LPK-H1

Auf dieser Seite finden Sie die Lappenkeuler - Beiträge “Wundertüte” und “Villa” aus dem Jahre 2007. Beide Textbeiträge können hier direkt gelesen werden oder auch als jeweils eigenständige PDF - Datei heruntergeladen werden.

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Beitrag 1

Lappenkeuler - Brief / Email „Wundertüte" vom 06.01.2007

Etwas schwerlastige Grüße aus einem leicht eingewöhnten Jahr!

Thema Nr. 1 ist natürlich Kaylas Krankenhausaufenthalt. Es ist schon
irgendwie frustrierend zu sehen, wie dämmrig Kayla da herumliegt.
Anders kann man es nicht ausdrücken. Vor allem steigt die
Frustration, weil man ein wenig den Eindruck hat, dass die Ärzte nicht
sonderlich viele Anstrengungen unternehmen, um den wahren
Krankheitsgrund heraus zu bekommen. Unterdessen war inzwischen
zum ersten mal der echte Stationsarzt dort, also nicht nur sein
Stellvertreter. Ich habe mit dem gesprochen und der sagte, ich solle
mir keine unnötigen Sorgen wegen des dämmrigen Zustandes von
Kayla machen, dieser sei nicht durch die Krankheit bedingt, sondern
durch die Medikamentengabe, die mit Absicht Kaylas Kreislauf
vorübergehend auf ein Minimum einstellt, weil sie dann besser die
erforderlichen Untersuchungen machen könnten. Mir kommt das alles
komisch vor, aber ich kann dem Doktor ja nicht sagen, dass es alles
Blödsinn ist, was er da macht oder ihn gar wegen Untätigkeit
anfauchen. Ich bin ja kein Fachmann und wie soll ich da
argumentieren? Etwa nur dass ich da „so einen Eindruck" hätte? Der
Doktor erklärt mich dann doch für verrückt und wirft mich raus.
Trotzdem habe ich zuhause im stillen Kämmerlein schon darüber
nachgedacht, ob es nicht besser wäre, Kayla dort einfach aus dem
Krankenhaus rauszuholen und in eine unabhängige andere Klinik zu
bringen, wo sie völlig neu und vielleicht auch aktiver untersucht wird.
Dann kommen aber Selbstzweifel, weil man denkt, vielleicht ist das
dann genau das Falsche und man schadet Kayla damit mehr, als man
ihr nützt. Ich weiß nicht, die ganze Situation hat etwas beklemmendes
und noch mehr ungewisses, vor allem aber verbannt sie einen in
ziemliche Ratlosigkeit. Der Hauptstationsarzt hat mir noch gesagt,
dass es aber, so wie er das momentan sieht, keine sehr langfristige
Sache sein dürfte und er davon ausgeht, dass Kayla in ungefähr 2
weiteren Wochen wieder nachhause kann, obwohl er andererseits
selbst einräumt, dass er auch noch nicht weiß, was ihr wirklich fehlt.
Nun habe ich mir zu meiner eigenen Information eine
Versuchsstrategie zurecht gelegt, denn ich habe gestern gesehen, wie
die Stationsschwester den Cocktail verschiedenster Präparate für
Kayla in das Tablettenschälchen legte, jedenfalls einige davon. Den
Namen der Medikamente habe ich mir schnell auf ein
Schmierzettelchen notiert und werde nachher im Internet mal
versuchen, dort unter Eingabe der Medikamentennamen
herauszubekommen, wozu diese Präparate genau dienen und was sie
bewirken. Vielleicht gibt das ja wenigstens einen groben Anhaltspunkt
dafür, was die Ärzte da machen.

Am Neujahrstag fuhr ich bei der Rückfahrt von Kaylas
Krankenhausbesuch einmal einen völlig anderen Weg. Es ist ja längst
noch nicht so, dass wir hier bereits alle Straßen und Wege kennen.
Gut, die Straßen, die direkt zu unserer Siedlung führen, die kennen wir
alle, weil es im Prinzip nur eine gibt, die derzeit wirklich befahrbar ist,
aber hier in der Umgebung gibt es sicherlich noch ein Dutzend
vornehmlich kleinerer Straßen, die wir noch nicht einmal erahnen.
Eigentlich war es ein umständlicher Umweg über wirklich kleinste
Straßen, die teils eher schon haarscharf an der Bezeichnung Feldweg
vorbeischrammen. Wie Sie inzwischen  wissen, liebe ich jedoch die
Fahrt auf solchen winzigen Straßen, zumal wenn sie noch halbwegs
landschaftlich schön liegen. Schon gar nicht mehr sehr weit von hier,
vielleicht 6 km von der Siedlung, kam mir ein unaufhaltbarer Drang
an und ich hielt an einer Wegeskreuzung mit einem Feldweg, um dort
Wasser zu lassen. So erledigte ich mein dringendes „Geschäft" schnell
und wollte wieder ins Auto einsteigen, um die restlichen paar
Kilometer zurück zu legen. Als ich die Autotür schon geöffnet hatte,
fiel mein Blick auf einen großen weißen Plastikbeutel, der am 
Straßenrand, oder genauer gesagt im Straßengraben lag. Nun ist das
heutzutage wirklich nichts besonders mehr und in jedem
Straßengraben dieser Welt liegen wahrscheinlich tausende
Plastikbeutel, in denen einige Zeitgenossen einfach ihren Müll
entsorgt haben oder Beutel, die selbst einfach nur Müll sind. So käme
man eigentlich niemals auf die Idee, in solche Beutel reinzuschauen.
Aber irgendwie wirkte dieser Beutel anders. Er war total sauber,
geradezu hellweiß, ohne jeden Werbeaufdruck und er sah prall gefüllt
aus. Ich ging auf den Beutel zu, um mal einen Blick reinzuwerfen.
Innerlich dachte ich mir selbst noch dabei, dass ich jetzt schon ganz
verrückt geworden bin, wie ich nur auf diese Idee kommen könne, mir
jetzt den Müll anderer Leute anzusehen. Man kann sagen, in diesem
Moment zweifelte ich schon an mir selbst, was sonst eher selten
vorkommt. Trotzdem, wie von einem Automatismus oder innerer
Neugierde angetrieben, ging ich weiter auf den Beutel zu und fischte
ihn mit einem abgebrochenen Ast aus dem Straßengraben. Er war
noch unbeschädigt und auch noch nicht feucht geworden, so dass ich
vermutete, dass er noch nicht sehr lange dort liegen konnte, vielleicht
ein paar Stunden. Schon beim Hochziehen sah ich, dass innen wohl
Textilien drin waren. Zunächst dachte ich, da hat also wohl jemand
seine alten Klamotten so entsorgt, nur von außen fiel mir schon auf,
dass die Textilien offensichtlich schön gefaltet waren. Jemand der
Textilien wegwirft, faltet sie normalerweise zuvor nicht noch fein
säuberlich. Da ich aber keine Lust hatte, hier öffentlich auf dem Weg
den genaueren Inhalt zu erkunden, es hätte ja einer vorbeikommen
und mich beobachten können, obwohl keiner vorbeikam und ich total
alleine auf dieser einsamen Straße war, aber man weiß ja nie. So warf
ich den Beutel in den Kofferraum und fuhr damit nach Hause. Zu
Hause packte ich ihn dann in der Werkstattgarage aus und legte den
ganzen Inhalt des Beutels auf einem Tisch ab. Da staunte ich wirklich
nicht schlecht. Nicht nur, dass alle Textilien sauber gefaltet waren, sie
waren sogar eindeutig fabrikneu. Es handelte sich dabei ausschließlich
um dünne Herren - Pullover, nicht solche dicken Pullover, wie man
sie bei sehr frostigen Temperaturen braucht, sondern solche, deren
Stoff vielleicht etwas dicker als ein Flanellhemd ist, wie sie für die
momentane Witterung genau richtig sind. Insgesamt 4 solcher
Pullover befanden sich in dem Beutel, alle fabrikneu, sogar noch mit
einem angehefteten Kärtchen vom Hersteller, welches Angaben zur
Größe und zum eventuellen Waschen enthielt. Sehr schöne Pullover,
gute Qualität, sie rochen auch, wie frisch gekauft. Wissen Sie,
fabrikneue Textilien haben einen ganz eigenen Geruch, beschreiben
kann man den nicht, aber ich finde der riecht sehr angenehm und
genauso rochen die auch. Wenn man die ein einziges mal gewaschen
oder gar getragen hat, ist dieser Geruch ein für allemal weg, weil der
Weichspüler beim letzten Waschgang der Wäsche generell seinen
Geruch aufzwingt; Stichwort „Frühlingsfrische". Aber hier die waren
eindeutig fabrikneu und es kommt noch besser, alle hatten exakt
meine Größe! Sie wirken auch alle gut verarbeitet, es scheint keine
Billigware zu sein, obwohl ich nun kein Textilfachmann bin. Einer ist
orange mit 2 umlaufenden weißen Streifen, gut etwas grell,
normalerweise trage ich keine grellen Sachen. Alle anderen 3 sind in
schön dezenten Farben, die man zu allem tragen kann, 2 sind gräulich
mit einem dunkelroten Streifen und der vierte ist bläulichgrau mit
einem dünnen cremeweißen Streifen. Das war aber noch nicht alles,
was sich in dem Beutel befand. Unten drin lagen noch 2 fabrikneu
eingepackte Paar warme Winter-Sportsocken, aber solche
angenehmen, die zwar warm aber nicht dick sind. Ich hasse dicke
Socken, weil sie oft in Schuhen unangenehm zu tragen sind, wenn
man damit wandert oder sie den ganzen Tag trägt, da sie dann einem
oft brennende Fußschmerzen, besonders an den Fersen hervorrufen.
Es gibt gute Wintersocken, die sind zwar nicht ganz so dünn, wie
Sommersocken, vielleicht 1/3 dicker, aber somit längst nicht so dick,
wie normale Wintersocken, die ja sicher 5 mal so dick sind, wie
Sommersocken und diese guten dünnen Wintersocken, sind genauso
warm wie die dicken, aber sehr viel angenehmer zu tragen, leider im
Geschäft auch ungefähr 3 bis 5 mal so teuer, wie die dicken
Wintersocken. Jedenfalls solche tollen Socken sind das. Sie sind zwar
etwas größer, als meine normalen Socken, aber noch in einem
Bereich, den ich gut tragen kann. Verrückt, nicht wahr? Weiterhin
befand sich unten noch ein geheimnisvolles flaches Plastikkästchen.
Zuerst dachte ich, dass darin vielleicht ein Schmuckteil oder eine
Armbanduhr enthalten wäre, aber um so mehr Erstaunen entstand bei
mir, als ich innen 4 Speicherkarten vorfand, so ähnlich wie sie in
vielen Fotoapparaten sind. Leider habe ich kein Gerät, mit welchem
man diese Sorte von Speicherkarte nutzen kann. Aber wer weiß,
vielleicht kann man sie irgendwann später mal gebrauchen. Der
Beschriftung nach weisen alle sogar einen Speicherplatz von jeweils 1
Gigabit auf. Ich dachte in dem Moment ernsthaft, ob das Christkind da
etwas unterwegs verloren hat? Was natürlich eine Anwandlung eines
kindlichen, oder besser gesagt, kindischen Moments war. Eine
interessante Frage die sich dabei auftut: Hat das nun einer verloren
oder absichtlich dorthin geworfen? Also nach verloren sah es
eigentlich nicht wirklich aus. Ich weiß nicht, die ganzen
Begleitumstände und die Lage, wie das dort lag, das passte zum
normalen Verlieren nicht richtig. Es transportiert doch keiner solche
Sachen auf einem offenen Anhänger, einer Ladepritsche oder so, dass
die in der nächsten Kurve oder beim Gasgeben hinten runter fallen.
Das gibt's doch bei solchen Dingen normalerweise nicht.
Andererseits, solche Sachen deponiert auch kein normaler Mensch im
Straßengraben, wo sie beim nächsten Regen in dessen Wasserfüllung
versunken wären. Ein anderer Gedanke, der vielleicht mehr zur
heutigen Konsumgesellschaft mit ihrem überzogenen
Anspruchsdenken passen könnte, dass da jemand absichtlich sein
Weihnachtsgeschenk so weggeworfen hat, weil er etwas völlig
anderes erwartet und gewünscht hatte. Sozusagen ein Wegwurf aus
Frust und Verärgerung über das nicht erfüllte Wunschgeschenk. Also
es bleibt ein Rätsel. Nun sagen Sie selbst, diese Dinge sind doch zu
schade, als dass man sie einfach weiter dort hätte liegen lassen sollen.
Solche Kleidungsstücke kann man immer mal gebrauchen und sie
bereichern meinen Bestand an dünnen Pullovern, nennen wir sie mal
Herbstpullover, gleichsam um 400 %, denn bislang hatte ich von
dieser dünnen Sorte nur einen. Darüber muss man sicherlich kein
schlechtes Gewissen bekommen, ich finde, eher sogar im Gegenteil.
Es wäre schändlicher oder verwerflicher gewesen, die guten Teile dort
einfach sinnlos verrotten zu lassen. Die andere Frage, die sich auftun
könnte wäre die, ob man damit nicht zuerst ins örtlich zuständige
Fundbüro hätte gehen sollen? Vielleicht vermisst jemand die Sachen,
der sie wirklich verloren hat. Darüber habe ich lange nachgedacht und
egal von welchem Ansatz her ich diese Angelegenheit auch aufgerollt
habe, immer kam ich zu dem Ergebnis, dass es so richtig war, wie ich
es gemacht habe. Im Fundbüro, was machen die denn schon? Die
lagern es ein, notieren in einem Eingangsbuch das Datum, meine
Personalien und vielleicht noch in Stichworten den von mir
angegebenen Fundort. Aktiv etwas unternehmen, um einen möglichen
Verlierer ausfindig zu machen, wird man für solche Dinge wohl kaum.
Wie schon oben angesprochen, ist die Wahrscheinlichkeit, dass es sich
hierbei um einfach verlorene Gegenstände handelt, sehr gering, so
dass sich ohnehin niemand suchend wegen dieser Sachen aus sich
heraus ans Fundbüro wenden wird. Also brauche ich mir keinerlei
Vorwürfe zu machen, den falschen Weg gegangen zu sein oder gar
Unrechtes getan zu haben. Schlussendlich noch ungefähre
Schätzungen zum Wert meines Fundes. Wie bereits gesagt, waren alle
Teile fabrikneu, somit kann man den Ladenwert ansetzen. Da die
Pullover eine gute Qualität aufweisen, kann man sicher sagen, dass sie
im normalen Textilgeschäft mindestens 30 Euro pro Stück kosten. Ich
weiß das zufällig, weil Kayla und ich vielleicht im Oktober mal in
Stuttgart in der Textilabteilung eines Kaufhauses an solchen Pullovern
gestanden haben und die kosteten dort selbst als preisreduzierte Ware
schon 35 Euro. Deshalb liege ich bei 30 Euro Mindestpreis eher noch
viel zu günstig, zumal hier diese Pullover höherwertiger und besser
verarbeitet aussehen, als die im Kaufhaus, also wahrscheinlich werden
die noch wesentlich mehr kosten, vielleicht sogar 50 Euro oder mehr 
pro Stück. Trotzdem setze ich mal die 30 Euro an, also 120 Euro für 4
Pullover, die guten dünnen, warmen Wintersocken kosten pro Paar
etwa 7 bis 10 Euro, also 14 Euro für beide und die 4 Stück 1 GB
Speicherchips kosten pro Stück sicherlich auch noch mal 15 Euro,
eher etwas mehr, also bei 4 Stück mindestens 60 Euro. So ergibt sich
in der Gesamtsumme für meine Fundtüte, fast könnte man schon
Wundertüte sagen, ein Wert von mindestens 194 Euro, also rund 200
Euro. Nicht schlecht! Nach solch einem Erlebnis fragt man sich, ob
man sich nicht viel öfter, vielleicht sogar generell, den Inhalt von
Tüten oder auch Kartons im Straßengraben ansehen sollte.
Wahrscheinlich könnte man dann aber die nächsten 15 Jahre jede Tüte
zweimal rumdrehen, ohne noch ein einziges mal auf etwas
brauchbares zu stoßen.
Vielleicht betrachte ich das als kleines Trostpflaster dafür, dass Kayla
im Krankenhaus liegt, denn so entsetzlich es klingen mag, ohne
Kaylas Krankenhauslägrigkeit hätte ich diese Wundertüte nie
gefunden, denn schließlich wäre ich dann gar nicht dort entlang
gefahren. Als ich das am Tag danach Kayla im Krankenhaus erzählte,
hat sie das zuerst überhaupt nicht verstanden, weil sie von den
Medikamenten, die sie zur Dämpfung ihres Kreislaufs nach wie vor
bekommt, noch ziemlich benommen und schläfrig war. Im Laufe des
Nachmittags wurde sie dann aber aktiver und verstand erst richtig,
was ich ihr da erzählte. Dann glaubte sie es anfangs aber gar nicht so
richtig.

