LPK-B4

Auf dieser Seite finden Sie die beiden Lappenkeuler - Beiträge “Umzugshelfer” und “Evolution” aus dem Jahre 2004. Beide Textbeiträge können hier direkt gelesen werden oder auch als jeweils eigenständige PDF - Datei heruntergeladen werden.

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Beitrag 1

Lappenkeuler - Brief / Email "Umzugshelfer" vom 25.05.2004

Ein Sonneneis-Hallo.

Die kleinen Eisheiligen zeigen sich, bei zeitweise sonnigem Wetter fühlt
man sich auf den Arm genommen, sobald man vor die Türe tritt, da die
Temperatur nach meiner Meinung nicht zu dem Bild passt, welches man
hat, wenn man aus dem Fenster schaut. Gewiss gibt es Schlimmeres, im
Haus funktioniert die Heizung prächtig und auch im Suzuki die Heizung
kann man nur loben. Früher auf dem Motorroller hätte ich bei dem Wetter
wieder geflucht, weil es nur so aussieht, als könne man schöne Kurzreisen
unternehmen. Das macht auf dem kalten Bock eines Motorrollers bei den
heutigen Temperaturen aber keine Freude. So kann ich jetzt mit Wonne im
Suzuki mit oder ohne Kayla reisen, ohne mir dabei gleich den Verdacht
aufdrängen zu lassen, mit jeder Reise meinen Körper abhärten zu wollen.

Zu etwas anderem. Beinahe hätte ich ungerechtfertigter Weise einen Disput
mit meinem Email-Provider ins Leben gerufen. In den letzten beiden
Wochen erhielt ich täglich Email-Aufforderungen, endlich meine
Jahresgebühr für meine Emailadresse zu begleichen. Angeblich handle es
sich um einen Betrag in der Höhe von 25,99 Euro plus 2 Euro Mahnkosten.
Nun habe ich meine Emailadresse bei einer Firma, die diesen Service
schon seit Jahren kostenlos anbietet, sonst hätte ich sie auch gar nicht. Was
mich dann dazu noch sehr verblüfft hat war, dass der Absender der
Zahlungsaufforderung die exakt gleiche Emailadresse trug, wie ich selber,
es wirkte so, als ob ich mir die Email selbst geschrieben hätte. Bevor ich
mit meinem echten Anbieter schriftlich schimpfen wollte, habe ich deren
Info-Zentrale eine Anfrage diesbezüglich per Email geschickt. Einige Tage
danach kam aber eine Entwarnung und der Hinweis, dass ich bloß nicht
diese Rechnungsforderung begleichen soll, da es sich um Betrüger handle,
die derzeit in großem Stil in gesamt Europa mit dieser Masche versuchen
an Geld zu kommen. Ich halte es für eine Unverschämtheit, dazu meine
eigene Emailadresse zweckzuentfremden, aber der Antworter von der
echten Firma erklärte mir, dies sei ganz einfach, wenn man über ein
entsprechendes Programm verfüge, welches die Emailadresse in einer
beliebigen Email gegen eine willkürlich gewählte, z.B. meine, austauschen
würde und das obwohl der ureigentliche Versender in Wahrheit eine ganz
andere Emailadresse besitzt. Das ist gewiss der Fluch der modernen
Technik und der Berater teilte mir mit, dass schon seit Jahren an einem
System gearbeitet würde, welches diese Möglichkeiten unterbinden soll,
aber dieses System funktioniere bis heute leider nicht. Die Hersteller
versprechen allerdings, dass es spätestens bis nächstes Jahr funktionieren
soll. Sollten Sie also ebenfalls Zahlungsaufforderungen von Ihrer eigenen
Emailadresse oder von meiner Emailadresse erhalten, so werfen Sie sie
weg, sie stammen nicht wirklich von mir oder von Ihrem Provider.

Der vor einigen Wochen mitgeteilte Bericht meinerseits über die
Schwierigkeiten, die die Ausländerbehörde Kayla zu machen drohte,
scheint nun hinfällig zu sein. Es kam nach der Befragungsaktion nun ein
kurzes Schreiben, wonach Kayla zunächst ein befristetes Bleiberecht für
ein halbes Jahr, zählend ab Juni 2004, bescheinigt wird. Wie es danach
weitergeht, müsse dann zu einem späteren Zeitpunkt geklärt werden.
