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Auf dieser Seite finden Sie die beiden Lappenkeuler - Beiträge “Nebenverdienst” und “Bahnreise nach Schorndorf” aus dem Jahre 2004. Beide Textbeiträge können hier direkt gelesen werden oder auch als jeweils eigenständige PDF - Datei heruntergeladen werden.

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Beitrag 1

Lappenkeuler - Brief / Email "Nebenverdienst" vom 23.09.2004

Wohligfröhliches Hallo!

Es bereitet mir Freude, wenn meine Berichte Ihnen Freude bereiten. Es ist
aber auch immer etwas los und man weiß manchmal nicht, ob man sich die
Zeit nehmen soll, das Erlebte niederzuschreiben oder ob man dann
während des Niederschreibens schon wieder wichtige andere Dinge
verpasst, über die man ansonsten auch noch hätte berichten können.

Die Gelegenheiten zu aushilfsmäßigen Verdienstmöglichkeiten sind hier in
wirklich sehr gut. Man sucht selten länger als 2 Tage. Es sind oft nur
extreme Kurzzeitjobs, manchmal sogar nur für einige Stunden.
Unterdessen, darf ich offen reden?
Ich habe mich immer bemüht, Arbeiten bei denen man, im übertragenen
Sinne, Dreck einfressen muss zu vermeiden. Nicht immer hat es geklappt,
aber man muss da sicher selbst irgendwo die Grenze finden und
entscheiden, was man noch macht und was nicht. Es hängt auch sehr stark
vom Einsatzumfeld ab. So gibt es sicher Arbeiten, die man normalerweise
nicht annehmen würde, die jedoch dann, je nach Umfeld wo und mit wem
man das machen soll, doch angenommen werden und auch trotzdem
Freude bereiten. Man kann halt nicht alles über einen Kamm scheren.
Um noch einmal auf die Suchmöglichkeiten zu solchen Kurzzeitjobs hier
einzugehen. Es gibt einige bestimmte Plätze, wenn man dort morgens um
halb 7 Uhr hingeht, trifft man dort immer auf Leute, die einen Job zu
vergeben haben oder einen suchen. Ich selbst, ich glaube ich hatte schon
davon berichtet, helfe zuweilen öfters bei Umzügen, weil ich da jemanden
persönlich kenne, der so etwas macht. Der hat selbst einen etwas betagen,
aber geräumigen Ford-Transit-Kleinlastwagen und es kommt vor, dass er
größere Umzüge an Land zieht, bei denen man in der gewünschten
Zeitspanne nicht mit einem Fahrzeug auskommt. Dann wird bei einer
Autovermietung ein zweiter Wagen dieser Art hinzugemietet und den fahre
ich dann oder helfe zumindest. Ich fahre diese großen Wagen eher nur
ungern, weil ich mich mit den Abmessungen schwer tue und dann
übervorsichtig fahre und so mehr zu einem Verkehrshindernis werde.
Helfen tu ich dort trotzdem gerne, auch weil es relativ gut bezahlt wird und
weil die Atmosphäre zwischen uns einfach stimmt, keineswegs weil mir
derartige Arbeit übermäßige Freude bereitet, da könnte ich mir durchaus
besseres vorstellen.

So manche heutige Arbeit ruft bei mir eine lang zurück liegende
Erinnerung wach. Am Ende meiner Jugend, ich nenne das einfach mal so,
ich war damals vielleicht 19 oder 20 Jahre alt, war ich eine zeitlang beim
THW, beim Technischen Hilfswerk. Jemand hatte mir dort erklärt, wie ich
mit einem bestimmten Mörtelgemisch sogenannte Wandanker setzen
musste. Das waren kurze Gewindestangen, die in einer Betonwand
befestigt werden mussten, um daran ein schweres Klimagerät zu
befestigen, welches einen Unfallbunker belüftete. Ein Kollege hatte in den
zähen Beton die Löcher für diese Anker gebohrt und ich sollte sie nun mit
diesem Mörtel eingipsen. Dieser Mörtel war zu mischen aus zwei
Komponenten, eine Art Zement und ein fertiges Gemisch aus Feinsand und
auch einem zementartigen Pulver, dann natürlich noch etwas Wasser in
genau definierter Menge mit Messbecher hinzu. Nun sollte die
Handhabung so sein, dass man dieses Mörtelgemisch anrührt, dann damit
eines der Löcher ganz fest voll stopft und dann schnell und fest den
Wandanker nachschiebt und mit einem Hammer zusätzlich einklopft.
Überzähliger Mörtel trat dabei dann wieder aus und konnte weggeputzt
werden. Man ist ja bequem und will sich für unnötig befundene
Arbeitsgänge einsparen. So mischte ich gleich die vierfache Menge Mörtel
an, stopfte alle 4 Wandankerlöcher damit zu und wollte dann die
Wandanker einführen und festklopfen. Das ging aber nicht mehr, weil der
Mörtel durch die längere Einfüllzeit für die jeweils anderen 3 Löcher schon
zu hart geworden war. Man bekam keinen Anker mehr hinein und der
Kollege mit der Bohrmaschine konnte 4 neue Löcher bohren, was uns aber
nicht wirklich weiterbrachte, weil wir für die neuen Löcher nicht mehr
genügend Zutaten für weiteren Mörtel hatten. Diese Zutaten für den
besonders festen Mörtel müssen wohl recht teuer gewesen sein, denn der
Gruppenleiter vom THW hat sich ziemlich zickig angestellt, als er neue
ausgeben musste. Meine Fähigkeiten auf dem Bau sind somit nie besonders
gewesen und ich habe mich auch nie bemüht, diesen Zustand zu ändern,
weil mir derartige Arbeiten eigentlich nicht liegen, außer gewissen
Tätigkeiten im Trockenbau mit Gipskartonplatten, die gehen mir gut von
der Hand. Noch weniger liegen mir allerdings Metzgertätigkeiten. Ich mag
Wurst zwar heiß und begehrlich, aber selbst welche herstellen, nie und
nimmer! Aus sonstigen typischen Fleischgerichten, wie Braten und
dergleichen mache ich mir allerdings eher wenig.