Silvester war hier noch ruhiger, als ich erwartet hatte. Im Prinzip tat
sich hier gar nichts. Die hübsche junge Frau, die mit ihrem Kleinkind
in einem Haus der Siedlung wohnt, das Kind von der habe ich
übrigens auch schon einige Wochen gar nicht mehr gesehen, vielleicht
verbringt es die Weihnachtszeit bei seinem Vater, der laut dem
Rentner weit weg wohnen soll; also diese Frau kam gegen Mitternacht
mal kurz vor die Tür und zündete 3 solcher bunten Leuchtfackeln an,
die dann unter Funkensprühen in vielleicht 10 Sekunden hellleuchtend
abbrannten. Eine in einem wunderschönen, kräftigen, edlen blau, eine
in rot und eine in grün. Kein Böllerschuss, keine Rakete, nichts, ich
sah dann noch von weitem, dass die Frau danach weinend ins Haus
zurück ging. Na hätte ich da irgendwie trösten sollen oder können?
Sicherlich nicht, dann hätte man das sicher falsch verstanden und
direkt gesagt, schau mal an, kaum ist seine Kayla nicht da, da macht er
sich an die ran. Vielleicht waren es ja auch Freudentränen, beruhigte
ich mich selbst, weil mir war irgendwie nicht ganz wohl dabei, diese
Frau einfach so weinend, wahrscheinlich tieftraurig an so einem
Abend ihrem Schicksal zu überlassen. Dann aber kam in mir ein
Gedanke, der mich davon total ablenkte, aber keineswegs glücklicher
stimmte, nämlich der, dass ich ja derzeit auch nicht bei Kayla sein
kann, die es sicher aus meiner Sicht mehr verdient hätte, dass ich beim
Jahreswechsel bei ihr wäre, was aber nun mal nicht geht. Solch einen
komischen, schwermütigen Silvesterabend habe ich noch nie
verbracht. Zurück zum Thema, also Knaller, Böller und Raketen
waren hier Fehlanzeige und am Himmel konnte man das Feuerwerk
von Jöhlingen und Wössingen bestenfalls grob erahnen. Man sah
schon mal bunte Erhellungen, ähnlich wie bei einem Polarlicht und da
es hier ja schön ruhig ist, konnte man manchmal ganz leise, aber
wirklich nur ganz, ganz leise in der Ferne etwas von der Knallerei
hören. Nun gut, mir fehlte das ganze Brimborium nicht, nur Kayla, die
fehlte mir an diesem Abend wirklich. Zwischendurch hatte ich mal
den Fernseher eingeschaltet, um so vielleicht ein wenig Ablenkung zu
erhalten, aber wenn das ein Silvesterprogramm sein sollte, na dann
Gute Nacht Deutschland! Kalter Kaffee ist noch ein wahrer Genuss
dagegen. Da war die 5.000 Wiederholung von „Dinner for one" mit
Abstand noch das Beste am ganzen Programm und es lohnt nicht, über
den Rest weitere Worte zu verlieren. Der Fernseher war daher nach 15
Minuten auch wieder aus. Da wäre es unterhaltsamer gewesen, noch
einige Stunden mit Taschenlampen bewaffnet durch die Fabrik zu
klettern. Das habe ich natürlich nicht gemacht, da man dort immer
besser mit 2 Personen unterwegs ist, aus Sicherheitsgründen. Daher
werde ich vor Kaylas Rückkehr aus dem Krankenhaus dort nur noch
vielleicht ab und zu bei Tage etwas herumstreifen und auch nur in
Ecken, die weniger gefährlich sind, nicht in den Kellergewölben oder
dort wo die vielen Schächte sind. Sich an Silvester vollaufen zu
lassen, das ist auch nicht mein Ding, weil ich mich sonst auch nie
vollaufen lasse. So wurden zwar 2 Gläser Wein geleert und im Stillen
auf Kaylas Gesundheit angestoßen, das reichte mir dann aber auch
und ich bin kurz nach dem Jahreswechsel schlafen gegangen.

Am Neujahrstag habe ich noch lange mit dem Rentner gesprochen,
der ja in dem Haus neben, oder besser gesagt vor der jungen Frau
wohnt. Der meinte, die habe wohl ihre innere Traurigkeit nicht mehr
unterdrückt bekommen, was ihr sonst immer recht gut gelänge. Aber
gerade an solchen Tagen wie Heilig Abend oder Silvester platzt das
dann aus den Leuten heraus, besonders wenn keiner greifbar ist, mit
dem man sich trösten kann. Unterdessen meinte der Rentner, er sei an
Silvester schon um 19 Uhr zu Bett gegangen und erst zufällig wach
geworden, als er die junge Frau auf der Straße weinen hörte. Er hätte
ihr dann als direkter Nachbar noch Worte des Trostes spenden wollen,
aber er konnte ja nicht gut im Schlafanzug auf die Straße gehen und
bis er sich angezogen hatte, war die schon längst wieder in ihrem
Haus verschwunden.
Nun mag eine hübsche junge Frau, wie diese, noch leicht das Mitleid
und Bedauern der Mitmenschen erwecken, durchaus zurecht, aber wer
tröstet all die alten, vielleicht hässlichen Leute, die keinen mehr
haben, der ihnen eine Stütze ist und deren einzige Zukunft nur noch
aus Vergangenheitsbewältigung besteht? Wissen Sie, solche Tage wie
diese, wenn dann rund um einen so etwas geschieht, das kann einen
schon ganz schön runterziehen und dieses Paket Weihnachten /
Neujahr kam mir dieses mal mehr wie eine Beerdigungsveranstaltung
vor. Da ging es selbst bei der Beerdigung von meinem Bekannten,
diesem Fritz, vor ungefähr einem halben Jahr, noch lustiger zu. So
etwas habe ich in diesem Ausmaß noch nie erlebt und es ist sicherlich
die Sorte von Weihnachten, die man keinem wünscht. Sachlich
nüchtern betrachtet könnte man natürlich sagen, das Problem ist der
Kopf! Nur der Mensch kann sich auf diese Weise selbst die Stimmung
vermiesen, wenn doch sonst rundherum eigentlich fast alles in
Ordnung ist. Man hat genug zu essen, es herrscht kein Krieg,
finanziell geht es gut und dann solch eine Weihnachtsstimmung, die
total am Boden liegt? Hätte man keinen Kopf, hätte man auch nicht
diese miese Stimmungslage! Ich meine jetzt damit diesen
Gedankenapparat, der erst aus den verschiedensten Gedanken das
zerrende Netz knüpft, in welchem sich jede gute Stimmung verfängt
und nach unten gezogen wird. Ja, der Kopf ist dem Menschen auch
manchmal im Weg!