Möglicherweise hat hier wieder einmal die Hilfestellung von Herrn Smelka
gewirkt und ich bekomme langsam schon Angst, wenn ich daran denke,
dass Herr Smelka, der ja auch nicht mehr der Jüngste ist, bald in Pension
geht und wer löst dann die Probleme, wenn er weg ist? Ich habe den
Eindruck, die meisten anderen Beschäftigten bei diesen Behörden machen
nur Probleme und er ist einer der wenigen, wenn nicht sogar der Einzige,
der Probleme zu lösen vermag.

Eine Unverschämtheit oberster Größenordnung leistete sich neulich ein
Bewohner eines benachbarten Wohnblocks. Der miese Schleiderer fragte
doch unten am Hauseingang beim Reingehen ins Haus meine Kayla frech,
ob er mit ihr nicht für 20 Euro mal ein paar Stündchen Sex haben könne.
Kayla hat ihm sogleich ihre Schultertasche auf die dumme Rübe gehauen,
damit hatte er wohl nicht gerechnet und zudem hatte er dann Nasenbluten
und sich sofort aus dem Staub gemacht. Es gibt hier schon asoziale
Dreckschweine, aber die gibt es heute überall und man darf es sicher nicht
überbewerten, eigentlich wohnt es sich hier ganz gut, oder sogar sehr gut.
Ich habe noch niemals zuvor in einem Haus gewohnt, wo man so frei und
unabhängig und eigentlich auch unbehelligt und unbeobachtet wohnen
kann. Selbst als ich früher einmal in einem gemieteten Einfamilienhaus
wohnte, es ist sehr sehr lange her, war immer ein Nachbar auf den anderen
aus. Jeder stand dauernd unter Beobachtung und das trieb zuweilen schon
komische Blüten. Kaufte sich der Nachbar X ein neues Auto, so dauerte es
garantiert keine Woche, dann kam der Nachbar Y ebenfalls mit einem
neuen Auto vorgefahren, welches mindestens zwei Nummern größer und
teurer war, als das vom X und das selbst dann, wenn der Y sich erst ein
Jahr zuvor schon einen neuen Wagen gekauft hatte. So waren aber dort
nicht nur X und Y sondern fast alle Nachbarn drauf. Wenn einer anfing und
kam mit einem neuen Wagen, dann hatte nach einem Monat jeder in der
Straße einen neuen Wagen. Alle Häuschen hatten nach Norm gepflegte
Vorgärten, einer sah aus wie der andere, das hat mir nie gefallen. Deshalb
kaufte ich einmal einen riesigen Fliederstrauch in violett und zwei weitere
in weiß, die die violetten umrandeten. Es waren schon teilgewachsene
Größen, die mit etwas Aufwand eingesetzt werden mussten. Damit war der
Bann des üblichen Bildes gebrochen, ich der Einzige, der Flieder im
Vorgarten stehen hatte. Zuerst ging ein spürbares Raunen durch die
Siedlung, wie konnte ich es nur wagen. Doch, und das ist wahrhaftig keine
Geschichte vom Baron Münchhausen, nach allerhöchstens zwei Wochen
prangten in mindestens 8 von 10 Nachbarsvorgärten gleichartige
Gewächse, nur dass dort nicht nur 3 Fliedersträucher standen, sondern
mindestens 5 davon. Das war schon verrückt dort und obwohl das
Häuschen schön war, war ich heilfroh, als wir von dort weggezogen sind,
alles gegen- und aufeinander eingeschworene Schleimer und Affen, die
alles nachmachen. Aus purer Neugierde, wie es dort heute wohl aussehen
mag, nach über 15 oder mehr Jahren meiner Abwesenheit von dort, bin ich
vorige Woche mit dem Suzuki nochmals dorthin gefahren. Das liegt von
hier ungefähr 8 Kilometer entfernt. Meine Nachbetrachtung bekommt fast
schon satirische Züge, denn vor einem Haus stand ein Leichenwagen, ein
damaliger Übernachbar von mir hatte wohl das Rennen um diese ganzen
Attribute verloren und das Zeitliche gesegnet. Leicht nachdenklich blieb
ich stehen und fragte mich ernsthaft, ob in den nächsten Wochen auch an
allen anderen Häusern Leichenwagen stehen werden, die, natürlich mit
jeweils noch besseren Särgen ausgerüstet, als beim Nachbarn, den
ehemaligen Hausherrn entsorgen.