Herr Smelka hatte mir vor einiger Zeit gesagt, dass die frühzeitig
eingereichten Hartzer-Anträge den Amtspersonen ein wenig als
Übungsmaterial dienen würden. Frühzeitig ist jetzt aber schon vorbei und
eine gezielt späte Abgabe kann, laut Herrn Smelka, auch zu Nachteilen
führen, da die Behördenakrobaten Anweisung hätten, zwar alle Anträge
durchzuarbeiten, aber wegen der Eile nur kurz geprüfte Anträge würden
gekennzeichnet und später nochmals genauer nachgeprüft, wenn wieder
etwas Luft im Verwaltungsalltag eingekehrt ist. Ich bin von dieser ganzen 
Zumutung keineswegs begeistert, habe diesen Käse aber bereits vor einigen
Wochen abgegeben. Diese ganze Formulierung, von wegen
Arbeitslosengeld 2 finde ich ja irreführend. Als bekäme man dann zwei
verschiedene Arbeitslosengelder, 1 und 2, haha, das wäre schön, aber am
Schluss soll's doch ein Sparpaket für den Staat werden, daran zweifelt
doch wohl keiner mehr.
Mein Eindruck, dass die Behörden sich mit diesem Antragswirrwarr selbst
ein Bein stellen, verstärkt sich immer mehr. Kamen anfangs komplette
Musterbögen und dann die eigentlich auszufüllenden Bögen in ihrer
kompletten Sammlung hier an, so schickt man mir nun laufend nochmals
einzelne Bestandteile dieser Formulare zu. Ich habe die einzelnen
Schmierblätter nicht angefordert und auf telefonische Anfrage wusste bei
denen keiner, weshalb man mir diese sogenannten Zusatzblätter in
einzelnen Posten mehrfach nochmals zuschickt. Erst am letzten Donnerstag
lag wieder so ein großes braunes Couvert in meinem Briefkasten, diesmal
enthielt es gleich 4 Exemplare des Zusatzblattes zur Feststellung der
angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. Bei der bereits
erfolgten Abgabe hatte ich denen schon ein ordentlich und korrekt
ausgefüllte Exemplar davon zugeschickt, trotzdem schicken die mir jetzt
immer wieder solche Ausgaben verschiedenster Zusatzblätter zu und
wissen selbst nichts davon. Erst wenige Tage zuvor hatte man mir auf
ähnliche Weise gleich 7 Exemplare des Zusatzblattes über die Feststellung
des zu berücksichtigenden Vermögens zugeschickt. Langsam zweifle ich
daran, dass überhaupt gesteuerte Abläufe hinter dem ganzen Unfug
stecken, sondern befürchte, dass einige desorientierte Behördenhengste
wahllos die Dinger unters Sohi-Volk streuen, bis dass alle Vordrucke
aufgebraucht sind. Sie werden es ja selbst gesehen haben, dass besonders
dieser zuletzt genannte Vordruck einen erniedrigenden Charakter hat.
Mancher wird sich beim Ausfüllen nackt vorkommen, man solle jeden
Cent offenbaren den man selbst oder eine vermeintliche Partnerin in den
gemeinsamen Haushalt einbringt oder den man als Vermögenswert
betrachten könnte. Immerhin zwickt dieser Vordruck auch in unser
Lieblingsthema Auto, denn dort fragt man unter Punkt 7 böswillig auch
nach dem Wert eines möglicherweise vorhandenen Autos. Da kommen die
Zahlen ins Spiel, die ich Ihnen in meinem letzten Bericht nannte, die mir
Herr Smelka zukommen ließ. Solange Sie die damals genannten
Wertigkeiten nicht grob überschreiten, brauchen Sie ab 2005 nichts zu
befürchten, auch wenn diese Passage in dem Formblatt anders wirken mag.
Mit anderen Worten, einen gebrauchten VW-Golf, Ford-Escort oder Focus
oder Opel-Astra, der vielleicht 3 oder mehr Jahre alt ist, den können Sie
ohne jegliche Angst behalten und weiterfahren. Ebenso hunderte ähnlicher
oder billigerer Autos. Immerhin ist man schon auf den alten Trick
vorbereitet, dass das verwendete Auto auf einen anderen Halter angemeldet
ist, denn man fragt, ob Fahrzeuge vorhanden sind, nicht gleich ob man
eines besitzt; es wird erst in zweiter Reihe verlangt, den offiziellen Halter
anzugeben. Ich selbst habe ordnungsgemäß und ohne Tricks meine kleine
Susi dort eingetragen, und zwar mit einem Zeitwert von 700 Euro. Falls
man nachfragt, wieso ich auf nur 700 Euro komme, werde ich sagen, dass
ich das Wägelchen für 850 Euro gekauft habe und es nun schon einige Zeit
fahre, wodurch der Wert nach aller Logik weiter gesunken ist, also
angenommen auf 700 Euro. Frech finde ich diese ganzen Fragen nach
Sparkonten und anderen Anlageformen, aber dort kann ich ohne schlechtes
Gewissen weiße Flächen zurücklassen.
Die Überprüfbarkeit der Angaben auf diesem Formblatt lässt sich aber
ohne jede Kunst leicht aushebeln. Ich kenne jemanden, der ist ebenso Sohi
und der macht sich nichts daraus, in aller Öffentlichkeit laut zu sagen, dass
er zahlreiche Sparkonten in der Schweiz unterhält, an die Meister Hartz
nicht herankommt. Die Schweiz ist von Stuttgart nicht übermäßig weit
entfernt und ich kann jeden verstehen, der so seine letzten Notgroschen in
Sicherheit bringen will. Die Zinsen, die die Schweizer Eckis geben, sind
gewiss nicht berauschend, dafür lohnt kein Weg dorthin, aber die
Sicherheit der Unantastbarkeit überzeugt und die Schweizer werden gewiss
nicht so dumm sein, sich ihre Geschäftsgrundlage selbst zu zerstören,
indem sie Kontrollmitteilungen an deutsche Behörden aussenden. Natürlich
werden heute viele Kontrollen gemacht, ob Leute nicht höhere Barbeträge
im Grenzgebiet mit sich herumschleppen, jedoch gibt es auch hier relativ
sichere Methoden, diese Kontrollmechanismen kalt zu stellen. Wie gesagt,
bei mir gibt es da nichts zu holen oder zu entdecken, somit erspare ich mir
auch die Ängste darum.

Fremde Mann, nix wissen! Genauso antwortet ein entfernter Bekannter von
mir, der finanziell erfolgreich als Schwarzarbeiter auf etlichen
Großbaustellen im Raum Stuttgart arbeitet. Er macht das schon länger und
ohne Scheu. Inzwischen wurde er dabei schon von Kontrolltruppen der
Arbeitsagenturen aufgefischt. Er hat dann vorgegeben Ausländer zu sein
und mit absichtlich gestammelter Antwort: Ich fremde Mann, nix wissen!
die Kontrolleure ins Bockshorn gejagt. Er hat dann auch nie einen
Personalausweis oder sonstige Papiere dabei, einmal wurde er zur
Feststellung der Personalien sogar mit auf eine Polizeiwache gebracht. Er
hat sich immer nur dumm gestellt, und nach spätestens ein paar Stunden
war alles vorbei und am nächsten Tag war er wieder als der Fremde Mann
vom Dienst auf der Baustelle. Manche Behörden setzen die Leute auch
solange fest, bis dass ihre Personalien eindeutig feststehen, das ist ihm
jedoch nicht passiert. Er ist Deutscher, aber sein leicht südländisches
Aussehen kommt ihm bei dieser Nummer zur Hilfe. Er hat sich im
allgemeinen Gerangel immer verdünnisiert und war dann für die spurlos
verschwunden. Ich hätte für so etwas wirklich keine Nerven, aber man
muss neidlos zugestehen, dass er auf diese Weise einen Lebensstandard
erreicht, von dem unsereins nur in den schönsten Träumen schlummern
kann. Er wohnt in einer offiziellen Wohnung, das ist eine anderthalb
Zimmer Kleinwohnung, ähnlich meiner, sogar noch etwas kleiner und dann
hat er eine richtige Wohnung, mit fetten 180 m² Wohnfläche im Vorort
Schönberg. Die dortige Wohnung oder es ist sogar ein richtiges Haus,
gehört sogar eigentlich ihm, aber offiziell ist seine Cousine als
Eigentümerin eingetragen, da verlaufen mögliche Nachforschungen der
Sohi-Behörden im Sande. Wie gesagt, er ist da clever, aber vor allem
waghalsig, wozu mir jeder Mut in diesem Ausmaß fehlen würde. Kleine
Waghalsigkeiten, o.k., dafür bin ich vielleicht noch zu haben, wenn sie im
Dunst eines Missverständnisses oder einer falsch verstandenen Auslegung
verlaufen oder auch wenn Möglichkeiten bestehen die Weite der
Bestimmungen dehnbar auszunutzen, aber solche gezielten Übertretungen
der Bestimmungen oder gezielte Verstöße in großem Ausmaß, dafür fehlt
mir eindeutig der Mut. Dann hätte ich keine ruhige Minute mehr und was
nützt mir der schönste verborgene Reichtum, wenn ich jeden Moment
damit rechnen muss, ertappt zu werden und alles Erzielte würde hinfällig?
Unter solchen Bedingungen könnte ich mich an dem Reichtum erst gar
nicht erfreuen. Ihn lässt das kalt. Offiziell fährt er gar kein Auto, in
Schönberg hat er dafür einen dicken Mercedes vor der Türe stehen, knapp
ein halbes Jahr alt. Dafür zerfetzt er sich allerdings auch und steckt bis zum
Hals in Aufträgen, so dass er mehr arbeitet, als die meisten offiziell
Vollbeschäftigten. Wie sagt man doch so? Arbeit macht das Leben froh,
Faulheit stärkt die Glieder, da wir alle stark sein woll'n, legen wir uns
nieder. Ich werde es ihm nicht nachtun, damit dürften die Sohi-Behörden
an mir wenigstens in diesem Punkt mehr Freude haben.