Trotzdem weg von diesen zentnerschweren, belastenden Gedanken.
Die Welt kann so schön sein, das wissen wir alle und es gibt Dinge,
die auf den ersten Blick von jedem als hässlich oder unscheinbar
betrachtet werden und erst bei genauer Beschäftigung damit, entdeckt
man ihre Pracht. So ähnlich ist das sicher auch mit der alten Fabrik
hier, wo viele sagen würden, dass man solch ein altes Gelump lieber
heute als morgen niederreißen sollte. Ich finde das ist solch eine
interessante Sache, die ist wertvoller als jeder teure Ferienpark oder
jedes von Fachleuten durchgestylte Museum.

Ich habe dann auch wieder eine neue Unerklärlichkeit entdeckt.
Vorgestern hatte ich damit begonnen, in der Werkstattgarage die
nordseitige Außenwand von innen neu zu verputzen. Wissen Sie, ich
kann das zwar eigentlich nicht, habe so etwas nie gelernt und Wände
verputzen ist eine Sache für Spezialisten, aber in der Werkstattgarage
braucht es ja nicht unbedingt ganz so schön zu sein und ich werde
mich hüten, dafür noch Geld auszugeben, um das von einem
Fachmann machen zu lassen. Die wahren Putzkünstler machen das ja
alles mit den üblichen Werkzeugen, wie diversen Kellen,
Reibbrettern, Schwammbrettern u.s.w. mit denen mir zwar der
Materialauftrag mittlerweile auch relativ gut gelingt, aber das
streifenfreie Abziehen und Ausgleichen behagt mir überhaupt nicht
recht. So habe ich meine eigene Methode entwickelt, die für eine
streifen- und stufenfreie, einheitliche Fläche sorgt, die allerdings mit
dem Makel behaftet ist, dass die Putzstruktur an der Oberfläche immer
ein wenig rau bleibt, was aber in der Werkstattgarage überhaupt nicht
stört. Im Gegenteil, es wirkt dort sogar so, als solle es absichtlich so
sein, um dem Raum einen zweckbestimmten, robusteren und
rustikalen Arbeitscharakter zu verleihen. Nur soviel, meine Methode
trägt zuerst, wie sonst auch üblich, den Putz mit den obligatorischen
Werkzeugen auf, verstreicht und glättet ihn dann, ebenfalls noch wie
üblich, mit dem schwammbehafteten Glättbrett, was mir aber so ganz
gleichmäßig ohne Ränder und Streifen nicht gelingt. Jetzt folgt meine
eigene Spezialbehandlung, die sozusagen den Lappenkeuler - Putz
ausmacht: ich streiche anschließend den noch feuchten Putz mit einem
dicken feuchten Weichhaar - Pinsel gleichmäßig ein, so ähnlich, als
wolle man Putz und Wand bereits lackieren, allerdings ist der Pinsel
dabei immer nur mit etwas Wasser getränkt. Wichtig ist dabei, das
richtige Gleichgewicht zwischen zu nass und zu trocken am Pinsel zu
finden. Der ganze Putz wird dann auf diese Weise einfach perfekt und
schön gleichmäßig, wenn man den Bogen erst einmal raus hat. Nur die
Oberfläche dieses Putzes ist dann nach dem Abtrocknen halt rauer, als
mit der Methode des Fachmanns. Ist der Pinsel dabei zu nass, löst sich
der Putz auf und schwemmt ab, ist er zu trocken, dann erkennt man
die Haarstruktur des Pinsels im Putz oder der Putz wird noch viel
rauer. Diese Balance habe ich jedoch nach etwas Übung schnell raus
gehabt. So weit war das Verputzproblem für mich also gelöst. Das
heißt fast, bis auf einen Flächenteil. Unterdessen tat sich an einer
Wandstelle von etwa 3 m² ein völlig anderes Problem auf, nämlich
dass dort absolut kein Putz an der Wand haften blieb. Überall
anderswo ging es hervorragend, nur in diesem Bereich ums Verrecken
nicht, wie man so sagt. Der Putz fiel dort immer komplett runter und
selbst das Beimischen von sogenanntem Mörtelöl brachte nichts. Das
ist ein Mittel, welches die Fachleute am Bau gerne verwenden, ein
Spezialbaustoff, den ich mal bei meinen Aushilfstätigkeiten beim
Innenausbau kennen lernte, der sorgt dafür, dass der Putz oder auch
Mörtel länger verarbeitbar bleibt, ohne zu weich zu sein, dass er sich
geschmeidiger verarbeiten lässt und vor allem, dass er wesentlich
besser haftet, man könnte schon sagen, er klebt dann richtig. Ein
weiterer Nebeneffekt von diesem Zeug ist auch, dass man damit
angemischten Mörtel oder Putzmörtel auch noch problemlos bis - 5
Grad verarbeiten kann, eine Fähigkeit, die aber in diesem Winter nicht
gefordert wird. Wie gesagt, ich hatte mir schon einen Kanister von
diesem Zeug im speziellen Bauhandel gekauft und es untergemischt,
trotzdem an dieser genannten kritischen Stelle haftete rein gar nichts.
Selbst Schnellzement, den man zum Einsetzen von Lastdübeln
verwendet und der sonst überall haftet, ließ sich bei einer Probe dort
nicht haftend aufbringen, sonst hätte ich diese Stelle nämlich einfach
damit verputzt. Das Zeug sieht ausgehärtet ja ähnlich grau aus, nur
dass dessen Oberfläche härter ist und es härtet so schnell aus, dass
man immer nur soviel anmischen kann, wie man innerhalb von 2
Minuten verarbeitet bekommt. Aber auch das hielt überhaupt nicht
und fiel gleich am Stück wieder runter. Die gleiche Stelle wies
übrigens vor dem Abklopfen des alten morschen Putzes alles
grellgelbliche und moosgrünliche Verfärbungen auf, so ähnlich, als
habe man dort mit einem neongelben und neongrünen Textmarkerstift
das Mauerwerk bemalt. Wie es der Zufall wollte, ich hatte an einem
Tag die Tür von der Werkstattgarage zur besseren Durchlüftung weit
offen stehen, da kam gerade der Rentner von hier hereinspaziert und
zollte zunächst einmal ein großes Lob für den nun schon schönen
Zustand, wusste dann aber offensichtlich sogleich einen Grund, für
diesen Makel, mit dem nicht haftenden Putz. Er hatte ja früher selbst
mal eine Zeit lang in der Fabrik gearbeitet. Er sagte, dass an dieser
Stelle vor vielleicht 40 Jahren eine Apparatur gehangen habe, aus der
ständig eine bestimmte Säure ausdünstete, um mit dieser
Säureverbindung irgendwelche anderen Produkte auf Qualität zu
testen. Direkt darüber habe sich damals noch ein Abzugskamin aus
Blech mit einem Absauggebläse in der Decke befunden und
tatsächlich, man sieht von unten im Dach noch eine kreisrunde Stelle,
die mal nachträglich mit neuerem Holz und obendrauf mit neueren
Dachpfannen verschlossen wurde, wo dann früher dieser
Abzugskamin durchging. Er meinte, dass diese Säuredünste sich im
Laufe der Jahrzehnte im Mauerwerk festgesetzt hätten und dafür
sorgten, dass da nichts mehr drauf hält, weil durch die scharfen
Dünste die inneren Mauerwerkssteine regelrecht kristallisiert wären
und sich nun nichts mehr mit ihnen oder der gefestigten Dunstschicht
darüber verbinden könnte. Das sei vergleichbar, als würde man
versuchen, eine Glasplatte zu verputzen. Er meinte sogar, dass ich dort
lieber vorsichtig sein soll, um mir vielleicht keine Verätzungen
zuzuziehen, falls dort noch wirksame Reste dieser Säureverbindungen
an der Stelle im Mauerwerk wären. Die erste Erklärung von ihm mag
zutreffen, aber dass das heute noch gefährlich sein soll, kann ich mir
kaum vorstellen, zumal der Rentner selbst einräumte, dass diese
Anlage, die dort mal war, spätestens schon 1972 außer Betrieb
genommen und später abgebaut wurde. Nach solch langer Zeit, so
meine ich jedenfalls, müsste das Zeug doch unschädlich sein. Nun,
was macht man in solch einem hartnäckigen Fall? Der Rentner
meinte, ich müsse da eben in den sauren Apfel beißen, und in diesem
Bereich quasi ein Loch in diese Außenwand schlagen und alle von
dieser Sache betroffenen Steine herausbrechen und mit vernünftigen
neuen Steinen das wieder ausmauern. Gut, das wäre eine Möglichkeit,
aber mit Sicherheit die Umständlichste und zudem noch mit dem
gravierenden Nachteil behaftet, dass ich dann in diesem Bereich auch
noch den Außenputz erneuern müsste, der eigentlich noch gut ist. Eine
andere Idee schoss mir plötzlich durch den Kopf, die zudem sehr gut
in den Rahmen meiner Fähigkeiten passt: diese Stelle überhaupt nicht
neu verputzen, sondern mit einer angedübelten Gipskartonplatte
verkleiden! Dadurch entstünde zwar in diesem Flächenbereich ein
kleiner Überstand, aber wen stört das schon in einer Werkstattgarage?
Zumal wenn später mal alles in einer einheitlichen Farbe angestrichen
ist, fällt einer Überstand von etwa 2 mm so gut wie gar nicht mehr auf.
Das einzige Problem dabei war ein Transportproblem, denn eine
solche Gipskartonplatte kriege ich selbst bei den schönsten
Verrenkungen nicht in den Opel - Corsa rein und 2 Platten brauchte
ich für diese Fläche. In der alten Fabrik lagen solche Platten leider
nicht herum, da kam mir schon kurz der Gedanke, ob ich nicht einfach
eine Holzplatte mit der gleichen Wirkung davor düble. Holzplatten
liegen in der Fabrik an etlichen Stellen herum, aber es waren von der
Dicke her und von der Materialbeschaffenheit her keine dabei, die
man für diesen Zweck hätte nehmen können. Also ließ ich diese Idee
wieder fallen und schwenkte schnell wieder zurück zu der Idee mit
den Gipskartonplatten. Einen Tag später fiel mir, als ich von Kaylas
Krankenhausbesuch zurückkehrte, am Stadtrand von Karlsruhe ein
Baustoffhandel auf, kein Baumarkt, sondern ein Baustoffhandel, der
eigentlich nur an Firmen liefert. Ich fragte dort nach, ob die mir 2
einzelne Gipskartonplatten verkaufen und auch anliefern könnten. Das
ging sogar am gleichen Tag noch und bereits 3 Stunden später hatte
ich die Dinger schon in der Werkstattgarage stehen. Natürlich musste
ich die Frachtkosten extra bezahlen, jedoch befand ich diese mit 10
Euro pauschal für günstig und das bei einem Warenwert von nur 29
Euro. Der LKW-Fahrer von denen sah beim Abladen, wo und wie ich
die einsetzen möchte und gab mir noch den Tipp, die vorstehende
Stoßkante mit einem speziellen Nessel-Stretchband zu überkleben.
Das löst sich, wenn man den Übergang vom normalen Putz zu der
Gipskartonplatte leicht mit überputzt leicht auf und bildet dann einen
homogenen Übergang, dass heißt aus der 2 mm - Kante wird dann im
Prinzip ein ganz seichter Übergang, den man noch weniger oder
eigentlich gar nicht mehr sieht. So habe ich das dann gemacht. Dieses
spezielle Nessel-Stretchband gab es nur auf 15 m - Rollen und es
kostete mit 25 Euro fast mehr, als die Platten selbst, aber dafür ist mir
diese Aktion wirklich perfekt gelungen. Zugleich ist sie so immer
noch um Welten günstiger und weniger arbeitsintensiv, als die
Radikalmethode von dem Rentner, von wegen gleich die Mauersteine
ganz rausklopfen und ersetzen. Kayla würde ganz schön staunen,
wenn sie sehen könnte, wie weit ich schon mit der Innenrenovierung
der Werkstattgarage gekommen bin. Natürlich habe ich ihr das alles
erzählt, aber durch diese Medikamente ist ihre Wahrnehmung doch
stark beeinträchtigt. Wissen Sie, es ist so ähnlich, als würden Sie
jemandem etwas erklären, den Sie gerade aus dem Tiefschlaf gerissen
haben. Der sagt zwar dann auch immer ja oder so etwas, aber nur um
möglichst schnell wieder weiterschlafen zu können oder mehr aus
Reflex, obwohl er in Wahrheit von dem Gesagten gar nichts
mitbekommt und sich auch schon eine viertel Stunde später nicht
mehr daran erinnert.