Mir treibt es heute noch vor Verwunderung Schweißtropfen auf die Stirn,
dass ich früher einmal freiwillig dorthin gezogen war. Heute fände ich es
völlig undenkbar, wobei meine unmögliche Finanzlage dabei noch das
kleinste Hindernis bietet. Ich würde heute selbst dann nicht dort hinziehen,
wenn man mir eine Wohnung dort schenken würde.

Kleine Aufbesserungen der Haushaltskasse sind zwischendurch gerne
gesehen und ein entfernter Bekannter meldete sich bei mir. Er suchte eine
Aushilfe für einen Umzug. Er betreibt eigentlich ein kleines 2-Mann-
Unternehmen für leichte Frachten und Kleintransporte. So hatte er einen
Umzugsauftrag an Land gezogen, der aber noch am gleichen Wochenende
komplett über die Bühne gehen musste. Mit der Arbeitskraft seines
Hilfsarbeiters und von sich selbst war das aber in dieser kurzen Zeit nicht
zu schaffen, so war ich ihm wohl eingefallen. Ich hatte ihm vor einiger Zeit
schon mal geholfen. Den Auftrag wollte er aber auch nicht sausen lassen,
weil es eine gute Bezahlung gab. So entschloss er sich, zusätzlich zu
seinem Kleinlastwagen noch einen weiteren anzumieten, den ich dann
fahren sollte. Das Fahren wäre ja noch soweit in Ordnung gewesen, aber
mit dem Schleppen von Möbeln und Umzugskartons habe ich es eigentlich
nicht so. Das Knistern von 600 Euro in großen Scheinen hat mich dann
aber doch überzeugt und umgestimmt. Sein Kunde scheint wirklich
großzügige Entlohung zugesagt zu haben, denn sonst würde er nicht alleine
für mich als Helfer 600 Euro auswerfen. Zuerst fuhren wir zusammen mit
seinem Hilfsarbeiter in seinem Kleinlastwagen, einem betagten Iveco-Fiat,
der schon ziemlich klappert, als würde er bald die Türen verlieren, der aber
trotzdem selbst bei voller Beladung noch kräftig durchzieht, zu einer
Autovermietung im Westend. Dort bekam ich einen im Zustand deutlich
besseren Ford-Transit verpasst und ich sollte ab dort den anderen einfach
mit dem Transit folgen. Sie wissen, ich bin den kleinen Suzuki gewohnt
und der Transit ist immerhin 2 Meter breit, was schon wahre LKW-Maße
sind, dann ist er im Fahrerhaus viel komfortabler, als mein Suzuki obwohl
es ja eigentlich ein Arbeitstier ist. Bei dem Autovermieter stand auch ein
VW-Bulli, der wäre mir als Leihwagen zuerst lieber gewesen, weil er nicht
gleich ganz so breit ist, wie so ein Ford-Transit, aber mein Bekannter
bestand auf dem Transit, weil da mehr rein geht. Zuerst war es auch innen
im Transit ein Akt der Angewöhnung, da man sich darin im Vergleich zu
meinem Suzuki geradezu verlaufen kann. Anfangs bin ich wegen der sehr
ungewohnten Abmessungen übervorsichtig gefahren und mein Kumpel im
Iveco wurde schon leicht nervös und fragte später nach, ob denn bei mir
alles in Ordnung wäre, da ich in den ersten 20 Minuten wohl selten
schneller als 30 km/h damit gefahren bin. Später habe ich mich dann bis 50
km/h hochgetraut. So sind wir dann von dort in den östlich gelegenen
Stadtteil Gaisburg gefahren, wo sein Auftraggeber noch wohnte. In der
Schlüsselwiesen, welch ein idiotischer Straßenname, sind wir dann in eine
Wohnung in einem Vierfamilienhaus zu dem Auftraggeber. Ein zum
Durchbrechen dünner, hagerer Mann, relativ groß, mit eckiger Brille, von
Beruf hätte ich auf Berufssoldat oder Sportlehrer getippt, im Nachhinein
erfuhr ich dann später, dass er Ausbilder an einer Polizeischule war, aber
seit einem Jahr pensioniert ist. Er wohnte zum Glück in einer
Erdgeschosswohnung, was mich innerlich schon erleichterte, er war recht
freundlich, redete aber komisch. Eine eigenartige Art zu sprechen hatte er,
kurze Sätze, mit Stockungen nach ungefähr jeweils 3 Worten, nicht weil
der Satzbau oder die Betonung es verlangten, sondern scheinbar aus
Prinzip, weil 3 Worte am Stück gesprochen ihm genug erschienen und