Sie kennen ja den Wetter-Kachelmann, der sich mehr und mehr zum
Universalunterhalter entwickelt, da er in den ostdeutschen Fernsehsendern
oft als Moderator von Talkshows auftritt und auch an anderen Sendungen
mitwirkt, die alle gar nichts mehr mit Wetter zu tun haben. Nun drängt er
noch ins schreibende Fach vor, denn in einer Großbücherei hier in Stuttgart
hatte er vorige Woche eine Autorenlesung veranstaltet. Ich hätte aus einem
Kontingent sogar einige Freikarten dafür haben können, aber an diesem
Abend hatte ich keine Zeit. Ich erzählte Ihnen bereits vor längerem von
einem anderen Bekannten, den ich öfters mit dem Auto chauffiere, mit dem
ich auch die Benzinpanne hatte, weil ich vergaß zu tanken. Nun hat sich die
Bekanntschaft zu ihm nach einigen Gewitterwolken, die inzwischen
verzogen sind, wieder gebessert. Dafür will er nun öfters abends gefahren
werden und zahlt dafür besser, als für die Tagfahrten und ich wäre dumm,
wenn ich mir das entgehen ließe. Daher war mit Kachelmanns Lesung für
mich nichts. Aber so wichtig war mir das ohnehin nicht, ich weiß noch
nicht einmal, ob ich wirklich hingegangen wäre, trotz kostenlosem Eintritt
und kurzem Weg. Bei den Nachtfahrten wurde ich neulich von der Polizei
gestoppt. Mein linkes Abblendlicht war wohl entzwei, ich hatte davon
zuvor nichts bemerkt. Der Beamte war anfangs recht muffig und tönte vom
hohen Thron herablassend. Er schien prinzipiell nichts von Leuten zu
halten, die in solch billigen Autos herumkurven. Wie es denn mit der AU,
dieser blöden Abgasuntersuchung, aussehen würde, wollte er noch wissen.
Ich erklärte ihm, dass alles gültig und in Ordnung sei, da höhnte er noch,
ob denn so ein Autochen überhaupt einen Auspuff habe. Ich wollte nicht
unfreundlich reagieren, weil er bis zu diesem Zeitpunkt nur die defekte
Birne im Abblendlicht bemängelt hatte, aber nichts von einer
gebührenpflichtigen Verwarnung dafür sagte. Ich zog es deshalb vor, in
sein Hohnlied einzustimmen und bemerkte, dass man bei den wenigen
Abgasen, die dieses winzige Autochen produzieren würde, auch eigentlich
wirklich auf den Auspuff verzichten könne. Dann drehte er mäßigen
Schrittes noch zwei Runden um meinen Suzuki und fragte, wann ich denn
die defekte Birne zu wechseln gedenke. Ich sagte ihm, dass ich nun sofort
nach Hause fahre und das trotz der vorgerückten Stunde heute noch
erledigen würde, damit morgen früh wieder alles in Ordnung ist. Dann
drückte er mir die Papiere wieder in die Hand und meinte, dass ich
vorsichtig auf dem kürzesten Weg sofort nach Hause fahren soll und es
auch wie gesagt tun soll. Er betonte, wenn ich nun geantwortet hätte, dass
ich die Birne erst morgen wechseln würde, dann hätte er mir 15 Euro
Verwarngeld abgeknöpft, aber so diene es der Verkehrssicherheit mehr,
wenn ich das gleich mache. Er bemerkte dann noch grinsend, für die
eingesparten 15 Euro solle ich mir paar Birnen als Ersatzbevorratung
kaufen. Wissen Sie, ich hasse es, für derartige Dinge wie Verwarnungen
und solches noch sinnlos Geld ausgeben zu müssen, daher reiße ich mich
eigentlich immer am Riemen, um Übertretungen zu vermeiden, aber die
defekte Birne hatte ich wirklich nicht bemerkt. Man schaut ja auch nicht
vor jeder Nachtfahrt vor dem Auto, ob alle Lampen ordnungsgemäß
leuchten. Aber halten Sie sich heute mal halbwegs an die Verkehrsregeln,
da werden sie fast pausenlos überholt, selbst von großen LKW und selbst
im absoluten Überholverbot. Die Autos von heute sind nach meiner
Meinung auch einfach völlig übermotorisiert. Wenn man einen Neuwagen
in der einfachsten Grundausstattung erwerben will, so begann früher die
Motorisierung vielleicht mit 40 PS, aber heute haben die Einstiegsmodelle
schon oft 80, 90 und mehr PS und mit so etwas kurven dann auch schon die
Fahranfänger und die jugendlichen Halbstarken herum. Ich empfinde es als
eine gefährliche Entwicklung. Selbst die neue Ausführung von meinem
winzigen Suzuki Alto, den es ja immer noch als Neuwagen gibt, der heute
aber etwas runder aussieht, hat jetzt schon 63 PS. 63 PS in einem solch
leichten Auto, das ist doch, als hätte man in einem VW-Golf 110 PS. Alle
reden vom Spritsparen und die neuen Wagen benötigen mit der hohen PS-
Zahl so wenig Sprit, wie die alten mit der halben Leistung. Aber hätte man
mit gleichem Technologiefortschritt die PS-Zahl gleich gelassen, dann
müsste sich demnach im Umkehrschluss der Benzindurst halbieren, aber
auf diese Idee kommt wohl keiner. Jeder muss scheinbar rasen, als säße der
Teufel persönlich mit der Peitsche auf dem Rücksitz und triebe den Fahrer
zur ewigen Eile an. Besonders negativ fallen mir immer wieder die Audi-
und BMW - Fahrer auf, aber auch sehr viele VW-Golf - Fahrer hasten
ständig jeder Sekunde Fahrzeit nach. Ich fahre gerne konstante
Geschwindigkeiten, aber das ist heute gar nicht mehr möglich durch die
Raserei der anderen. Gemütlich entspannt mal einige Kilometer mit
vielleicht 60 km/h oder auf Landstraßen mit 80 km/h dahingleiten das ist
doch schön, aber nein, man wird dann kolonnenweise überholt und kurz
danach stauen sich die Überholer zurück und auch ich muss dann
abbremsen, weil ich diese Idioten alle wieder vor mir habe, da sie zu früh
alle zugleich an der nächsten Ampel oder Kreuzung eintreffen. Ich rege
mich nicht schnell auf im Straßenverkehr, nehme eher alles gelassen, selbst
wenn mich mal einer schneidet oder mich wegen seines Fehlverhaltens
zum Abbremsen zwingt, aber manchmal denkt man doch darüber nach, wie
schön es wäre, wenn man eine große Kanone im Kühlergrill hätte, mit der
man diese motorisierten Wildsäue von der Fahrbahn schießen könnte.

Um zurück zu unserem Eingangsthema zu finden. Eine neue Möglichkeit
einige Euro nebenher zu verdienen zeichnet sich bei mir nun auch noch ab.
Eine Familie Burk in Schmiden will ihre straßenseitige Hausfassade
verkleiden lassen mit selbstdämmenden Zierwänden. Das ist so ein neues
Zeug, mit dem man in einem Arbeitsgang die Wand von außen verkleiden
kann und zugleich eine gute Wärmedämmung erreicht und auch eine
optische Aufwertung und Verschönerung springt dabei ab, wofür man
sonst mindestens 3 Arbeitsgänge braucht. Ich habe keine Ahnung davon,
aber der Bekannte von mir, der sonst Möbeltransporte macht, hat sich hier
erstmals ein zusätzliches Betätigungsfeld im Sub-Auftrag eines anderen
Unternehmers an Land gezogen. Es soll recht leicht von der Hand gehen,
und da die Burks nur die straßenseitige Fassade verkleiden lassen wollen
und ihr Haus nur aus dem Erdgeschoss mit aufgesetztem Spitzdach besteht,
wurde ausgerechnet, das die Sache innerhalb von maximal 2 Tagen erledigt
sein müsste. Der Bekannte von mir hat sich bei dem anderen Unternehmer
vor Ort einmal etwas angeeignet, was den korrekten Anbau dieser Sachen
betrifft und möchte mich nun als Helfer dabei haben. Die
Fassadenelemente sind einfache Platten, die auf einer Seite die optisch
aufwertende Ziergestaltung haben, hier wie Backsteine, die auch reliefartig
eingeprägt und eingefärbt sind und auf der Rückseite ist eine weiche, fast
gummiartige, porige Wärmedämmbeschichtung. Jede Platte wird mit nur 4
Dübeln an der Außenwand befestigt, obwohl sie ungefähr 2 x 2,5 m groß
ist. Da sie mit den nebenliegenden Platten zusammengesteckt wird erhöht
sich aber die gemeinsame Haltewirkung und die paar Schräuble in Dübeln
reichen aus. Knifflig wird nur die Anfertigung der Aussparungen für
Fenster und Türen. Für 2 Tage Hilfe bei der Sache winken mir immerhin
auf sein Angebot 150 Euro, und ich denke, dass ich dabei mitmache und
wenn er 150 Euro aus sich heraus anbietet, dann schaffe ich es nach meiner
Erfahrung meist, ihn noch auf 170 Euro hochzutreiben. Ich habe mir das
einmal flüchtig angesehen und denke, dass es nicht allzu schwierig sein
dürfte. Neben den schon erwähnten Fenster- und Türeinschnitten sehe ich
ansonsten das größte Problem in schlechten Wetterbedingungen. Das zu
verkleidende Häuschen ist so klein, dass ich aus dem Bauch heraus schon
sagen würde, die Arbeit müsste sogar in nur einem Tag zu schaffen sein,
wenn man zeitig um 7 Uhr beginnt, zumal die Herstellerfirma die oberen
und unteren Platten schon ab Werk fertig auf die Sockel- und Traufmaße
konfektioniert. Seitlich passende Stoßkanten brauchen wir auch keine zu
beachten oder zu fertigen, weil ja nur alleine die Frontwand des Hauses
damit versehen wird. Die Leute, diese Burks, das ist ein älteres Ehepaar
und der Mann hätte früher so was alles selbst gemacht, aber mit 78 Jahren
geht das dann doch nicht mehr so und deshalb hat er den Auftrag vergeben.
150 oder 170 Euro kann man immer gebrauchen und für höchstens 2 Tage
Hilfsarbeit geht das in Ordnung. Ich kenne meinen Kumpel ja auch von den
Umzügen und weiß, wie der arbeitet. Wissen Sie, es gibt Leute, mit denen
würde ich nie zusammenarbeiten, weil die immer nur antreiben und jagen,
jede Sekunde muss bei denen mit handwerklichem Erfolg gekrönt sein und
es wird schon gemault, wenn man einmal den Rücken gerade reckt oder
zwischendurch mal Wasser lassen muss. Mit derartigen Sklaventreibern
arbeite ich selbst für 500 Euro nicht zusammen. Hier bei meinem
Bekannten, da weiß ich, dass dessen Belastungsgrenzen ähnlich den
meinen liegen und pro Stunde mal 5 bis 10 Minuten Pause, das muss
einfach drin sein. Er nimmt auch normalerweise erst gar keine Aufträge an,
bei denen zu erwarten ist, dass sie einen übermäßigen Aufwand bedeuten,
er hat dafür ein gutes Näschen und das schützt vor unliebsamen
Überraschungen. Es wäre zudem sehr peinlich, wenn man vor dem
Auftraggeber steht und eingestehen muss, dass man mit der gesetzten
Aufgabe überfordert ist. Sie wissen ja selbst, wie grau die wirtschaftliche
Zeitlage ist und so muss auch mein Bekannter sehen wo er bleibt. Deshalb
verdingt er sich mit seinem eigentlichen kleinen Möbeltransport- und
Umzugsunternehmen immer häufiger auch für völlig andere Arbeiten. Erst
letzte Woche hatte er in einer kleinen Mühle im Schwarzwald einen
Auftrag angenommen, 200 üppige Mehlsäcke dort zu befüllen, abzusacken
und mit seinem Ford-Transit zu verschiedenen Demeter-Bäckereien im
Umland zu fahren. Das war gekommen, weil die Mühle ein kleiner 2-
Leute-Familienbetrieb ist. Eine junge Frau und ihr Bruder betreiben die
Mühle und der Bruder war wegen Krankheit ausgefallen, sonst war es
dessen Aufgabe abzusacken und auszufahren. Das ist ja eine Tätigkeit, an
die sich fast jeder leicht anlernen lässt und über Umwege und
Mundpropaganda kam die junge Frau dann auf meinen Bekannten als
Ersatzmann. Der hat das gerne gemacht, aber am Abend wusste er auch wo
sein Kreuz ist.
Ein Supermarkt sucht jetzt schon Kräfte, die bei einer Inventur kurz vor
Sylvester Waren abzählen. Für rund einen Tag Arbeit bieten die pro Helfer
70 Euro plus freies Frühstück und Mittagessen. Ich weiß noch nicht, ob ich
mich dafür melden soll, es wäre einmal etwas anderes. Ebenso sucht ein
Lebensmittelgrossist, der vorwiegend Gaststuben, Hotels und dergleichen
mit Gemüse beliefert, sehr oft Aushilfskräfte für einen halben Tag. Dort
heißt es dann vornehmlich Kartoffelsäcke schleppen oder abwiegen und
diese dann auf Lastwagen verladen. Einmal hatte ich dort geholfen, das
mache ich aber nicht mehr, weil die sagen zuvor, man erhalte dafür 50
Euro pro Tag und erst im Nachhinein, wenn man dann nur 20 Euro nach
der Arbeit in die Hand gedrückt bekommt, kriegt man gesagt, dass die 50
Euro nur für eine normale Tagesmenge gezahlt würden, da aber an diesem
Tag weniger als die Hälfte an Kartoffelmenge zu verladen war, gebe es
auch entsprechend der Mindermenge weniger Geld. Diese angebliche
Mindermenge kam mir schon reichlich vor und wir Idioten haben daran
mindestens 7 Stunden geladen. Ich möchte nicht sehen, wie viele Stunden
man dann für die 50 Euro laden müsste. Aber solche Übertölpelungen
macht man mit mir kein zweites Mal und ich habe das diesen Gaunern auch
mehrfach heimgezahlt. Wenn man vor Arbeitsbeginn klare Fronten schafft
und gesagt hätte, wie das mit der Bezahlung dort läuft, dann wäre es ja o.k.
gewesen und ich hätte auf dem Absatz gewendet und wäre heim gegangen,
aber so die Leute auszunutzen, das ruft nach Rache, wenn man selbst
davon betroffen ist. Nur soviel, die haben mich zwar vielleicht beim
Verladen um 30 Euro geprellt, dafür war ihr Folgeschaden aber mindestens
zehn mal so hoch. Diese Kalkulation dürfte für die nicht aufgegangen sein.