Sehr wenig Freude herrschte diese Tage über unsere
Gebäudeversicherung. Es kam die neue Rechnung für das Jahr 2007
bezüglich der Gebäude- Feuer-, Sturm- und Einbruchsversicherung
sowie kombiniert der damit verbundenen Hausratversicherung. Wir
hatten letztes Jahr absichtlich diese völlig unbekannte
Versicherungsgesellschaft gewählt, weil sie in einem Vergleich sehr
kostengünstig bei gleichen Leistungen, wie die berühmten Großen
abschnitt. Die hat ihren Sitz irgendwo in Darmstadt. Nun brauchten
wir natürlich letztes Jahr quasi nur für gut 2 Monate den Beitrag
zahlen, aber wir hatten das schon aufs Jahr hochgerechnet und daher
mit rund 230 bis 250 Euro Jahresgebühr gerechnet. Nun kam aber die
Jahresrechnung und die Burschen wollen 398 Euro haben! Es liegt
auch gleich ein mehrseitiger Erklärungswisch dabei, wo man
bejammert, dass einerseits die Versicherungssteuer teurer geworden
wäre, was natürlich für eine Preisanhebung in diesem Ausmaß bei
weitem nicht herhalten kann, aber vor allem, dass andererseits unsere
Lage hier in eine andere Kommunal - und Regional - Klassifizierung
eingestuft worden sei, wodurch die Erhöhung so heftig ausfalle. Da
man bei außergewöhnlichen Preissteigerungen das Recht hat, die
Versicherung innerhalb eines Monats zu kündigen, werde ich das
wohl tun. Die können mir mal im Mondschein begegnen und ich
werfe den feisten Versicherungsschnöseln doch nicht jährlich rund
400 Euro nach. Ohne Versicherung geht's natürlich auch nicht, das
heißt, es geht schon, aber das ist mir dann doch zu riskant. So muss
ich mich derzeit noch umhören, wo eine Versicherung das
Leistungspaket wirklich nennenswert billiger anbietet. Mehr als 250
Euro pro Jahr will und werde ich dafür keinesfalls ausgeben, das ist
schon mehr als genug. Es gibt im Internet zahlreiche Vergleichsseiten
für Versicherungsangebote, teils sogar mit Prämienrechner, aber die
taugen alle überhaupt nichts, denn wenn man sich die mal genauer
betrachtet, bevorzugen die, je nach Herausgeber, immer die eine oder
andere Versicherungsgesellschaft, die dann komischerweise immer
günstiger abschneidet. Besonders viele davon sind aber auch zu
unübersichtlich und verwirren einen mehr, als sie einem helfen.

Die Seuche mit den Spam - Emails ist zwischen Weihnachten und
Neujahr bei mir schlagartig um das 5fache angestiegen. Nicht selten
fanden sich pro Tag rund 80 Spam - Emails in meinem Postfach,
obwohl ich bis vor kurzem meistens eigentlich noch weitgehend von
diesem Mist verschont blieb. Nun bietet mein Email - Provider, diese
Firma GMX, einen kostenlosen Spamschutz an, den man selbst
einstellen kann. Davon habe ich vorige Woche Gebrauch gemacht und
den aktiviert. Das Ergebnis ist, dass ich jetzt nur noch etwa 3 Emails
pro Tag erhalte, wovon zwar immer noch 2 Spam sind, aber dafür
platzen in einem gesonderten Spam - Ordner die Ausmaße bald, da
dort alle diese Spam - Emails auflaufen. Da ich normalerweise nicht
täglich meine Emails abfrage, im Regelfall etwa ein- bis zweimal die
Woche, eher nur einmal, um Verbindungskosten zu sparen, sammelt
sich in solcher Zeitspanne dort dermaßen viel Spam an, dass es
eigentlich völlig unmöglich wird, aus diesem Klumpen noch
eventuelle echte Emails herauszufischen. Leider werden aber Emails
von einem Bekannten aus der Gegend von Freiburg auch automatisch
in diesen Spam - Ordner geschoben, wahrscheinlich weil seine
Emailadresse in Teilen denen einiger Spamversender ähnelt. Wenn
man dort nach einigen Tagen einen Berg von etwa 350 Spam-Emails
vorfindet und daraus dann noch eine einzige echte Email herausfiltern
soll, so wirft man schnell das Handtuch. Aber es soll irgendwie gehen,
diese Filterkriterien so einzustellen, dass man sagen kann, die Sachen
die von dieser speziellen einen Emailadresse kommen, sollen nicht
nach Spam verschoben werden, obwohl sie vielleicht im
Absenderkopf Teile der spamüblichen Angaben enthält. Aber wie das
gehen soll, muss ich mir noch anlesen oder ausprobieren. In solchen
Dingen wäre Kayla wieder fixer, wenn sie denn hier wäre.

Eine andere Begebenheit, die fast schon ein wenig lustig wirkt. Am
Mittwoch fiel mir zuerst morgens früh ein blöder Kerl hier auf, der
über die kleine Zufahrtsstraße mit einem ekligen Kampfhund
gewandert kam. Er lies das blöde Vieh ohne Leine hier herumlaufen.
Ich beobachtete das zufällig vom Fenster aus. Normalerweise laufen
hier fast nie Leute herum, die ihren Hund ausführen, weil es den
meisten einfach zu abgelegen liegt. Wenn sie es doch tun, ist sicher
nichts dagegen zu sagen, so lange sie die an der Leine führen und die
Hunde nicht vor anderleuts Anwesen ihr Geschäft machen. Aber wenn
dann schon einer mit solch einem Kampfhund daher kommt und dann
noch ohne Leine, das finde ich überhaupt nicht gut. Eigentlich hatte
ich große Lust, diesem Idioten meine Meinung zu sagen, dafür fehlte
mir aber die Zeit, da ich gerade einige Dinge zusammentrug, die ich
Kayla mit ins Krankenhaus nehmen wollte. Dieser Kerl mit dem
Kampfköter verschwand dann geradeaus in südlicher Richtung auf
dem Weg der zu den beiden Mühlen und vorbei an dem
Militärautoschrottplatz führt. Ungefähr 3 Minuten später schloss ich
gerade draußen die Werkstattgarage auf, um die zusammengetragenen
Sachen schon mal in den Kofferraum des Wagens zu legen, als ich ein
Auto langsam herannahen hörte. Es hielt bei mir vorm Grundstück
und als ich mich umschaute sah ich, dass es ein Streifenwagen der
Polizei war. Einer der beiden Polizisten stieg aus und kam zu mir
rüber. Er grüßte freundlich und fragte, ob ich zufällig hier jemanden
mit einem Kampfhund hätte herumlaufen sehen. Das bejahte ich und
zeigte ihm den Weg, den der Kerl weiter gegangen war. Dann fragte
er noch, ob ich diesen Kerl hier schon öfter gesehen hätte oder ob ich
wüsste, wer das ist. Beides konnte ich verneinen, dann bedankte sich
der Polizist und die fuhren ganz langsam und mit ruhigem Motorlauf,
fast im Standgas weiter in die von mir beschriebene Richtung. Nun
wird dieses Wegstück weiter hinten sehr schlecht, da es bis vor
einigen Monaten noch total zugewachsen war und der Bautrupp
seinerzeit nicht alle Wurzelstücke im Wegboden richtig restlos
weggemacht hat, das rief ich dem Polizisten noch hinterher. Mit einem
normalen PKW wird man sich schwer tun und die Gesundheit der
Reifen riskieren, besonders in einem etwa 150 m langen Zwischen -
Teilstück davon. Da braucht man eigentlich einen Geländewagen oder
einen Traktor, um dort noch unversehrt durchfahren zu können.
Trotzdem fuhren die weiter. Nach ungefähr einer Viertelstunde kam
der komische Kerl mit dem Kampfhund aus dem östlich gelegenen
Weg neben den Wiesen, der zu dem See führt, von dem ich Ihnen vor
etwa einem Monat mal einige Fotos beisteuerte. Also muss der diesen
Rundweg durchs dichte Gebüsch gegangen sein, den wir damals auch
gegangen sind, nur in umgekehrter Richtung. Somit vermutete ich,
dass er sich hier auskennt. Kaum war der mit seiner Beißtöle wieder
auf der kleinen Straße hier, da nahte einer der Polizisten zu Fuß aus
dem Waldweg in dem sie mit dem Auto gefahren waren. Er sah von
weitem den Hundekerl und rief ihm zu, dass er stehen bleiben soll.
Der hingegen tat so, als hätte er das nicht gehört und beschleunigte
eher sogar seine Gangart. Der Polizist lief ihm dann nach und holte
ihn auch ein. Der Hund fletschte murrend die Zähne, womit er aber
nach einem Kommando von dem Kerl nachließ. Der Polizist
diskutierte dann eine Weile lang mit dem Kerl herum und schrieb sich
wohl dessen Personalien auf und befahl ihm, zusammen mit ihm dort
zu warten, was dem aber gar nicht gefiel. Dann folgte aus Richtung
der Zufahrtsstraße nach einigen Minuten ein Abschlepp - LKW, der
ein Stück bis in den besagten Weg zu den Mühlen fuhr. Nach 10
Minuten kam der dann, beladen mit dem Polizeiwagen, in dem noch
der andere Polizist saß zurück. 2 Reifen waren an dem aufgeladenen
Streifenwagen platt und hatten die Tortour über den Wurzelweg nicht
überstanden. Der Hundekerl und der andere Polizist stiegen dann
gemeinsam auf der Ladefläche des Abschleppwagens in den
Streifenwagen, nachdem zuvor noch ein weißer Kombiwagen eines
Tierheims aus Bretten den Kampfhund unter größtem Protest des
Kerls abgeholt hatte. Dann fuhren alle von dannen. Immerhin hat
dieses Pech der Polizisten mit den Reifen wohl nun bewirkt, dass am
Freitag schon ein Bautrupp hier auftauchte, der mit einer großen Fräse
den ganzen Weg in dem verwurzelten Bereich total abgefräst hat.
Dafür ist jetzt dort auch kein Asphalt mehr, der wurde bei dieser
Fräsaktion mit zerstört. Nach dem Abfräsen wurde der Weg in diesem
Bereich mit körnigem Grobsand aufgefüllt und festgewalzt. Jetzt kann
man dort wunderbar drüber fahren, jedenfalls so lange es nicht regnet.
Im Regen wird das in dem Bereich eine ziemliche Matschpiste.