dann erst einmal mit einer Pause gewürdigt werden mussten, so als stünde
dort ein Komma. Das hört sich harmlos an, es macht einen aber auf Dauer
wahnsinnig, wenn man so in Wortpaketen angesprochen wird, das kann
man nicht richtig erklären, man muss das selbst gehört haben. Mein
Bekannter und sein Hilfsboy beluden den Iveco-Laster und dieser
Wohnungsinhaber und ich beluden den Transit. Der Kerl war drahtig-
zackig und hatte eine gute Kondition, da konnte ich nicht mithalten. Wenn
mir schon die Luft wegblieb vom Schleppen einer schweren
Eichenkommode, merkte man dem gar nichts an, so als käme er gerade
vom gemütlichen Morgenspaziergang zurück. Ich war heilfroh, als der
Transit nach einer dreiviertel Stunde so voll bepackt war, dass nicht noch
mehr geschleppt werden musste. Wir hätten doch den VW-Bulli nehmen
sollen, dachte ich zuvor schon, da hätte weniger reingepasst und die
Schlepperei hätte früher eine Pause bekommen. Nachher wunderte ich
mich selbst darüber, wie wir die schwere Kommode überhaupt in den
Transit bekommen haben, aber sie war drin, als sei es das
Selbstverständlichste von der Welt. Als der Transit voll war, musste ich
warten, weil im Iveco noch nicht alle Teile verzurrt waren. Zum Glück fuhr
der Drahtige vorne im Iveco mit, weil der vorausfahren sollte und er den
Weg erklären musste. So brauchte ich mir während der Fahrt nicht weiter
die Wortpakete von dem anzuhören. Dafür fuhr der Hilfsboy von meinem
Bekannten bei mir im Transit mit. Er ist wohl Halbitaliener, das heißt seine
Mutter ist Italienerin und sein Vater stammt aus Zuffenhausen. Er war ein
unaufhörlicher Quell der Unterhaltung. Ich weiß nicht mehr richtig, was
der alles in der Zeit des Fahrens erzählt hat, aber er erzählte unaufhörlich.
Eigentlich hatte der wohl Autolackierer gelernt, ist nun aber schon seit
einigen Jahren als Helfer bei meinem Bekannten in Teilzeitarbeit oder auf
Abruf. Der hat ja auch nicht immer Aufträge, wo er den braucht. Die Fahrt
ging quer rüber in den äußersten Nordwesten, nach Weilimdorf, das liegt
neben der früher einmal relativ bekannten Rennstrecke Solitude, die aber
heute wohl kaum noch eine wirkliche Rolle im Renngeschehen spielt, auch
weil dazu öffentliche Straßen teils abgesperrt werden müssen, da diese
Bestandteil der Solitude sind. Weilimdorf ist ein Stadtteil, oder soll man es
noch eigenständig nennen? - Ich nenne es Stadtteil, also es ist ein Stadtteil,
der komprimiert auf recht kleinem Raum nur so von den in einer Stadt nur
vorstellbaren Gegensätzen so strotzt. Es gibt typische Arbeitersiedlungen,
alte Einkaufs- und Ortskernstraßen, es gibt Asozialenviertel, es gibt ein
paar Hochhäuser, die aber noch in der Höhe in einem leicht erträglichen
Maß liegen, vielleicht maximal 6 bis 8 Stockwerke und dann gibt es aber
auch Nobelviertel, sehr kleine aber längenmässig doch ausgedehnte,
besonders hinten an der Göslarer Straße an dem kleinen See vorbei. Nicht
am Tachensee, der zwischen Weilimdorf und Korntal liegt, sondern weiter
südöstlich am Lindenbachsee. Der wird so genannt, weil durch den See ein
Bach fließt, eben der Lindenbach. Sinnvollerweise gibt es dort auch eine
Lindenbachstraße und genau dorthin sollte der Umzug gehen. Alle
Achtung, wie sich ein ehemaliger Polizeiausbilder eine Bleibe in dieser
sehr beschaulich-teuren Ecke leisten kann, das war mir ein Rätsel, aber es
war so. Mein Beifahrer, der Halbitaliener, war auch schon am lästern. Wir
hatten das Zielhaus aber noch nicht gefunden, wir im Transit fuhren
ohnehin nur blindvertrauend den anderen hinterher. Schließlich
angekommen glauben wir unseren Augen nicht zu trauen, denn es ging ins
vorletzte Haus in dieser Straße, mehr oder weniger schon fest am See. Ein