Regenschirme sind auch nicht mehr das, was sie einmal waren. In den
letzten Tagen hat es kräftig geregnet und so kam es, dass ich erstmals einen
bereits im Frühling erworbenen neuen Regenschirm ausprobierte. Schon
die erste Benutzung war eine Enttäuschung. Er sieht zwar schön aus,
verfügt aber gleich über 2 undichte Stellen und das Drahtgerippe neigt
schon bei geringem Wind zum Verbiegen und Umklappen. Er hatte zwar
nur 4 Euro gekostet, aber selbst die war er nicht wert. Meine zwei alten
Regenschirme konnte ich nicht mehr verwenden, weil den einen hatte ich
im letzten Winter irgendwo verloren und der andere ist im Stab
durchgebrochen. Kayla sieht das alles etwas anders. Sie benutzt generell
keine Regenschirme, so wie das Wetter ist, so ist es halt und sie sagt, der
Mensch ist ja weitgehend wetterfest. So rennt sie unbekümmert durch die
dicksten Schauern, als wären sie gar nicht da. Bestenfalls eine Kappe setzt
sie auf. Gerade bei Frauen ist ein solcher wettermäßiger Wagemut sehr
selten. Um die Zerstörung einer aufwändigen Haartracht braucht sie sich
ohnehin keine großen Sorgen machen, da sie meist unempfindliche
Kurzhaarfrisuren trägt. Manche Frauen investieren in ihre Lockenpracht ja
ein Vermögen, damit hat Kayla jedoch keinen Vertrag. Mit einem
eigenartigen Schneideapparat stutzt sie jede zweite Woche selbst ihr Haar
in die gewünschte Form und sieht dann wieder perfekt aus, jedenfalls nach
meiner Meinung. Ich könnte das gar nicht, mit diesem Apparat umgehen,
man muss sich schon gewagt verrenken um damit an die hinteren
Kopfpartien zu kommen. Die doppelte Kunst besteht aber dann darin, auf
diese Weise im hinteren Kopfbereich die Haare auch noch so zu stutzen,
dass es gut aussieht, ich meine ohne Stufen und ausgefransten Ränder.
Aber sie erledigt das in 10 Minuten. Wenn man sich heute manche teure
Friseurfrisur ansieht, scheint das aber dort auch mittlerweile alles egal zu
sein, denn welche Struwwelköpfe heute die Salons verlassen, das sieht aus,
als habe man eine Katze in einer Regentonne versenkt und kostet dann
noch sehr viel Geld. So finde ich und Kayla übrigens auch, sollte man sich
jedes Geld für den Friseur einsparen, weil deren Ergebnisse heute oft kein
Geld mehr wert sind. Interessant finde ich, wie Kayla erwähnte, sei der
Beruf des Friseurs in Thailand so gut wie unbekannt, ausgenommen einmal
vielleicht in größeren Städten.

Es gibt Leute, die ständig nach dem Motto leben, hoppla, jetzt komm ich!
So kaufte ich neulich in einem Warenhaus ein neues Portemonnaie, das alte
war zerfetzt, am vielen Geld kann's aber nicht gelegen haben.
Personalengpässe führten dazu, dass die Hälfte aller Kassen nicht besetzt
war und man musste an einer weiter entfernt liegenden Kasse bezahlen.
Dort war die Warteschlange entsprechend groß, es standen vielleicht 12
Leute vor mir und so reihte ich mich ein. Als ich nach über 10 Minuten nun
bald an der Reihe war, drängelte sich ohne zu fragen ein Mann einfach vor
mich, der mit einem riesigen Stapel Zeitschriften beladen war, die er
ebenfalls dort bezahlen wollte. Ich sagte ihm, dass es so nicht gehe, ich
würde schon über 10 Minuten warten, dann könne er das auch und er solle
sich hinten anstellen. Er meinte aber nur, nun stehe er halt einmal dort und
er habe keine Zeit zu warten, weil er berufstätig sei. Darauf sagte ich ihm,
das sind wir alle und wir haben nicht mehr Zeit als sie. Er kümmerte sich
nicht weiter darum und blieb einfach dort stehen. Die Kassiererin hatte das
aber zum Glück mitbekommen und als er an der Reihe war, überging sie
ihn einfach und wandte sich mir zu. Daraufhin begann er natürlich zu
toben, worauf die Kassendame einfach sachlich, aber bestimmend sagte,
dass es hier der Reihe nach gehe und das gelte für jeden. Er tobte noch
mehr und verschwand mit den Zeitschriften suchend zu einer anderen
Kasse, die noch wesentlich weiter entfernt lag. Als ich aus dem Warenhaus
ging, sah ich ihn dort an letzter Stelle in einer Schlange von sicherlich über
25 Leuten stehen und das ging mir wie Öl runter.

Herbstlich farbenfrohe Grüße

Ihr

Egbert Lappenkeuler


Beitrag 2

Lappenkeuler - Brief / Email "Bahnreise nach Schorndorf" vom 30.09.2004

Einen herbstlichfrischen guten Tag!

