben, eine alte Autobatterie 7,50 Euro,
eine Tüte mit alten Pinseln und Farbrollen pauschal 5 Euro, jedenfalls
wäre ich für alles Zeug locker 15 bis 20 Euro los geworden. Eine
Frechheit. Wozu zahlt man denn seine Müllgebühr? Damals ging es
mir finanziell noch schlechter, das war noch vor dieser
Briefmarkensache, die uns wirtschaftlich durchaus viel geholfen hat,
da waren 20 Euro so gesehen noch mehr wert, als heute. Ich hatte den
Mist in meinen damaligen Suzuki-Alto geladen und ungefähr 30 km
von hier nachts an einer kleinen Waldstraße entsorgt. Ist mir doch
egal! Jedenfalls unter solchen Bedingungen. Normalerweise würde ich
das nie tun, aber wenn man glaubt, uns mit immer drastischeren
Vorschriften und Abkassiermethoden so einzwängen zu können, dann
verliere ich auch jeden Skrupel in dieser Hinsicht.

Diese Tage wurde im Radio eine seltsame Debatte über das Alter
gehalten. Alt werden finde ich durchaus sehr schön, solange man
gesundheitlich auf der Höhe ist, bzw. solange sich die Zipperlein
wirklich noch im Bereich von Zipperlein, also kleineren Krankheiten
und Gebrechen bewegen. Wenn jemand jedoch von einer größeren
Krankheit befallen ist, gibt es wohl kaum etwas schlimmeres für
denjenigen, als beim voranschreitenden eigenen Verfall zusehen zu
müssen. Solche Erlebnisse münden dann schnell in restloser
Verzweiflung und Selbstaufgabe und es gibt ganz bestimmte Punkte,
ab denen der Betroffene sich selbst als hoffnungslosen Fall ansieht
und jeder Mut dahinschwindet. Ich glaube, dass ich das durchaus so
sagen darf, weil ich vor Jahren bekanntlich selbst unter einer schweren
Erkrankung zu leiden hatte. Sind wir einmal ganz ehrlich, es hat in
dieser Zeit für mich mehrere Phasen gegeben, wo ich so weit war,
dass ich selbst der festen Überzeugung war, das Ende des Jahres nicht
mehr zu erleben, teils sogar, dass ich keine 2 Monate mehr im Voraus
etwas geplant hätte. Viele langdauernde Aufenthalte in
unterschiedlichen Kliniken und Sanatorien führten zu ebenso
unterschiedlichen Zuständen und Einschätzungen der eigenen
Zukunft. Besonders in den Kliniken, in denen man sich auf das rein
medizinisch notwendige Maß im Umgang mit den Patienten
beschränkte, lag meine Stimmung nicht nur am Nullpunkt, sondern oft
noch weit darunter im Negativen. Es gab durchaus Momente, in denen
ich gesagt habe, bevor das Leben nun so mit dem Verfall weiter geht,
wäre es mir lieber von einem momentanen erlösenden Blitz getroffen
zu werden, der mich von einer Millisekunde zur nächsten ins Jenseits
befördert. Dann aber in den Kliniken und Sanatorien, allen voran dem
einzigartigen Haus in Liechtenstein, wo man den Eindruck hatte, die
Behandlung der Krankheit läuft nur so nebenbei ab, der wahre Grund
des Dortseins ist der, Spaß zu haben oder Ablenkung in den
unterschiedlichsten Dingen zu finden, selbst mit solchen mit denen
man sich zuvor im ganzen Leben noch nie beschäftigt hatte, dort ging
es einem erheblich besser und solche tiefschwarzen Gedanken gab es
eigentlich so gut wie gar nicht mehr. Eher im Gegenteil. Wenn ein
Moment der Verzweiflung auftrat und sich die Schwere der Krankheit
wieder ins Bewusstsein zurückmeldete, dann hätte man sich trotzdem
nicht, wie zuvor nach dem erlösenden Blitz gesehnt, sonder eher mit
einer Art Leichtigkeit jeden nächsten Tag zu seinem Freund gemacht,
um wieder an diesen ganzen schönen Dingen teilhaben zu können.
Das klingt jetzt vielleicht komisch, aber diese Art der Gesamthaltung
hat dann die Genesung wirklich wesentlich mehr voran gebracht, als
die ganzen komplizierten Therapien in den anderen Kliniken zuvor.
So sage ich, sind derartige Vorhersagen, nach dem Motto, wenn ich
mal diese oder jene schwere Krankheit habe oder dieses oder jenes
hohe Alter habe, dann will ich lieber sofort in die Erdkiste springen,
oft zu leichtfertig. Ich will und kann gar nicht mehr zählen, wie oft ich
mich damals selbst schon aufgegeben hatte und selbst viele Ärzte
sahen das genauso. Eigentlich könnte man sagen, ich bin über den
Berg, habe seit über 3 Jahren mit der Krankheit nichts mehr zu tun,
außer, dass ich noch spätestens halbjährlich einmal zu einer
umfangreichen Nachuntersuchung muss, wo ich dann auch seltene
Medikamente zur Vorbeugung verschrieben kriege, die ich nach wie
vor einnehmen muss. Diese Nachuntersuchungen können auch nur
ganz bestimmte Kliniken durchführen, die eine spezielle Ausrüstung
und Ärzte mit entsprechendem Fachwissen haben. Meist ist das nur an
Universitätskliniken und einigen wenigen Privatkliniken der Fall.
Trotzdem bin ich da vorsichtig. Auch wenn ich wirklich selbst unter
diesen Fachärzten als völlig geheilt gelte, würde ich deshalb kein
überschwängliches Freudenfest geben, zu sehr bleibt im Hinterkopf,
ob die Krankheit sich nicht doch irgendwo noch in einer dunklen Ecke
in meinem Körper versteckt hält, um irgendwann wieder
auszubrechen. Es ist aber nicht so, dass solche Gedanken mich
beunruhigen oder gar den Tagesablauf bestimmen, wie es damals war.
Heute sehe ich es eher so, dass seither immerhin über 3 Jahre gut
verliefen, die mir sozusagen geschenkt wurden und ich freue mich auf
jedes weitere Jahr, bin aber nicht betrübt, wenn ich keine Vorhersage
wage, ob ich noch 10, 20 oder mehr Jahre schaffe.

Nun sind das keine Gedanken, die zur Fasnet passen mögen, aber es
sind Gedanken, die sicher ihre Anstrengung wert sind.

Soweit für heute. Eine lustige Fasnet, falls Sie in dieser Richtung
irgendwie aktiv sind, ansonsten in jedem Fall viel Freude, Ihr

Egbert Lappenkeuler