Damit soll es zunächst genügen. Heute fahre ich kurz nach Mittag zu
Kayla ins Krankenhaus und wollte dafür noch einige frische Wäsche
für sie zusammensuchen. Ich selbst esse dann zu Mittag, wenn ich von
dort zurück komme und für Spätnachmittag oder Abend habe ich
heute Waschtag eingeplant. So ende ich jetzt, bis demnächst, in
eingeschränkter Frische

Ihr

Egbert Lappenkeuler.
 


Beitrag 2

Lappenkeuler - Brief / Email „Villa" vom 13.01.2007

Freudige Grüße!

Endlich ist Kayla wieder daheim! Am letzten Donnerstag konnte ich
sie im Krankenhaus abholen. Man hatte die Dosierungen der
Medikamente, die ihren Kreislauf gezielt am Boden hielten, in den
Tagen zuvor schon Schritt für Schritt wieder reduziert, so dass man sie
zunehmend wieder als die alte Kayla erkannte und sie von Tag zu Tag
munterer wurde und sogar wieder Pläne für unsere weiteren
Renovierungsarbeiten schmiedete. Noch am Sonntag zuvor hatte es
der Stationsarzt so dargestellt, als müsse sie noch 2 weitere Wochen
dort bleiben. Um so besser, dass die sich anders entschieden haben.
Trotzdem muss man es so sagen, die hochgebildeten Ärzte
verabschiedeten sie mit einem deutlichen Achselzucken, ohne den
wahren Grund für ihren Zusammenbruch gefunden zu haben. Es gab
zwar während ihres Krankenhausaufenthalts die wildesten und
unterschiedlichsten Gerüchte, ja mehr war es nicht, je nach dem,
welcher Arzt gerade die Untersuchungen leitete. Einer meinte sogar
schon, dass ein verborgenes Krebsleiden dahinter stecke, was für eine
Hiobsbotschaft! Nun jedoch heißt es, dass sich das zum Glück
genauso wenig bewahrheitet habe, wie die anderen, teils schon wilden
Theorien, die von einer unbekannten Virusinfektion bis hin zu einem
leichten Herzinfarkt reichten. Letzterer, also der Herzinfarkt oder
überhaupt Probleme mit dem Herzen wurden allerdings als erste und
zugleich auch als einzige Ursache völlig ausgeschlossen, da zum
Glück der erste diensthabende Arzt, der die Feiertagsvertretung
zwischen Weihnachten und Neujahr für seine Kollegen übernommen
hatte, zufällig ein anerkannter Kardiologe ist. Er nutzte diese Zeit
unter seiner Obhut dann dazu, Kayla mit seinem Spezialwissen auf
den Kopf zu stellten, um gottlob zu dem Schluss zu gelangen, dass ihr
Herz geradezu mustergültig gut in Schuss sei. Die anderen Theorien
konnten unterdessen weder bestätigt noch richtig entkräftet werden,
also der Grund bleibt offen. Da hat man natürlich ein seltsames
Gefühl. Man denkt, wozu dienen all diese teuerbezahlten Spezialisten,
wenn die doch nichts herausfinden? Man fragt sich auch, ob Kayla
dann nicht genauso gut nach 2 Tagen schon wieder nach Hause
gekonnt hätte, weil das Endergebnis im Prinzip das selbe gewesen
wäre. Nach den ersten beiden Tagen stand schon fest, dass das Herz
ok. ist und von da an haben die eigentlich nichts neues mehr heraus
gefunden.
Zum Glück muss die Krankenkasse das ja alles bezahlen, aber die
Rechnung musste Kayla trotzdem gegenzeichnen, eine ungewöhnliche
Praxis, oder ob das jetzt neu ist? Jedenfalls Ihnen - und mir auch -
würde schwarz vor Augen, wenn man diese Rechnung selbst
begleichen müsste. Alles in allem, also Krankenhausaufenthalt plus
alle Arztleistungen u.s.w. kommen auf beachtliche 7.258,52 Euro und
das, obwohl ja bekanntlich keine tatsächliche Behandlung erfolgt ist,
da man ja keine wirkliche Ursache gefunden hat. Da kann einer
schnell arm werden, wenn das die Versicherung nicht tragen würde.
Unterdessen schickte mir vor einigen Tagen die Johanniter -
Unfallhilfe eine Rechnung über 25 Euro als Eigenanteil für Kaylas
Fahrt mit dem Kranken - Rettungswagen in die Klinik. Es sei üblich,
dass man da immer einen derartigen Anteil selbst tragen müsse, egal
bei welcher Krankenkasse man auch versichert ist. Ich habe mich
dann zuerst einmal erkundigt und es stimmt wirklich, dass man da
einen solchen Eigenanteil von tragen bzw. denen zurückerstatten
muss. Wenn ich das richtig verstanden habe, aber nur für die erste
Fahrt im Jahr, die mit dieser Krankheit in Verbindung steht, also wenn
Kayla jetzt noch einmal zusammensacken sollte, dann wird bei der
nächsten Fahrt im Rettungswagen kein Eigenanteil mehr fällig. Das
heißt, eigentlich doch, denn die bisherige Fahrt war ja noch in 2006.
Na ja, unter der gesundheitlichen Voraussicht ist das sicher noch das
kleinste Übel.

Es ist schlicht und ergreifend schön, dass Kayla wieder hier ist und
das Leben hat eine ganz andere Qualität. Es mag sentimental klingen
und so was dann ausgerechnet von mir, von jemandem, der vor Kaylas
Zeit sicherlich weit über 10 Jahre alleine gelebt hat und das
zugegebenermaßen auch noch sehr gerne. Ich selbst habe damals nicht
selten gesagt, dass ich viel lieber alleine lebe. Ich korrigiere diese
Aussage jetzt im Nachhinein insofern dahingehend, dass ich
hinzufüge „solange keine Partnerin von der Qualität einer Kayla oder
vergleichbar da ist." Also noch mal komplett: Ich lebe viel lieber
alleine, solange keine Partnerin von der Qualität einer Kayla da ist.

Nun hatte sich bei Kayla, bedingt durch den Krankenhausaufenthalt,
ein gewisser Nachholbedarf an bestimmten Dingen aufgestaut, so
könnte man es mal umschreiben, so dass wir hier jetzt zunächst
„heissharte" Tage erlebten, die uns für nichts mehr Zeit ließen. Da
werde ich aber nicht weiter drauf eingehen, das wirkt auf
Außenstehende immer etwas wie pubertäres Gesülze und hat auch für
Außenstehende meist keinen wirklichen Wert. Am Samstag fand
Kayla, dass wir wieder ausgedehnte Spaziergänge hier im Umfeld
machen sollten. Das haben wir dann auch getan. Durch die restlose
Begeisterung für die alte Fabrik hatten wir bislang so ziemlich alles,
was nicht im Bereich der Fabrik liegt, etwas vernachlässigt. Das heißt
im Klartext, dass wir uns in nördlicher, nordöstlicher und etwas
weiterer östlicher Richtung von hier noch nicht sonderlich gut
auskennen. Das einzige, was wir in nördlicher Richtung kennen, ist
das alte Bahnhofsgebäude, von dem ich Ihnen ganz zu Anfang unserer
Zeit hier mal Fotos schickte. Südlich liegt etwas Wald, dann die
Mühlen, in gleicher Richtung auf halbem Weg und dann etwas östlich
der zitierte Militärautoschrottplatz. Westlich und südwestlich gesehen
folgt ja aus unserer Sicht die Fabrik, dahinter die alte Bahnstrecke,
dann Felder und etwas Wald und was dahinter kommt, was also
sozusagen ganz westlich liegt, dass wissen wir auch noch überhaupt
nicht. Östlich von hier liegen ja etwas tiefer einige Wiesen und Felder,
die nach vielleicht 300 - 500 m von einem kleinen Waldstreifen
begrenzt werden, hinter dem dieser Abwassersee liegt, den ich Ihnen
mal per Foto präsentierte. Was aber noch weiter östlich dahinter folgt,
kennen wir noch gar nicht. So schlug Kayla vor, dass wir uns am
Samstag mal auf eine völlig neue Erkundungswanderung machen,
entweder in dieses Gebiet noch weiter östlich hinter dem
Abwassersee, in dem nördlichen Bereich hinter dem Bahnhof oder im
ganz westlichen Bereich, also noch westlich hinter der Fabrik, hinter
den Gleisen und hinter den Feldern, die dahinter wieder folgen. Da
wir uns für keines der Gebiete spontan entscheiden konnten, haben
wir eines der Gebiete ausgelost. Mehrere davon in einer Wanderung,
das war nicht möglich, dafür liegen die schon zu weit voneinander
entfernt. Kayla schrieb jedes der Gebiete auf ein Zettelchen und
ordnete jedem eine Zahl zu. Dann ergriff sie den Taschenrechner, der
eine sogenannte Zufallszahlenfunktion hat und loste damit dann das
Gebiet per Zufallszahl aus. Sie werden sicher lachen und sich fragen,
warum so kompliziert, aber in dem Moment fanden wir das lustig so.
Die Auslosung fiel zugunsten der ganz weit westlich liegenden
Gebiete aus. So wanderten wir zunächst an dem Siedlungsweg vorbei
auf diesen kleinen Weg, der von der Siedlung durch einen kleinen
Waldhain bis zu der ehemaligen Bahnstrecke führt. Diese überquerten
wir und gingen von dort über einen Feldweg bis zum Ende der Felder,
die an einem weiteren, lichten Waldhain mit großen Baumlücken
enden. Wir durchschritten diesen luftigen Waldhain und waren nicht
schlecht erstaunt, als wir in diesem Waldhain, genauer gesagt auf
einer Art Lichtungsplatz in diesem Wäldchen ein verfallenes schloss-
oder villenähnliches Anwesen entdeckten. Kayla meinte schon, darin
hätte vielleicht früher mal der Besitzer der Fabrik gewohnt. Das fand
ich zwar weniger, denn man muss bedenken, dass dieses Anwesen
schon rund 2 km von der Fabrik in Luftlinie entfernt liegt.
Sie ahnen es, natürlich habe ich Ihnen einige Fotos davon
beigesteuert. Nun war es an dem Tag trüb und recht dunkel.
 