Wissen Sie, eigentlich war ich nie ein großer Freund des Herbstes, weil es
dann wieder auf die Schmuddelwetterzeit zugeht. Doch diese Tage habe
ich die herbstlichen Nebelschwaden am frühen Morgen sichtlich genossen.
Ich bin mit dem Suzuki in aller Frühe an etlichen Tagen weit aufs Land
rausgefahren und gewandert. Mal alleine, mal mit Kayla. Die Totenstille an
einem kleinen See morgens um halb 8 während der Woche, im Dunstnebel
sieht man kaum etwas von dem See, eher gar nichts, außer dem Streifen,
der sich zwischen den eigenen Füssen und dem Uferrand befindet. In der
Ferne ist schwach eine vereinsamte Krähe zu hören, die vermutlich gerade
aufgewacht ist. Das sind eigentlich Voraussetzungen, die mehr für eine
bleierne Stimmung gut sind, die ähnlich trüb wie dieser Nebel ist, aber
nein, in meinem Inneren bin ich hochheiter gestimmt. Dieser ganze
Anblick des Nebels erheitert mich noch mehr und verhilft mir regelrecht zu
innerer Freude. Wundern Sie sich nur, ich tue es selbst, denn wirklich
erklären kann ich mir das Stimmungshoch angesichts dieses Wetters nicht.
Früher lag mir eine solche Wetterkonfiguration wie ein dicker Kloß im
Magen, jetzt auf einmal nicht mehr. Ich kann gar nicht genug davon
bekommen und fahre seit zwei Wochen häufig in der Frühe aufs Land, um
diese Stimmungen zu genießen. Kayla fährt an manchen Tagen gerne mit,
an anderen bleibt sie lieber noch im Bett liegen oder lernt aus schlauen
Büchern für ihre Dolmetschertätigkeit. Sie ist überhaupt sehr lern- und
wissbegierig. Um spätestens um halb 8 dort draußen zu sein, muss ich
gegen halb 7 losfahren. Nun fahre ich nicht übermäßig weit, etwa 20 bis 40
Kilometer und die legen sich morgens stadtauswärts relativ gut zurück,
weil die meisten Leute um diese Zeit stadteinwärts zur Arbeit drängen.
Manchmal fahre ich auch nachts gegen 23 Uhr ähnlich raus, aber nicht
ganz so weit, ungefähr 10 oder 15 Kilometer vor die Tore Stuttgarts. Es
macht Freude, von einer bestimmten Erhöhung aus der Ferne auf die
Umrisse der erleuchteten Stadt zu blicken. Eine komische Stimmung
kommt dann auf, die mir gefällt. Ich hatte schon versucht, dieses
Nachtpanorama mit der Digitalkamera einzufangen, aber es geht nicht. Mit
dem Auge sieht man zwar die wimmernden Lichtschweife weit weit weg,
aber die Kamera zeigt nachher ein völlig schwarzes Bild, dafür ist die
Intensität aus dieser Distanz doch einfach viel zu gering. Ein Bekannter
sagte, er hätte keinen Mut dazu, ausgerechnet nachts von dieser Stelle auf
die Stadt zu blicken. Verstand ich nicht ganz, dann holte er etwas aus. Der
ist früher in dieser Gegend aufgewachsen und als er noch klein war, wurde
fast genau an dieser Stelle jemand ermordet oder zumindest ein Mordopfer
abgelegt oder so was. Seither traut sich kaum noch jemand nachts zu dieser
Stelle, die nur über einige mehrere Kilometer lange geteerte Feldwege
erreichbar ist, die unter anderem dazwischen auch noch an einem kleinen
Hain vorbei führen. Man stellt sich dann gottweiswas vor, wenn man so
etwas erzählt bekommt, aber meine Nachforschungen haben ergeben, dass
dieser grässliche Vorfall schon so lange her ist, dass es schon fast nicht
mehr wahr ist. 40 Jahre oder so was muss das her sein. Lasst die Toten
ruhen, aber lasst uns Lebendenden dann auch die Ruhe. Warum sollte man
nach solch einer langen Zeit nur aus Angst oder Ehrfurcht den schönen
nächtlichen Blick auf Stuttgart nicht genießen? Das arme Mordopfer von
damals würde sich gewiss nicht daran stören. Die meisten Lebenden, die
damals in Kontakt mit dem Opfer standen und heute zu einem großen Teil
durch den natürlichen Lauf der Dinge wahrscheinlich selbst schon tot sind,
wird es ebenso wenig verärgern. Also, was soll eine solche Selbstblockade
bringen? Ich lasse mir das nicht nehmen. Ich fahre ja nicht jeden Tag
dorthin, aber es wurde schon, ähnlich wie der Gang im Morgennebel, zu
einer kleinen Marotte von mir. Die Nachtbeschaulichkeit genieße ich
höchstens 2 mal pro Woche. Mag man sagen, der Lappenkeuler hat eine
neue Meise, so viele Kilometer zu verfahren, nur um diese Stimmungen zu
genießen, aber ich denke, es ist kein Zustand auf Dauer. Irgendwann gerät
alles in eine Gewohnheitsphase und verliert zunehmend an Reiz. Dann
werde ich die Anzahl reduzieren.

Ein großes Polizeiaufgebot versammelte sich diese Tage an einem
Mietshaus einige hundert Meter weiter stadtauswärts. Zunächst wusste ich
nicht worum es ging. Später hörte ich dann, dass Verrückte oder vielleicht
auch gezielte Täter bei einem Mieter durchs Fenster geschossen hatten. Es
ist aber keinem etwas passiert. Der Mieter wohnt im ersten Stockwerk und
man hatte unten vom Gehsteig durchs Fenster in die Wohnung mehrere
Schüsse abgefeuert. Jemanden gezielt zu treffen war eigentlich wegen des
Höhenunterschiedes unmöglich. Die Schüsse durchschlugen die
Fensterscheiben und gingen dann in die Decke der Wohnung. Natürlich ist
eine Schießerei immer ein Anlass für erhebliche Untersuchungen, zumal
auf diese Weise. Viele Polizeibeamten durchkämmten sämtliche Wege und
Wiesen im Umkreis von über einem Kilometer, um eventuelle Spuren zu
finden. An etlichen Stellen wurden kleine Täfelchen mit Buchstaben und
Zahlen aufgespickt, das war dann dort, wo man mögliche Spuren oder
Sachen gefunden hatte. Es hieß, dass der Mieter der betroffenen Wohnung
zu dem Zeitpunkt gerade im Bad war und nur die Schüsse hörte und dann
erschrocken auf den Flur gerannt sei. Wäre er im Wohnzimmer gewesen,
dann hätte er wahrscheinlich immerhin Splitter vom Glas und den
abplatzenden Deckenverkleidungen abbekommen, was unter ungünstigen
Umständen ja auch schon gefährlich genug sein kann. Der Mieter soll sich
keinen Reim darauf machen können und er wisse nicht, wer es speziell auf
ihn abgesehen haben könnte. Andererseits wurden alle Schüsse gezielt nur
in die Wohnzimmerscheibe seiner Wohnung gesetzt, kein Schuss in
Fenster anderer Wohnungen, wie man es bei einem wahllosen
Spaßschützen hätte vermuten können. Wir als Anwohner waren vor allem
von dem immensen Ausmaß an unzähligen Polizisten beeindruckt, die mit
sicherlich über 15 Kleinbussen binnen kürzester Zeit hier einfielen. Bei mir
wurde auch geklingelt, aber nicht wegen mir oder meiner Wohnung,
sondern weil die den Schlüssel vom Keller haben wollten, um zu sehen, ob
sich dort möglicherweise jemand versteckt hat oder zuvor aufgehalten
hatte, während der Tatvorbereitung. Man meinte, es sei eine großkalibrige
Waffe gewesen, die man nicht leicht unter dem Hemd verstecken könne,
weshalb der oder die Täter sich zuvor in der Nähe einsatzfertig aufrüsten
mussten. Hier im Keller wurde aber nichts gefunden; das wäre ja auch noch
schöner. Der geschädigte Mieter zählt auch auf Anhieb nicht zu einer
Volks- oder Menschengruppe, die man als gefährdeter bezeichnen würde.
Er ist kein Ausländer, kein Israeli, kein Moslem, Mohammedaner oder so
was, ein Deutscher aus einfachen Verhältnissen. Man sagte, er sei
Busfahrer. Verheiratet ist er auch nicht, ebenso wenig geschieden, also
dürfte aus einem solchen Umfeld auch nicht unbedingt ein Täter
auszumachen sein. Manchmal gibt es Verrückte, die suchen sich wahllos
aus einem Haufen von Menschen einen einzelnen heraus, den sie zu ihrem
Opfer machen und an den sie sich dann ständig wie eine Klette heften und
ihre ganzen Attacken und ihren Hass auslassen, ohne das jemand einen
halbwegs plausiblen Grund ausmachen kann, warum ausgerechnet diese
Person das Opfer wurde. Eine alte Dame aus unserem dritten Stockwerk
war nach bekannt werden dieser Sache völlig fertig. Die befürchtet jetzt,
dass ihr ähnliches drohen könnte und hält sich seit dem nur noch in den
hinteren Zimmern ihrer Wohnung auf. Die bewohnt eine der größeren
Wohnungen hier im Haus, die ungefähr dreimal so groß ist, wie meine.
Dafür muss sie auch die ganze Miete selbst zahlen und bekommt nichts
von der Sohi-Behörde.