tolles Anwesen, ein recht modernes, großes Ein- bis Zweifamilienhaus,
schätzungsweise dem Baustil nach etwa 1975 erbaut, großes Grundstück,
alles feinster Rasen ohne jedes noch so kleine Unkraut dazwischen, zum
See hin leicht abfallend, wie eine riesige Wiese, umgeben zuerst von einer
dichten hohen Hecke und dann noch von einem stabilen Stahlgitterzaun,
der sicherlich 2,5 m hoch ist. Hier und da noch paar alte Bäume auf der
Wiese, einfach traumhaft. Ich kenne mich mit heutigen Preisen für
Immobilien nicht aus, aber unter einer Million läuft da gewiss gar nichts,
soviel steht fest. Wir also dort raus, der Auftraggeber springt zur Haustüre,
schließt auf und sperrt diese mit einigen Handgriffen noch weiter auf. Es
gibt eine Art Rahmen an der Tür, der normalerweise fest ist, den man aber
für Möbeltransporte auch noch aufklappen kann, wodurch sich die
Türweite nochmals um ein Drittel vergrößert. Was es nicht alles so gibt.
Das Haus ist innen sehr groß und auffallend kühl. Nach den Anweisungen
des ehemaligen Polizeiausbilders verteilen wir die Möbelstücke und Kisten
in den unterschiedlichsten Räumen im Keller und im Erdgeschoss, aber
nichts im ersten Stock. Alleine das Wohnzimmer besitzt schätzungsweise
70 bis 80 m² Größe, das Esszimmer 50 m² und die Küche auch locker 60
m². Alleine in der Küche brächte man meine ganze Mietwohnung ohne
Mühe zweimal drin unter. Einerseits äußerst beeindruckend, aber zugleich
bedaure ich die- oder denjenigen, der das alles sauber halten muss. Das war
noch nicht alles, wir mussten dann noch eine zweite Fuhre in Gaisburg
holen und in dem Haus verteilen. Trotz der Unmengen Zeug, welches so
gesehen auf 4 LKW - Ladungen dicht gepackt verteilt war, wirkten die
meisten Räume in der neuen Bleibe des Herrn noch spartanisch und leer,
was zeigt, wie viel Platz in diesem Haus ist. Was mir dann weniger Freude
bereitete, auf der Zwischenrückfahrt fuhr der Auftraggeber bei mir als
Beifahrer mit. Aber dadurch erfuhr ich etwas über die näheren Umstände
seines Umzugs. Er hatte 1998 geheiratet, seine Frau stammte aus
Weilimdorf und deren Eltern, ehemalige Unternehmer, bewohnten das
teure Haus, in welches er nun alleine einzieht. Schon im Jahre 2000 ging
seine Ehe eigentlich in die Brüche, aber man trennte sich nur so, ohne echte
Scheidung, das wollte man später nachholen. Seine Frau zog damals schon
aus der gemeinsamen Wohnung in der Schlüsselwiesen - Straße aus und
irgendwo nach Vaihingen in eine eigene Wohnung. So ging jeder seiner
Wege und man kümmerte sich nicht mehr umeinander. Irgendwann im
letzten Jahr wurde seine Halb-Ex-Frau dann schlagartig schwer krank und
verstarb nach nur zwei Tagen im Krankenhaus. Da beide offiziell noch
immer verheiratet waren, erbte er zuerst deren Wohnung nebst Inventar in
Vaihingen, die sie erst im Jahre 2002 käuflich erworben hatte, nachdem sie
sie zuerst gemietet hatte. Nun waren aber auch, was er noch gar nicht
wusste, weil ihm seine Halb-Ex-Frau das nie mitgeteilt hatte, bereits schon
Ende 2002 die Eltern der Frau kurz hintereinander verstorben, denen das
Haus gehörte, was er nun bezieht. Da seine Frau das einzige Kind war,
erbte sie das Haus und nun erbte er auch das dadurch noch. Die Wohnung
in Vaihingen hat er gleich verkauft und das Geld gut angelegt, seine eigene
alte Wohnung in Gaisburg gehörte auch im selbst und die hat er nun
verkauft und zieht halt in das viel schönere Haus in Weilimdorf ein. Der ist
nun sicherlich mehrfacher Millionär, denn er ließ durchblicken, dass die
Eltern der Frau auch noch beachtliche Geldbeträge sowie eine hohe
Beteiligung an ihrem früheren Unternehmen, welches heute eigentlich in
anderer Hand ist, übrig ließen, die nun auf diesem ungewöhnlichen,
vereckten Weg ebenfalls ihm zugefallen sind. Das sind Schicksale, was?!