Villa-aussen1: verfallene Villa in einem Waldhain
Also villa-aussen1 zeigt das Anwesen von außen. Wie man bei
genauer Betrachtung selbst auf diesem Foto erkennt, ist das Dach
stellenweise schon eingestürzt. Es war auch eigentlich sehr gefährlich,
sich in das Gebäude zu begeben, weil immer etwas von oben kommen
konnte oder auch weil der Boden überall nachgab, sofern er überhaupt
noch da war. Es gab etliche Räume, in denen der Boden schon ganz in
die Tiefe gestürzt war.
Kurz hinter dem Haupt - Eingang folgte ein langer Flur. In der Mitte
dieses Flurs ein schon ziemlich verfallenes Treppenhaus, wo man erst
genau überlegen musste, ob man eine der beidseitigen Treppen, die ab
einem gemeinsamen Mittelpodest weiter führten, überhaupt betreten
sollte. Dieses Treppenhaus ist aber immerhin noch besser erhalten, als
weitere Treppenhäuser am jeweiligen Ende des Flurs, da dort die
Treppen sogar schon durchgefallen sind. Dieses Haupttreppenhaus ist
wegen der wechselseitigen Zwischenaufteilung mal auf 1 und mal auf
2 Treppen jeweils bis zu einem Podest sehr eigenartig aufgebaut. Der
Zugang vom Erdgeschoss zu dem Podest erfolgt über eine mittige
Einzeltreppe, die dafür aber die doppelte Breite aufweist. Ob eine
solche Konstruktion einem bestimmten Zweck diente, konnte sich mir
nicht erschließen, vielleicht war das zu jener Zeit auch nur eine
Modeerscheinung. Der Flur im ersten Stockwerk ist schon teils mit
Schutt von einstürzenden Decken darüber liegender Stockwerke
bedeckt. Sie sehen das auf villa-innen3.
 
Villa-innen3: im ersten Stock liegt im Flur schon der Schutt
von eingestürzten Decken darüber liegender Stockwerke

Mit jedem winzigen Schritt knarrt und federt es gefährlich und im
Nachhinein betrachtet, muss man sich am meisten über sich selbst
wundern, dass man so unvorsichtig war, dort einfach weiter
herumzuschreiten. Aber wahrscheinlich ist man im aktuellen Moment
von der Atmosphäre dort so fasziniert und von der Neugierde
angestachelt, dass man darauf keine Rücksicht nimmt oder derartige
Bedenken automatisch ausgeschaltet werden. Auch Kayla äußerte vor
Ort keinerlei Bedenken, im Gegenteil, sie spornte sogar noch zu
waghalsigeren Begehungen an, wie dem ehemals sicher sehr schönen,
riesigen Wohnzimmer im ersten Stock. Nun sah das Wohnzimmer auf
den ersten Blick noch einigermaßen stabil aus, aber auf dem Boden
dort hatte man das Gefühl, mit jedem Schritt auf einem weichen
Schwamm spazieren zu gehen und schon im nächsten Moment sich
eine Etage tiefer wieder zu finden. Die Decke dort war früher einmal
reichhaltig verziert mit Stuckelementen und Vorsprüngen aller Art.
Die kann man aber nur noch ansatzweise erahnen, weil das Zeug
vorwiegend schon runtergestürzt ist oder sich regelrecht in eine Art
Sand aufgelöst und selbst zerbröselt hat. Zur anderen Seite am
nordöstlichen Ende des riesigen Gebäudes mündete der Flur im ersten
Stock sowie sämtliche Türen der dortigen Nebenräume in einem
großen, langgestreckten Zimmer an der Gebäudekante, welches von
der Flurseite sogar noch mit einem alten Schild an der Tür als
Musikzimmer beschriftet war. Das sehen Sie auf dem Foto villa-
innen5.
 
Villa-innen5: ehemaliges Musikzimmer am Ende des ersten Stocks
Dort war ebenfalls die Decke schon teilweise außenwandseitig
eingestürzt. Immerhin entstand hier der Eindruck, als habe man
irgendwann vor längerer Zeit schon einmal eine Notrettung des
Gebäudes zur Bewahrung vor völligem Einsturz in Angriff
genommen, dann aber wohl nicht weiter verfolgt. Dort wo Sie in
gerader Draufsicht die Mauer sehen, befindet sich von außen eine
normale alte Fensterfassade. Man hatte diese Mauer einfach parallel
zur originalen Außenwand eingezogen, vermutlich um die restlichen
Deckenteile und die Außenwand somit vor dem endgültigen
Zusammenbruch zu bewahren. Diese Mauer ist aber selbst dem
Anschein nach schon mindestens 20 Jahre alt. Die Begehung
erstreckte sich weiterhin auf die Kellerräume, die größtenteils noch
sehr gut begehbar waren und wo es u.a. noch üppig ausgestattete
Küchenräume gibt, in denen sich auch noch die alten Herde und
nostalgische Groß-Spülmaschinen befinden. Ich weiß nicht, ob Sie die
frühen Versionen von Groß-Spülmaschinen kennen, wie sie z.B.
vielleicht um 1960 herum u.a. in Hotelbetrieben verwendet wurden,
aber solche Dinger stehen dort auch noch. Natürlich alles in stark
vergammeltem Zustand. Des weiteren folgten ein immens großer
Heizungskeller, der schon mehr an den Bauch eines alten riesigen
Dampfschiffes a' la Titanic erinnerte. 4 hohe Dampfkessel für
Kohlebetrieb stehen dort noch, die aber schon zur aktuellen Zeit des
Hauses sicher stillgelegt worden waren, denn direkt daneben befand
sich eine ebenfalls gigantische alte Ölheizungs-Kesselanlage, die
ihrerseits heute sicher manchem Museum viel Freude bereiten würde.
Im Raum daneben noch ein entsprechend alter und ebenfalls
gigantischer Öltank, mit entsprechendem Geruch. Der Heizölgeruch
umlagert ohnehin das ganze Anwesen, da dieser Tank durchgerostet
ist und sich ein schwarzrostiger Ölschleim über den Boden in seitliche
Abwasserrinnen zieht. Ein Umweltschützer wäre beim Anblick dieser
Sache problemlos wie eine Rakete durch alle Stockwerke hindurch
empor geschossen und weiter bis zum Mond geflogen und das ohne
einen Tropfen des Öls dafür zu verbrauchen, alleine vor lauter
Entsetzen. Schräg gegenüber schließt sich ein noch größerer
Kellerraum an, der wohl vor Zeiten der Ölheizung mal der
Kohlenlagerkeller war. Zu Zeiten der Kohleheizung müssen die hier
mindestens 2 Beschäftigte gehabt haben, die nur die Heizung am
Laufen hielten. Leider waren im Keller keine weiteren Aufnahmen
möglich, da ich Idiot vergessen hatte, den Akku des Fotoapparates vor
unserem Spaziergang zu laden. Ich hatte allerdings auch überhaupt
nicht mit einer derartigen Entdeckung und neuen Vielfalt an
Fotomotiven gerechnet. Weitere Erkundungen in den zweiten und
dritten Stockwerken waren uns dann aber doch viel zu gefährlich. Ein
Balken, der während unserer Begehung durchbrach und vielleicht 5 m
vor uns eine Menge Schutt nachfedernd auf dem Boden ablud, auf
dem wir uns befanden, holte uns in das Bewusstsein realer Gefahren
zurück. Wir zogen es dann vor, das Gebäude zu verlassen. Nun,
weitere Fotos waren ohnehin wegen des leeren Akkus nicht mehr
möglich und mit solch einem ehemaligen Prunkbau hätten wir am
allerwenigsten gerechnet. Was das nun früher einmal war, wissen wir
noch nicht. Kayla vermutete ja, dass es vielleicht der Wohnsitz der
früheren Fabrikinhaber war, was ich jedoch bezweifle, da dieses
Anwesen dafür zu weit von der Fabrik entfernt liegt. Ich hatte eher
den Eindruck, dass es früher mal eine Art Adelssitz oder so etwas
ähnliches war und später vielleicht als Schulungsstätte oder sogar als
Hotel genutzt wurde. Jedenfalls muss die letzte Nutzung schon ewig
her sein. Ein solch (ehemals) prunkvolles Gebäude, welches doch
bestimmt unter Denkmalschutz steht, einfach so verfallen zu lassen,
das ist schon ungewöhnlich. Ein komplettes Umwandern des
Gebäudes von außen war gar nicht möglich, weil der Bewuchs des
kleinen Waldes stellenweise bis fest ans Haus reicht. Man kann mit
Mühe noch 2 alte Zufahrtsstraßen erkennen und einen Parkplatz, der
sich vor dem Haupteingang befindet. Diesen Parkplatz haben sich aber
auch die Bäume des Waldes schon lange zurück geholt. Nun kenn ich
die Wachszeiten der verschiedensten Baumarten nicht so gut, weiß
wohl, das Fichten recht schnell wachsen, während Laubbäume meist
schon wesentlich länger brauchen. Hier wachsen vorwiegend
Laubbäume, die sich selbst gepflanzt haben und selbst die sind schon
sehr hoch und kräftig, so dass man sicherlich davon ausgehen kann,
dass dieses prunkvolle Anwesen schon seit mindestens 20 bis 30
Jahren leer steht, möglicherweise sogar noch länger.
Da hat es uns hier in eine tolle Gegend verschlagen, in der es
offensichtlich an allen Ecken und Enden etwas zu entdecken gibt. So
trostlos und abgelegen manche das auf den ersten Blick finden
werden, aber hier gibt's alleine durch die möglichen Entdeckungen
mehr und bessere Unterhaltung, als es jedes Fernsehprogramm bieten
kann.