Seit sehr langer Zeit bin ich jüngst noch einmal mit der Deutschen
Bundesbahn in einem Zug gefahren. Sie werden sich wundern und fragen,
ob mein Suzuki kaputt ist. Ist er nicht, keine Angst, aber ich sollte zu einer
Auswerte-Behörde oder Auswertestelle der Sohi-Behörde, irgend so ein
Mist. Rationalisierung durch Zusammenlegung von Behörden heißt bei
denen heute oft die Devise und genau das führt dazu, das diese
Auswertestelle nicht mehr in Stuttgart selbst ansässig ist, sondern in
Schorndorf. Etwa 40 Kilometer südöstlich von hier. Da der Behördengang
behördlich angeordnet war, durften die auch Fahrgeld spendieren. Machen
die aber nicht mehr, anstatt dessen sollte ich mir hier eine gültige Fahrkarte
für Hin- und Rückfahrt abholen. Es würden keine Ausnahmen gemacht,
hieß es. Geld für Benzin gibt's keins und bevor ich denen die Fahrt
schenke, habe ich dann die Bahnfahrt nebst Fahrkarten genommen. Es
begann schon lästig. Zuerst zum Hauptbahnhof, der seit langem wegen
Bauarbeiten im Chaos versinkt, dann kam der gewünschte Zug 10 Minuten
zu spät und das, obwohl er hier in Stuttgart begann, zusätzlich fuhr er noch
von einem anderen Bahnsteig als geplant ab. Eine höchst unfreundliche,
fettdicke Frau als Schaffner murrte jeden Zuginsassen mit einem zackigen,
befehlsartigen Ton an: "Zugstiege?!!!!" Jede Karte wurde misstrauisch in
Augenschein genommen, meine besonders. Mit einem Blick der
Verachtung strafte sie mich, warum weiß ich nicht, aber es wirkte so, und
sie gab mir träge mit ablehnender Haltung die Karte zurück, so als wolle
sie sagen, die Karte sei für mich eigentlich viel zu schade. Sie hatte
schwarzdunkelrotviolett gefärbte Haare, ein widerlicher Farbton, abstoßend
wie die ganze Frau, eigentlich kein auffälliger Farbton, von weitem wirkten
die Haare schwarz, erst bei näherer Betrachtung sieht man, dass es eine
schwarzrotviolette Färbung ist. Frauen, die diese Haarfarbe tragen, sind
offensichtlich genauso widerlich, wie diese Farbe selbst, die Erfahrung
habe ich schon oft gemacht. Die feiste Schaffnerin barst bald aus ihrer
dunkelblauen Jacke, die ihr schon längst zu eng geworden war. Der Zug
war nicht gut besetzt, in meinem Wagon gab es etwa 5 andere Reisende.
Mit einem davon geriet die Gschwellte gleich in Streit, weil der sagte, er
habe die Karte vor der Fahrt am Automaten gezogen und die behauptete
das könne aus irgend einem Grund nicht sein. Der Streit war heftig aber
kurz, irgendwie blieb alles offen und sie zog weiter. An einem alten
Bahnhofsgebäude stoppte der Zug ziemlich heftig und blieb dort über 20
Minuten stehen. Der Grund dafür blieb unbekannt, einige andere Reisende
überlegten schon auszusteigen und etwas spazieren zu gehen. Kurz nach
der Weiterfahrt belastete mich ein menschliches Bedürfnis sehr und ich
suchte die Toilette auf. Die erste, die ich fand, war zugesperrt wegen eines
Schadens, die zweite war schon besetzt und eine dritte war nicht zu finden.
Nach ein paar Minuten war die zweite Toilette frei und ich nutze sie, aber
es war ein Dreckstall, den man nicht mit vollem Magen benutzen sollte,
weil dann garantiert das Essen zurückkehrt. Der Boden schwamm vor Urin,
dort hatte wohl einer wild umhergepisst, anstatt die Schüssel zu benutzen,
Scheiße klebte an den Wänden und Papier gab es keins. Ein Virentempel
und das in unserer heutigen Zeit. Kurz vor Schorndorf kam die
aufgedunsene Schaffnerin wieder und musterte mich gezielt mit einem
bitterbösen Blick. So angespornt teilte ich ihr mit, wie verschmutzt das Klo
sei. "Braucht's net benutze!!!", kam zackig als einzige Antwort. Die hätte
besser eigenhändig die Scheiße dort weggemacht, solch ein Job hätte zu
der gepasst. Es kam dann, wie es kommen musste. Der Zug traf mit
insgesamt 35 Minuten Verspätung in Schorndorf ein, er fuhr dann noch
weiter bis Schwäbisch Gmünd. Ich kam dadurch 15 Minuten zu spät zu
dieser komischen Stelle und die Behördenbeamten dort waren gerade in der
Frühstückspause. So musste ich noch über 45 Minuten warten, bis ich an
die Reihe kam. Dort hatte man einen Auswertebogen von mir, der nach
deren Meinung fragwürdige Angaben enthielt. Anstatt man zuerst einmal
versucht, die Leute telefonisch oder schriftlich dazu zu befragen, wird man
gleich dorthin zitiert. Ein komischer Kerl rief mich zu einer persönlichen
Befragung in ein kahles Büro. Er trug eine dicke eckige Brille mit
Thermopane-Verglasung, wie man so sagt, also ein extrem dickes Glas mit
doppelten oder dreifachen Linsen. Er blinzelte aber nur durch die Gläser
und das wirkte dann schon sehr komisch. Je komischer der aussah, um so
giftiger stellte er seine Fragen, wobei er ständig mit einem uralten blau-
schwarzen Bleistift in einer Schatulle stocherte. Er wollte wissen, ob meine
Wohnung wirklich nur so wenige Quadratmeter habe oder ob nicht doch
noch irgendwo ein verstecktes Zimmer wäre, welches ich rein zufällig
vergessen hätte anzugeben. Darauf antwortete ich ihm, dass ich in meinem
Palast bislang noch keine weiteren Gemächer entdeckt habe, aber vielleicht
finde ich sie ja irgendwann bei einem ausgedehnten Rundgang noch. Das
sollte ein Scherz sein und ich hatte es auch so angelegt, dass er das sofort
hätte mitbekommen müssen. Aber nein, diese Art Humor lag im gar nicht.
Seine Miene verfinsterte sich sehr, er sah richtig sauer aus und forderte
mich inständig auf, sachlich zu antworten und diese Sache nicht als
Feixtanz anzusehen. Dann kramte er einen anderen Bogen hervor und
stellte bohrende Fragen, ob nicht doch noch irgendwo entfernte Verwandte
von mir wohnen würden, die ich alle mit nein beantworten konnte. Dann
stellte er die Behauptung auf, ihm sei zu Ohren gekommen, dass doch
irgendwo noch eine Schwester von mir in der Nähe von München leben
soll. Ich habe nie eine Schwester gehabt. Ich legte ihm die Sache dar und er
starrte mich dann lange ungläubig an. Immer wieder sagte er: "Überlegen
Sie ganz genau, bevor Sie antworten! Gibt es nicht doch noch irgendwo
Verwandte oder ehemalige Lebensgefährtinnen oder -gefährten?" Immer
antwortete ich freundlich, dass es da nichts geben würde. Als er die gleiche
Frage dann aber zum vielleicht 7 oder 8 Mal stellte, wurde es mir zu
dumm. Ich fragte ihn, ob sein Kurzzeitgedächtnis ausgefallen sei oder er
eine Schraube locker habe. Damit hatte er sichtlich nicht gerechnet. Diese
plötzlich ruppige Antwort von mir drückte ihn regelrecht nach hinten und
er rang nach Luft. Ich soll nicht frech werden, blökte er dann, schließlich
ginge es um meine Angaben, die nach seiner Meinung fehlerhaft oder
unvollständig wären. Dann verlor er die Lust weiter zu fragen und
beorderte mich in den Flur auf eine Wartebank. Nach über einer Stunde des
Wartens kam eine gehbehinderte Frau angehumpelt und bat mich in ein
helles, kleines Nachbarbüro. Die Frau sah uneinheitlich aus.
Wunderschöne, lange, glatt herunterfallende mittelblonde Haare, relativ
zierliche Figur, aber dann beim Zuwenden des Kopfes ein Gesicht, was zu
dem Rest des Körpers überhaupt nicht passen mochte. Das Gesicht sah aus,
wie die weibliche Reinkarnation des Klöckner von Notre Dames
beziehungsweise von Charles Laughton, diesem Schauspieler. Der Körper
zierlich und schlank, aber groß gewachsen, auch die Haare dazu passend,
von hinten fast wie man sich eine blonde Rapunzel vorstellt, und dann von
vorne ein aufgequollenes Gesicht, schräg, ungleichmäßig mit dicker
Stupsnase und riesigen runden Augen, wie Glasmurmeln, mit noch
riesigeren Augdeckeln und dicke Backen. Dazu noch eine ständig leichte
Schräghaltung des ganzen Körpers nach rechts, die vermutlich mit der
Gehbehinderung zu tun hatte. Es schien mir unmöglich, das ungefähre
Alter der Frau zu schätzen. Sie hätte 25, aber ebenso gut 52 Jahre alt sein
können. Sehr gepflegte Hände hatte sie, mit endlos langen, schlanken
Fingern. Naja, keiner hat sich selbst gemacht und ich will deswegen über
keinen herziehen, zumal ich finde, dass fast jeder Mensch irgendwie seinen
Reiz hat, gerade durch seine vielleicht ungewöhnlichen Besonderheiten.
Zuerst wurden Formalien ausgetauscht. Mit sehr leiser Stimme stellte die
Frau dann einige Fragen, die äußerst belanglos waren und die ich in keinem
Zusammenhang mit irgendwelchen Sohi-Aktionen einordnen würde.
Plötzlich mitten drin fragte sie dann im gleichen leisen Ton, wie es denn
meiner Frau so gehen würde. Nun, offiziell habe ich ja nur meine seit
langem geschiedene Frau vorzuweisen. Fast hätte ich mich verplappert und
gefragt, ob die damit gemeint wäre. Aber hätte ich so gefragt, dann hätte
ich im Ansatz damit auch die Möglichkeit in den Raum gestellt, dass es da
noch eine andere gibt. So antwortete ich nur, dass ich seit ungefähr 10
Jahren oder sogar noch länger, geschieden sei und nach meinem
Wissensstand meine Ex heute total verarmt irgendwo auf Sohikassenkosten
leben würde, obwohl sie damals bei der Scheidung fast alles zugesprochen
bekam. Ich fügte noch an, dass ich sie seit Jahren nicht mehr gesehen hätte.
Die Behördenfrau verzog die Mundwinkel stark nach unten und holte tief
Luft. Dann behauptete sie, der Behörde lägen andere Erkenntnisse vor.
Zudem habe ich falsche Angaben zu meiner beruflichen Vergangenheit
gemacht, ich hätte ja eine zeitlang einen selbstständigen Betrieb gehabt,
was die Anspruchslage ja wieder völlig verändern würde. Als ich zu einer
tiefgehenden Debatte ausholen wollte, blickte sie gezielt auf eine große
Wanduhr und brach mich im ersten Satz schon ab, indem sie sagte, dass sie
nun keine Zeit mehr habe und zu einer wichtigen Konferenz müsse. Sie
reichte mir einen Umschlag, der wieder einige neue, leere Zusatzbögen
enthielt, diese sollte ich zu Hause erneut gewissenhaft ausfüllen und dann
zuschicken. Das war's dann, ich könne nun nach Hause fahren. Nun war es
schon dreiviertel 4 am Nachmittag und gerade war ein Zug nach Stuttgart
weg. So musste ich im Bahnhof Schorndorf noch recht lange warten. Ich
ließ mir auf dem Bahnsteig die ganze Angelegenheit noch einmal durch
den Kopf gehen. Und ich sage Ihnen, das Ganze hat System, dahinter steckt
gezielt ein Konzept zur Einschüchterung künftiger Sohi-Geldempfänger,
damit die auf möglichst viele Ansprüche gleich freiwillig verzichten, um
sich weitere Befragungen der härteren Gangart zu ersparen. Aber nicht mit
mir! Und wenn ich jeden Tag nach Schorndorf fahren muss, das ist eine
Frechheit! Die eisenbahnmässige Rückfahrt nach Stuttgart verlief insoweit
problemlos, dieser Zug war fast menschenleer und nahezu nur für mich
gefahren. Gut, um diese Uhrzeit fahren die meisten wieder aus Stuttgart
raus und nicht rein. Ein angenehmes Erlebnis war diese Bahnreise
zweifellos nicht, schon gar nicht, wenn man bedenkt zu welchem Zweck
sie mich nach Schorndorf beförderte.