So etwas müsste mir einmal passieren. Aber nein, ich bin froh, wenn
wenigstens alles so bleibt, wie es jetzt ist, was will man mehr? Als wir mit
der letzten Fuhre fertig waren, hat der Auftraggeber zusätzlich noch jedem
einen schönen Präsentkorb geschenkt, der reichlich mit leckeren
Lebensmitteln gefüllt war. Erstklassige Würste, echten französischen Käse
und andere Leckereien. So knotterig der Herr auf Anhieb auch wirkte, dass
hätte ich ihm alles gar nicht zugetraut. Ich glaube der hat auch selbst noch
gar nicht so ganz begriffen, was ihm da alles an glücklichen Fügungen
widerfahren ist, das merkte man bei seinen Schilderungen auf der
Rückfahrt. Hätten die nur, wie geplant, das Ziel der Scheidung nach einiger
Zeit durchgezogen, dann hätte er das alles heute nicht.

Solch einen Fall gibt es sicher einen unter Hunderttausenden oder noch
seltener und mir hätte das mit meiner damaligen Frau, lang ist's her, nicht
passieren können. Die hätte es nie geschafft, irgendwelche Vermögen erst
anzuhäufen, egal wie hoch die Beträge auch gewesen wären, die sie
vielleicht von Eltern oder sonstigen Verwandten geerbt hätte. Bei ihr war
das Geld immer schneller wieder ausgegeben, als es hereinkam, egal wie
hoch die Beträge auch waren. Sie wissen, ich erwähnte es vielleicht
irgendwann schon andeutungsweise einmal kurz, ich traure meiner schon
vor über 15 Jahren geplatzten Ehe und dieser Frau nicht nach, keine
Sekunde und eigentlich ist es mir auch völlig egal, wie es ihr heute geht.
Jeder Baum auf einer benachbarten Wiese ist mir wichtiger. Ich kann noch
nicht einmal behaupten, dass wir uns im Streit getrennt haben, aber im
Frieden auch nicht, eher in völliger Gleichgültigkeit. Sie hätte damals von
mir aus mit einer Rakete zum Mond geschossen werden können, ich hätt's
kommentarlos mit einem Achselzucken hingenommen. Trotz allem wurde
mir neulich zugetragen, dass sie heute sogar wieder im Raum Stuttgart,
genauer oben in Oeffingen, wohnen soll und total verarmt sei, mit endlosen
Schulden bis in die letzte Haarspitze. Das wundert mich gar nicht. Zum
Zeitpunkt unserer Scheidung hatte sie wirtschaftlich die bessere Karte
gezogen und ist mit einem Plus von über 120.000 Mark aus unserer Ehe
hervorgegangen, während mir im direkten Vergleich damals außer dem fast
schon mittelalterlichen Auto und ein paar gebrauchsträchtigen Möbeln, die
ich teils sogar heute noch habe, fast nichts blieb. Ich vermute, die hat kein
Jahr gebraucht, um die 120.000 Mark durchzubringen, wahrscheinlich noch
nicht einmal ein halbes. Zuerst mal fett Urlaub in der Südsee, dann laufend
sinnlose Anschaffungen. Vermutlich hat sie sich dann wieder irgendwelche
vermögenden Kerle geangelt, die sie aushalten, jedoch so was klappt nur
zeitlich befristet und ist selten von langer Dauer. Spätestens dann, wenn die
Kerle mitbekommen haben, wie die drauf ist, war's auch schon zuende.