Nach dem Besuch dieser Schlossvilla sind wir dann die Wege in und
um diesen Hain noch etwas gewandert. Dabei stießen wir auf eine
asphaltierte kleine Zufahrtsstraße von weiter westlich her, die
vermutlich früher einmal diese Villa an den nächsten Ort anband und
die heute wohl nur noch von einigen Landwirten als Zufahrt zu ihren
neben dem Waldhain liegenden Feldern genutzt wird. Damit sank für
mich die Wahrscheinlichkeit, dass die Villa mal etwas mit der Fabrik
zu tun hatte, denn dieser Anbindungsweg führt quasi in genau
entgegengesetzte Richtung. So darf man vermuten, dass diese Villa
überhaupt nicht mehr zu dieser Siedlung hier gehört, sondern im
Prinzip schon zu einer Gemarkung, die von der anderen Seite, viel
weiter westlich erschlossen wird. Interessant war nun die Frage,
wohin führt dieser Weg oder wo kommt der her? Aus Jöhlingen? -
Dann hätte er mehr nach Süden oder Südwesten verschwenken
müssen, aber er lief nur nach Westen. Nach Wössingen wäre somit
völlig unmöglich gewesen, denn dann hätte er östlich verlaufen
müssen und irgendwo unsere Siedlung queren müssen, weil das aus
hiesiger Sicht sozusagen um 180 Grad verschwenkt liegt. Ich weiß es
nicht, dahinter folgt eigentlich ein Berg, was aber nicht bedeutet, dass
daran keine Straße entlang führen kann. Also aus rein theoretischer
Betrachtung hätte das ungefähr in die Richtung von Bonartshäuser
Hof führen können, einem winzigen Ort, der von uns aus eigentlich
nur über den Umweg über Jöhlingen erreichbar ist, aber der müsste
nach meinem Richtungsgefühl ungefähr hinter diesem besagten Berg
liegen. Der Weg war uns aber zu weit, um ihm weiter zu Fuß zu
folgen. Nach vielleicht 3 km weiterer Wanderung drehten wir um und
gingen den gleichen Weg zurück nach Hause. Wir waren erfreut,
wieder etwas tolles entdeckt zu haben und werden diese Villa
sicherlich auch noch öfters besuchen. Wenn ich den Rentner hier aus
der Siedlung wieder treffe, dann muss ich den mal fragen, ob der
weiß, was es mit diesem ehemaligen Prunkbau auf sich hat. Das
müsste der ja eigentlich wissen.

Die Renovierungsarbeiten in der Werkstattgarage haben nun erst
einmal ein wenig Pause gehabt, weil die Beschäftigung mit Kayla und
ihrer Akklimatisierung nach dem Krankenhausaufenthalt zweifellos
wichtiger war. Nun schaute Kayla sich an, was ich in ihrer
Abwesenheit hier so geleistet habe und sie war sichtlich begeistert. Sie
schlägt nun vor, was ich nicht übel finde, dass wir bei der weiteren
Renovierung des großen Werkstattgaragenraumes die
gegenüberliegende Südwand in einer bunten Pastellfarbe anstreichen,
z.B. in himmelblau oder hell-zitronengelb. Das würde dem ganzen
Raum einen frischen und lockeren Charakter verleihen. Ich hatte
vorgeschlagen, dass wir die nächste Woche auch noch mit den
Arbeiten aussetzen, um Kayla zu schonen. Das möchte sie jedoch
nicht, im Gegenteil, sie brennt vor innerem Tatendrang und würde
lieber heute als morgen selbst wieder dort loslegen. Zunächst will sie
silberne Farbe beschaffen, um damit bei der weiteren Renovierung im
Anbau der Werkstattgarage dieses schöne große Zahnrad zu lackieren,
welches heute noch rostig aufblüht. Wir werden diese Tage noch mal
gezielt die Fabrik durchkämmen, denn in den brachliegenden
Werkstätten dort finden sich sicherlich auch noch diverse Lacke u.s.w.
Allerdings vermute ich, dass die wohl heute nicht mehr zu gebrauchen
sind, weil Lacke sicherlich keine 20 Jahre überstehen ohne in der
Dose hart zu werden oder sonst wie unbrauchbar zu werden.

Es gibt ja Leute, die ein Monatseinkommen haben, von dem unsereins
nur träumen kann. Ich neide es denen nicht und gönne jedem sein
Glück, auch wirtschaftlicher Natur. Gewiss gibt es Verdienstgrenzen,
ab denen auch ich sage, dass da der extremen Lohnhöhe keine
adäquate Größe der tatsächlich erbrachten Leistung mehr gegenüber
stehen kann, aber das ist dann eben auch eine besondere Form des
Glücks. Vor einiger Zeit berichtete ich Ihnen davon, dass hier gesagt
wurde, dass jemand die alten leerstehenden Mühlenbetriebe weiter
unten südlich gekauft hat. Die einzigen Anzeichen dafür, die man
anfangs hier bemerkte, waren die, dass dieser in Teilen zugewachsene
Weg dorthin von Gemeindearbeitern wieder freigeschnitten wurde
und nach dem Malheur mit den Reifen des Polizeiwagens letzte
Woche auch noch die Wurzelreste in der Fahrbahn mit einer
Spezialmaschine abgefräst wurden. Jetzt tut sich aber wieder etwas.
Täglich fahren einige Autos hier vorbei bis zu dem Mühlenanwesen,
meist sind es Lieferwagen. Dann kam auch öfters ein großer,
moderner schwarzer Audi - Kombi. Dem Geräusch nach auch ein
Dieselfahrzeug, aber solch ein Dickschiff, welches auf jeder
Fahrzeugseite einen Auspuff hat. Als ich gestern gerade vor der
Haustüre eine neue Lampe anbrachte, hielt der besagte schwarze Audi
hier vor der Tür. Ein etwa 40jähriger Mann stieg aus und kam rüber zu
mir. Er stellte sich vor, Boldt oder so ähnlich, wenn ich es richtig
verstanden habe, nennt er sich. In freundlichem Ton meinte er, dass
wir ja sozusagen dann bald in gewisser Weise Nachbarn würden,
wenn auch mit rund 2 km Distanz dazwischen. Wie sich herausstellte, 
war er dieser Mann, der die Mühlenbetriebe gekauft hat. So
unterbrach ich meine Arbeit mit der Lampe und wir gerieten in einen
durchaus angenehmen, langen Plausch. Kayla gesellte sich dann auch
noch hinzu und wir haben uns sicherlich über eine Stunde unterhalten.
Dieser Herr Boldt suchte eigentlich vor längerem eine größere
Wohnung in Karlsruhe, in der er gleichzeitig seinen neu gegründeten
Betrieb unterbringen kann. Der macht etwas mit Internet und
Computer für Firmen und verdient damit nach eigenen Worten
ungefähr 7.500 Euro pro Monat. Nun weiß man nie so recht, was man
von selbst gemachten Angaben zum Einkommen halten soll, aber
diese Zahl schien ihm mehr nur zufällig rausgerutscht zu sein, es
wirkte nicht so, dass er das prahlerisch platzierte. Ich hielt es
zumindest für glaubwürdig. Da er früher schon immer von einer
riesigen Wohnung in der Einsamkeit geträumt habe, das jedoch nie für
in Deutschland wirklich umsetzbar gehalten hatte, geriet dieser alte
Traum lange in Vergessenheit. Durch einen Immobilienmakler, der
ihm eigentlich ein brauchbares großes Haus nach obiger Manier in
Karlsruhe besorgen sollte, erfuhr er von diesem seit über 12 Jahren
stillliegenden Mühlenbetrieb und obwohl es nun eigentlich keine
ästhetisch schönen Gebäude sind, verliebte er sich auf Anhieb in das
Anwesen und vor allem auch in dessen absolut einsame, aber dennoch
großzügige Lage. Dann habe er zuerst noch abklären müssen, ob
dorthin für seinen Betrieb gute, schnelle Datenverbindungen möglich
sind. Man kennt das ja schon aus dem Fernsehen, dort wurde schon oft
bemängelt, dass T-Online oder auch die anderen Anbieter, die guten
schnellen Datenleitungen nur in Städten und deren direktem Umfeld
anbieten können, aber auf dem Land klappt es oft nicht. Solche
Datenverbindungen sind aber für ihn lebenswichtig und die Telekom
und T-Online hätten ihm zugesichert, dass er dort einen
Breitbandanschluß haben könne. Da er sich aber nicht nur auf einen
Anbieter abstützen und verlassen will, erhält er zusätzlich noch in
Zusammenarbeit mit der Uni Karlsruhe, die wohl auf dem Gebiet der
Computer- und Internetgeschichte führend ist, irgendwelche
Datenanbindungen, die sogar über Funk arbeiten. Ab nächster Woche
werden dort scharenweise die Handwerker einfallen. Zunächst werden
die Gebäude alle von ihren alten Mühlenmaschinen befreit, obwohl
sehr viele Maschinen stehen dort nicht mehr, außer in einem
Hallenteil, wir waren ja schon mal in Teilbereichen drinnen - was ich
dem natürlich nicht gesagt habe. Dann soll in einem Teil innerhalb
einer Rekordzeit von nur 2 Monaten seine großzügige 300 m² -
Wohnung eingebaut und zeitgleich in anderen Teilen der ganze
Computerbetrieb. Wie er sagte, würden dort am Ende 4 Großrechner
sowie rund 25 normale Rechnerarbeitsplätze laufen. Wenn alles fertig
ist, wird er dort sogar 3 Leute einstellen, die dann für ihn arbeiten,
also mit dem Computer- und Internetkram. Nun habe ich keine rechte
Ahnung von so was, aber ich frage mich, wozu braucht man 25
Rechnerarbeitsplätze, wenn man tatsächlich nur 3 Leute vor Ort hat?
Er fand das sehr schön, dass es hier so doch noch möglich ist,
Einsamkeit zusammen mit Arbeit und Betrieb sowie mit
allerweltsoffenen (so bezeichnete er das) Gesellschaftsmöglichkeiten
zu verbinden. Nun soll uns so etwas nur recht sein, denn mit einem
derartigen Betrieb wird er hier sicherlich keine Unruhe hinbringen.
Die 3 Autos von seinen Beschäftigten, die dann pro Tag hier vorbei
weiter zu den Ex-Mühlen fahren, fallen sicher nicht ins Gewicht.
Andererseits stärkt es die Position der Siedlung hier, wenngleich er ja
noch 2 km weiter entfernt und noch viel einsamer wohnt wie wir hier.
Dort gibt es wirklich gar nichts anderes mehr, während hier ungefähr
150 m nördlich von uns, ja noch die Siedlung mit immerhin 4
weiteren Häusern ist.
Ich erzählte ihm dann grob, wie es uns auch erst kürzlich hierhin
verschlagen hat. Er fand unseren Entschluss von Stuttgart hierher zu
ziehen sehr bemerkenswert und hielt das für eine seltene Sache, weil
Stuttgart ja doch eine sehr vielfältige Stadt mit hoher Wohn- und
Lebensqualität ist. Da hat er zweifellos recht, nur mit unseren
bescheidenen finanziellen Mitteln wäre ein eigenes Haus in Stuttgart
nie und nimmer möglich gewesen, eigentlich hier auch nicht, aber
durch die glücklichen Fügungen, die Sie ja kennen mit der
Abstandszahlung für die 9 Jahre Mietfreiheit, ging es halt, hier und
nicht in Stuttgart. Die Immobilienpreise für solche Altbauten betragen
hier sicherlich nur ein Sechstel oder noch weniger, als in Stuttgart.
Also im Fall des neuen Mühleneigentümers kann man dann sicher
sagen, dass er neue Technik in alten Gebäuden betreiben wird. Wie
ich finde, eine interessante und gute Kombination. Wenn sich damit
7.500 Euro im Monat verdienen lassen, dann könnte man ja fast schon
überlegen, ob man sich nicht doch mehr mit dem Internet befassen
soll. Allerdings wird man dazu sicherlich Spezialkenntnisse
benötigen, die mir fehlen.