Die Segnungen der modernen Technik erfreuen längst nicht jeden, selbst
dann nicht immer, wenn man sich ihr selbst freiwillig aussetzt. Vor
längerem erwähnte ich bereits, dass ich kein Handy besitze und auch auf
keinen Fall eines haben möchte. Dabei sind die unnötigen Kosten nur ein
Ablehnungsfaktor für mich. 60 % der Handybesitzer sind nach meiner
Meinung Wichtigtuer, die in der geistigen Entwicklung auf einer Stufe mit
einem Kleinkind stehen. Der Rest teilt sich auf in verschiedene Gruppen.
Aber das soll mir egal sein, ich berichte Ihnen nun von einem lustigen
Vorfall eines genervten Handynutzers. Gehe ich letzten Mittwoch ohne
Ziel in der Stadt spazieren, auf der Gaußstraße in Richtung
Hauptmannsreute, da muss ich an der Abzweigung wo es unter der Bahn
hergeht zur Fichtestraße stehen bleiben, weil vorne ein Lastwagen entladen
wird. Aus dem Lastwagen steigt ein mittels Handy telefonierender Fahrer
aus, der lauthals schimpft. Dann schaltet er sein Handy ab und steckt es in
die obere Jackentasche. Ich stehe noch vorne am Abzweig zu der
Bahnunterführung, da klingelt sein Handy in der Tasche. Darüber gerät er
so in Rage, dass er das Gerät wütend aus der Tasche zerrt und mit voller
Wucht gegen eine benachbarte Hauswand schmeißt und dabei brüllend
schimpft. Das Handy überlebt diesen Vorfall natürlich nicht und zerspringt
in tausend bunte Plastikteile und es klingelt auch nicht mehr. Abschalten
wäre sicherlich die einfachere Lösung gewesen, denn soweit ich weiß,
kann man ein Handy doch im Gegensatz zum normalen Telefon einfach
abschalten. Nun habe ich keine Vorstellung, was ein solches Handy wert
ist, aber seine Reaktion bestätigt auch einen meiner Hauptgründe, sich kein
Handy zuzulegen. Ich will einfach nicht dauernd erreichbar sein, auf gar
keinen Fall! Gewiss gibt es Berufe und Positionen, in denen dauernde
Erreichbarkeit wichtig und sinnvoll ist, aber schauen Sie sich doch einmal
die Mehrzahl der heutigen Handybesitzer an. Die meisten Handys werden
von Schülern benutzt und wer will mir erzählen, dass Schüler in so
wichtiger Position sind, dass sie dauerhaft erreichbar sein müssen? Ähnlich
setzt es sich aber bei den anderen Leuten fort. Jeder Idiot glaubt, solch ein
Ding haben zu müssen. Hinzu kommen natürlich noch die überzogenen
Kosten. Ich bleibe dabei, ich brauche kein Handy und ich will kein Handy,
auch in den nächsten 5 Jahren nicht. Ich würde selbst dann kein Handy
wollen, wenn ich 10 Millionen Euro auf dem Konto hätte und mit dem
Geld nichts anzufangen wüsste.

Ein furchtbares Getöse entstand diese Tage hier im rechten Treppenhaus,
welches unweit meiner Wohnung liegt. Es waren an der Decke verankerte
Blumentöpfe abgestürzt und mit entsprechendem Lärm und Dreck weiter
die Treppenstufen heruntergedonnert. Vor einiger Zeit wurden die
Treppenhäuser und Flure einer Verschönerungsaktion unterzogen, ich
glaube irgendwann hatte ich Ihnen schon davon kurz berichtet. Dabei
wurden auch ein paar Blumenampeln und ähnliche Hängetöpfe an der
Decke des Treppenhauses in der Nähe der Zwischenpodeste befestigt. Das
sah frisch aus und war eigentlich keine schlechte Idee. Da die Firma, die
diese Sachen dort aufgehangen hatte, keine passenden Befestigungsanker
oder dergleichen mitführte, haben die in die Deckendübel einfach eine
normale Schraube eingedreht, daran eine Schelle befestigt und in die
Schelle eine Schlaufe aus einem solchen modernen Kabelbinder aus Nylon
gezogen, der dann den jeweiligen Hänge-Blumentopf hält. Das klappt so
eigentlich auch ganz gut, diese Kabelbinder sind sehr stabil, aber wenn sie
lange direkter Sonnenbestrahlung ausgesetzt sind, dann wird der
Nylonkunststoff spröde und brüchig. So auch hier. Nach einem guten
halben Jahr in dieser Position zerriss deshalb ein solches Teil und der daran
befestigte Topf stürzte in die Tiefe. Nicht auszudenken, was passiert wäre,
wenn gerade jemand die Treppe heraufgekommen wäre. Gekrönten
Hauptes wäre der mit abgestützt. Eigentlich sollte diese Befestigungsart
nur eine kurzfristige Notlösung sein und nach wenigen Tagen durch
ordentliche Metallhalter ersetzt werden. Das wurde dann aber vergessen.

Vandalismus ist eine weitere Plage unserer Zeit. Etliche hundert Meter
weiter wurden im Wiesenbereich eines Mietshauses nun Bäume das Opfer
von hirnkranken Vandalen. Meist sagt man, dass Vandalen nur das
zerstören, was sich mit wenig Arbeit schnell schädigen lässt, hier nicht. Die
haben sich richtig Mühe gemacht, denn die Bäume wurden angesägt, einer
so weit, bis er abgebrochen ist, etliche andere nur so weit, dass sie
eingehen werden. Eigentlich hätte das beobachtet oder gehört werden
müssen, denn man sägt nicht geräuschlos. Ein Polizist meinte, vermutlich
hätten die genug Dreistigkeit besessen, am helllichten Werktage mit einer
Motorsäge ihr Werk anzurichten. Denn dann herrscht auf der
vorbeiführenden Straße soviel Verkehrslärm, dass das Geräusch einer
Motorsäge weniger auffällt, als wie wenn jemand eine halbe Stunde lang
mit einer Handsäge herumfummelt. Mit einer Motorsäge hat man diese
Schäden zweifellos innerhalb weniger Minuten in die Tat umgesetzt.

Ein Geschäft für Computer verschenkt nun Sachen. So bekommt jeder
Kunde, der zu bestimmten Tageszeiten dort einkaufen geht, beispielsweise
morgens, eine Zehnerpackung mit Disketten geschenkt. Nun ist mir bei
dieser Angelegenheit erst richtig bewusst geworden, dass diese normalen
Disketten heute eigentlich überhaupt nicht mehr gebraucht werden. Früher,
bei meinem alten Computer hatte ich immer 5 Disketten griffbereit auf dem
Tisch liegen, um ab und zu wichtige Dinge zu sichern. Aber seit dem ich
fast nur noch mit dem Toshiba-Notebook zugange bin, habe ich keine
Diskette mehr angefasst. Alle 3 Monate brenne ich angesammelte Daten
auf eine CD, weil das mit dem Gerät ja geht. Selbst der Discounter um die
Ecke hat CDS oft sehr billig und es geht viel darauf. Eigentlich ist es eine
Schande, dass man es gar nicht ausnutzt jede CD voll zu bekommen, aber
würde ich das tun, dann müsste ich ein Jahr lang warten, bevor ich eine 
CD brenne. Mit der Handhabung des Brennsoftwareprogramms habe ich so
meine Schwierigkeiten. Ich glaube, es liegt an mangelnder Erfahrung, weil
ich es nur alle 3 Monate einmal benutze. Zu Anbeginn der Notebookzeit
hatte ich mal eine Packung mit 10 rohen CDS erworben, davon zehre ich
heute noch.

Vielleicht komme ich am Samstag wieder zu einer Busreise. Ich erzählte
Ihnen vor einigen Wochen von der Fast-Zum-Nulltarif - Busfahrt nach
Dortmund. Gleiches Busunternehmen, anderer Zielort! Die haben nun am
Samstag einen Bus an den Stuttgarter Reit- und Fahrverein vermietet. Die
Reise geht von Stuttgart-Hohenheim in die Eifel. Prüm heißt der Ort,
wohin es dort genau geht. Dort gibt es eine Großveranstaltung für
Pferdefreunde und die ist das Ziel der Buspächter. Es kommt ein Bus mit
36 Sitzplätzen zum Einsatz, dieser Verein belegt aber mangels reisewilliger
Mitglieder davon nur 24, der Rest wird wieder zu einer reinen
Versicherungssumme an beliebige Interessenten vergeben. Der
Versicherungsanteil beträgt diesmal pro Mitreisendem 7,29 Euro und die
Fahrt beginnt sehr früh, nämlich um 4.50 Uhr in Stuttgart-Hohenheim. Für
die Pferdefreunde aus dem Reit- und Fahrverein ist im Buspreis auch schon
der Eintritt in diese Pferdemarkt-Veranstaltung enthalten, die zahlen aber
auch über 70 Euro pro Kopf. Wir indessen reisen nur mit bis vor die
Pforten der Veranstaltung und haben dann bis nachmittags etwa 16 Uhr
Zeit, uns den Tag dort selbst einzuteilen. Es wäre auch möglich, diese
Veranstaltung zu besuchen, dann müssten wir vor Ort dafür sicherlich eine
Karte lösen. Nun interessiere ich mich nicht für Pferde und Kayla nur ein
bisschen, jedenfalls nicht genug, um mehrere Stunden damit zu verbringen.
Wir haben uns aber vorgenommen, diese Busfahrt mitzumachen. Ich habe
uns schon angemeldet und die 14,58 Euro für uns beide beim
Busunternehmen bezahlt. Ich weiß nicht, was es in Prüm sonst noch zu
sehen gibt, aber ich vermute, dass es in der Eifel zur Not viel Natur gibt,
die man durchwandern kann. Vor Jahren war ich schon ein paar mal in der
Eifel aufgrund eines Therapieprogramms wegen meiner Erkrankung. Das
waren aber jedes Mal nur ein paar Tage an verschiedenen Orten. Wir
wurden mittels eines Kleinbusses zu verschiedenen Orten gefahren. Die
meisten davon könnte ich Ihnen heute gar nicht mehr namentlich benennen,
aber soweit ich mich entsinne, sind wir dabei auch kurz in Prüm gewesen
und von dort ging es eine länger dauernde Fahrt an die Mosel. Irgendwo
kurz hinter oder vor Dockweiler, je nachdem von welcher Seite man das
betrachtet, hatten wir noch eine Pinkelpause eingelegt. Man konnte von
dieser Stelle auf ein Ortschild mit dem Namen Dockweiler schauen, daher
habe ich diesen etwas eigenartigen Namen noch im Gedächtnis.
Hoffentlich regnet es am Samstag dort in der Eifel nicht.

In der nächsten Woche habe ich wieder einen Umzugs-Helfertermin für
Dienstag, zusammen mit meinem Bekannten, der diese winzige
Umzugsfirma gegründet hat. Sonst sind es meist relativ nahe Umzüge,
vorwiegend sogar innerhalb des Stadtbereiches, die er an Land zieht, aber
dieses mal haben wir deutlich mehr zu fahren. Ein älterer Herr zieht von
der Stuttgarter Innenstadt nach Frickenhausen, in ein Haus welches direkt
20 m neben der Eisenbahn liegt. Aber viel Eisenbahnverkehr ist dort nicht
mehr, es ist eine Museumseisenbahn. Ich weiß nicht ob überhaupt noch
regelmäßiger Museumsbahnverkehr stattfindet. Der Mann ist noch sehr
rüstig, obwohl er schon 83 Jahre alt ist. Er hat viele Sachen, die mit
umzuziehen haben, denn nach den Berechnungen meines Bekannten, der
sich das Umzugsvolumen schon einmal angesehen hat, werden wir mit
zwei Ford-Transit-Kastenwagen mindestens 8 mal fahren müssen. Daher
gehe ich davon aus, dass wir das gar nicht am Dienstag alleine schaffen
werden. Dafür geht mindestens der ganze Mittwoch und vielleicht noch ein
Stück Donnerstag mit drauf. Dafür gibt es ordentlich Knete und das ist ja
auch schön. Es gibt ja Namen, die gibt es gar nicht, würde man sagen, aber
der rüstige alte Herr heißt mit Nachnamen Zickendraht und somit ist er in
gewisser Weise ein Leidensgenosse von mir, da auch mit einem Namen
ausgestattet, der meist bei den Leuten für Belustigung sorgt, sobald er
genannt wird. Aber im Laufe der Zeit kennt man alle Witze, die sich über
diesen Namen machen lassen und man findet's langweilig. Wenn mich
zum Beispiel einer mit der Frage begrüßt, wie viele Lappen ich denn heute
schon gekeult hätte, reagiere ich schon gar nicht mehr darauf. Mein
Vorname ist auch nicht gerade einer der häufigsten und so wurde ich stets
mit derartigen Bemerkungen eingedeckt, besonders in der Schulzeit.

Wenn ich schweißen könnte, dann hätte ich diese Woche einen guten
Nebenverdienst einheimsen können. Aber das kann ich nicht. Ein kleiner
Metallbaubetrieb hier in der Nähe suchte Handlanger, die gut schweißen
können, um an Eisentürrahmen irgendwelche Haltebleche anzuschweißen.
Die eigenen Kräfte waren alle mit Außenaufträgen gebunden und konnten
das dadurch nicht erledigen. Von jemandem hörte ich, dass die pro Tag mit
jeweils 8 Stunden Arbeit 250 Euro gezahlt haben, weil es so dringend war.
Das war aber eine Sache für insgesamt nur 4 Tage, aber immerhin 1.000
Euro in 4 Tagen, dafür kann man sich gerne 8 Stunden ans schweißen
geben, wenn man's kann.

Graubunte Grüße

Ihr

Egbert Lappenkeuler