Sicherlich kennen Sie auch die lästigen Schmeißfliegen von
Werbeanrufen, die einen inzwischen mindestens 10 mal wöchentlich
belästigen. Inzwischen rege ich mich aber nicht mehr darüber auf,
sondern ärgere die zurück. Ich sage, dass ich sie mit dem Inhaber des
Telefonanschlußes verbinden würde, dann lege ich den Hörer auf
einen alten Cassettenrecorder, den ich mir dazu extra neben dem
Telefon bereit gestellt habe und lasse dann eine Endlos -
Musikberieselung laufen, bis dass der Anrufer die Geduld verliert und
irgendwann entnervt selbst auflegt. Es hat nämlich gar keinen Zweck,
sich mit diesen Schmeißfliegen zu streiten oder die als Arschloch oder
dergleichen zu beleidigen, denn die rufen hartnäckig weiter an. Aber
diese Methode ist viel schöner und kostet die mehr Geld, da deren
Gebühren solange weiter zählen, wie sie auf die angebliche
Verbindung warten. Diesen alten Cassettenrecorder hatte ich neulich
auf einem Flohmarkt am Stadtrand von Karlsruhe für 3 Euro gekauft,
einschließlich ungefähr 15 bespielter Cassetten, die noch dabei lagen.
Der Verkäufer wollte zuerst 5 Euro dafür haben und das ohne die
Cassetten, eigentlich wollte ich den gar nicht haben, aber dann kam
mir die Idee, das Ding zu diesem Zweck zu verwenden. So handelte
ich mit dem Verkäufer, bis ich ihn schließlich für 3 Euro
einschließlich der 15 Cassetten hatte. Die Musikcassetten, die dabei
sind, enthalten vorwiegend solch eine ähnliche Musik, wie sie in
Kaufhäusern oder auf Flughäfen zur Berieselung der Kunden
eingesetzt wird. Das Gedudel ist ja für diesen Zweck mit der
vorgetäuschten Telefon-Warteschleife geradezu ideal. Anfangs habe
ich aus Spaß zwischendurch immer mal kontrolliert, wie lange es
dauert, bevor die die Nerven verlieren und auflegen. Das scheint doch
sehr unterschiedlich ausgeprägt zu sein. Eine Dame hat es wirklich
mal geschafft, fette 16 Minuten sich das Gedudel anzuhören, bevor sie
die Verbindung gekappt hat. Die meisten sind allerdings nach
ungefähr 2 - 3 Minuten reif und werfen das Handtuch.

Eine unangenehme Schweinerei erlebte ich am Mittwoch in Bretten.
Dort fahre ich gelegentlich zu einem sehr preiswerten Getränkemarkt
einige Kästen Mineralwasser sowie einen Kasten Zitronenlimonade
kaufen. So auch am Mittwoch. Auf dem Rückweg meinte ich im Auto
irgendwann ein komisches Knallgeräusch zu hören, habe dem aber
keine Bedeutung beigemessen, weil ich dachte, das sei draußen
irgendwo gewesen. Erst zu Hause sah ich die Bescherung. Im
Kofferraum war in einem der Kästen eine Mineralwasserflasche
explodiert und alles war nass und mit teils kleinsten Scherben
übersäht. Zum Glück war es keine der Zitronenlimonadenflaschen,
denn das hätte zusätzlich sicher auch noch eklig geklebt.

An dem Donnerstag, an dem ich Kayla aus dem Krankenhaus
abgeholt hatte, brach des nachts und auch schon am frühen Abend hier
ein unbändiger Sturm herein. Ich staunte nicht schlecht, als ich
vielleicht gegen 23 Uhr hier auf der Abzweigstraße an unserem Haus
vorbei zu dem Haupteingang der Fabrik, etwas großes im Dunkel 
huschen sah. Dort befindet sich keine offizielle Straßenlampe mehr,
sondern nur eine ganz alte Straßenlampe, die wohl früher über die
Fabrik lief und von der eigentlichen Straßenlampe, die ungefähr
versetzt gegenüber unserer Werkstattgarageneinfahrt steht, reichte der
fade Lichtschimmer nicht so recht bis dort. Aber man konnte in
Umrissen erkennen, dass sich dort etwas großes schnell bewegte. Ich
glaubte zuerst, es sei ein großes Wildschwein, was dort
möglicherweise vom Sturm aufgeschreckt entlang läuft. Kayla hatte
unterdessen unsere hervorragenden hellen LED - Taschenlampen aus
dem Schrank gekramt und leuchtete damit diesen Weg aus. Siehe da,
dort rollte eine große alte Rolle Maschendraht vom Sturm getrieben
über mehrere 100 Meter über die Straße. Vermutlich war die vom
Sturm irgendwo vom Fabrikgelände weggeblasen worden. Dann noch
eine Stunde später, wir waren gerade zu Bett gegangen, hörte ich ein
ständiges Poltern von der Straße und ich schaute aus dem Fenster zur
Straße hin und sah, dass dort unsere Bio-Mülltonne, die zuvor hinter
dem Haus gestanden hatte, quer über die Fahrbahn kullerte. Das
konnte man natürlich nicht lassen. Wer weiß, wo die da noch
hingekullert wäre und wir hätten sie nie wieder gefunden und zudem
hätte sie mögliche Autos gefährden können, obwohl hier sicherlich
nachts kein Auto mehr gekommen wäre. So blieb mir nichts anderes
übrig, als mir den Anorak über den Schlafanzug zu ziehen und die
Tonne von der Straße zu bergen. Zum Glück war noch nichts in der
Tonne, sonst hätten wir den Dreck auch noch aufsammeln müssen.
Anschließend habe ich sie an ihren Stammplatz hinter dem Haus
geschoben und dort mit einem stabilen Stück Draht an einem Geländer
festgebunden. Ich war noch nicht im Haus, da begann es plötzlich wie
verrückt zu hageln und ich war trotz Anorak patschnass bis auf die
Haut, so als hätte ich ein Vollbad in kaltem Wasser genommen. Am
Freitagmorgen lag alles mögliche quer im Garten herum, was von dem
Sturm dort herumgetrieben worden war. Die besagte große Rolle
Maschendraht war während der Nacht wohl teils wieder zurückgeweht
worden und hatte sich dann an einem Vorsprung unserer seitlichen
Mauer verfangen. Bei Tag habe ich mir die mal genau besehen und
die sah noch recht brauchbar aus und ich hab sie dann bei uns in den
Garten gebracht. Wer weiß, so etwas kann man sicher irgendwann
einmal gebrauchen.

Es gibt heute ja recht eigenartige Wettkämpfe. So warb man in
Karlsruhe in Krankenhausnähe auf großen Plakaten für
Landesmeisterschaften im Lego - Bauen, die dort irgendwo am letzten
Samstag ausgetragen wurden. Sie kennen sicher auch diese Lego -
Bausteine, aus denen man durch zusammenstecken in Windeseile
Modelle von Häusern oder diversen Sachen basteln kann. Eigentlich
ein Spielzeug für Kinder, aber die, die jetzt diese Meisterschaften
austragen, sind wohl vorwiegend Erwachsene. Diese Legosteine gibt's
sicherlich schon seit über 50 Jahren, denn ich kann mich noch daran
erinnern, dass die aufkamen, als ich ungefähr 7 - 10 Jahre alt war.
Vielleicht habe ich die auch nur zum ersten mal da wahrgenommen,
und es gibt sie noch viel länger, aber ich glaube die standen damals
noch ziemlich am Anfang, jedenfalls in Deutschland, denn die sollen
ja aus Dänemark kommen. Damals war für uns aber kein Denken
daran, die zu kaufen, weil die für unsere Verhältnisse viel zu teuer
waren, das konnten wir uns nicht leisten. Meine Mutter beklagte
damals des öfteren mehr schon fragend, wie man denn ein Spielzeug
so teuer machen könne, dass es sich dann keiner leisten kann, das
wäre doch ungerecht und die Kinder stünden mit großen Augen und
noch größerer Enttäuschung da. Wenn ich da noch recht meine grauen
Zellen beachte, war es so, dass alleine schon ein kleiner Karton mit
roten Dachziegelsteinen, das waren so speziell schräg geformte Steine,
mit denen man die Dächer der Häuslein machte, über 3 Mark kostete.
3 Mark waren damals sehr viel Geld für uns und in besagtem Karton
waren noch nicht einmal genügend Steine, um ein komplettes Dach
damit fertig zu kriegen, dafür musste man mindestens 2 dieser Kartons
und noch einen weiteren mit Eck-Dachsteinen kaufen, so dass man
alleine für dieses Dach damals schon vielleicht 9 bis 12 Mark
ausgeben musste. Ich glaube, in den sechziger Jahren sind die dann
etwas billiger geworden, aber da war ich längst aus dem Lego - Alter
raus. Das weiß ich nur deshalb noch so genau, weil ein guter
Schulkamerad diese Dinger immer gekauft hatte. Seine Eltern
brauchten aufs Geld nicht so zu achten, da sein Vater eine damals gut
florierende Bauholzhandlung hatte. Die Dinge, die dieser Junge
Weihnachten zu Hause geschenkt bekam, hätten vom
Anschaffungspreis her locker ausgereicht, um uns ein halbes Jahr lang
zu ernähren. Ob er deshalb wirklich glücklicher war, ich glaube nicht.
Mit 18 hatte der sich einen alten VW - Bus gekauft und ist damit
durch die Weltgeschichte gegondelt und irgendwann nie mehr wieder
gekehrt. Ich glaube, die wissen bis heute nicht, was aus dem wirklich
geworden ist, aber er wurde wohl einige Jahre später für tot erklärt. Es
hieß dann, er sei weitab in der Ferne angeblich ausgeraubt und
ermordet worden, obwohl man seine Leiche nie gefunden hätte. Auch
die Bauholzhandlung ging wenige Jahre später zugrunde. Nun hat das
nichts mit seinen Lego - Steinen zu tun, aber das sind dann so die
eigenen Zusammenhänge, die einem dann wieder einfallen, wenn man
den Namen Lego - Steine hört.

In den nächsten Tagen wollen wir, sofern das Wetter mitspielt, weitere
Erkundungs - Spaziergänge hier machen. Neben einem erneuten Gang
in die Fabrik, der schon zu einer gewissen Selbstverständlichkeit
geworden ist, möchten wir dann einmal das Gebiet weiter östlich
hinter dem sogenannten Abwasser - See besuchen. Ich habe absolut 0
Ahnung, was da wohl kommen mag, vermute aber, dass dort nur
leichte Wald- und Wiesenflächen folgen. Vom Gefühl her müsste in
diese Richtung irgendwann die größere Verbindungsstraße folgen, die
Jöhlingen mit Wössingen verknotet und von der hier unser winziger
Abzweigweg zur Siedlung etwas weiter nördlich abzweigt.

Für heute will ich es dann einmal genügen lassen. Kayla und ich
wünschen Ihnen alles Gute und weitere frühlingshafte Wintertage, auf
dass die Heizkosten niedrig bleiben,

Ihr

Egbert Lappenkeuler.