Jünger sind wir alle nicht geworden und Kerle, die sie aushalten, wird sie
heute auch kaum noch finden, weil die auf frisches Gemüse stehen und
nicht an ausgelutschten Zitronenschalen nagen wollen. Vielleicht kann man
es auch schleichende Gerechtigkeit nennen, damals hat sie die bessere
Karte gezogen und heute steht sie mit weniger da, als ich und das will
schon was heißen.
Da lob ich mir Frauen wie Kayla, solche Anwandlungen der Konsumsucht
kennt sie gar nicht, ist mit dem zufrieden, was machbar ist, egal wie viel
oder wie wenig das ist. Sie hat schnell im Gespür, wie viel man monatlich
ausgeben kann, ohne jemals an die Grenzen des Möglichen zu stoßen.
Auch diese ganze eingebildete, hochnäsige Art, wie sie meine frühere Frau
später gerne an den Tag legte, ist Kayla absolut fremd und in anderen
Punkten, über die wir hier erst gar nicht reden wollen, ist Kayla auch gleich
um unbeschreibliche Weltdistanzen besser, so was hat man bis dato in der
Form noch gar nicht gekannt und fast schon für nicht möglich gehalten.
Frauen, wie meine Ex haben nur einen einzigen Vorteil und das ist der,
dass man sie automatisch los wird, sobald man ihnen wirtschaftlich nicht
mehr ihre Eskapaden bezahlen kann oder will. Da braucht man gar nichts
weiter zu tun, das geht dann vollautomatisch, weil man schlagartig in dem
Moment für die uninteressant wird, in dem das Geld knapp wird. Der oben
erwähnte pensionierte, drahtige Polizeiausbilder wäre aus Sicht meiner Ex
sicherlich ein lohnender Kandidat, da er durch die Erbschaften im Geld zu
schwimmen scheint, aber ich glaube, der würde schnell erkennen, wen er
bei meiner Ex vor sich hat und sich nicht die Finger an ihr verbrennen.
Aber lassen wir das Thema beiseite, wenn man in alten Zeiten schwelgt,
dann sollte man nur die guten Abschnitte herauspicken, womit das Thema
meiner Ex-Frau herausfällt.

Im Briefkasten fanden sich diese Tage Werbebroschüren eines
Busreiseunternehmens hier aus Stuttgart, welches zweitägige zum
Nürburgring veranstaltet. Einschließlich einiger Besichtigungen, Überfahrt
des Nürburgringes mit dem Bus, was ich mir ein wenig lustig vorstelle, mit
einem behäbigen Bus über die Rennstrecke zu schaukeln, wo sonst
Rennraketen von Schumi und ähnlichen Konsorten drüberjagen. Ein
Rennmuseum und andere Attraktionen werden wohl auch noch besucht
und sind im Fahrpreis von nur 79 Euro pro Person enthalten. Man wundert
sich, wie das alles zu dem Preis enthalten sein kann. Billig scheint das zu
sein, aber trotzdem wäre es uns zu teuer. Wozu sollte man dafür noch Geld
ausgeben? Rennsport interessiert mich nicht, egal ob Auto- , Motorrad-
oder Pferderennen und Kayla kann auch herzlich wenig damit anfangen.
Gewiss, die Eifel zu sehen, wäre aus unserer Sicht sicherlich der Lichtblick
dieser Reise, andererseits Landschaften wie sie die Eifel zu bieten hat, gibt
es hier im Umland satt und reichlich zur Genüge und sogar noch schönere,
siehe insbesondere Schwarzwald, der praktisch gleich zum Darüberstolpern
vor unserer Türe liegt. Die Eifeler mögen mir das verzeihen, das soll
überhaupt keine Abwertung der Eifel oder Ihres Umfeldes sein, nur eine
grobe Feststellung.

Zufällig traf ich diese Tage bei einem Spaziergang am Birkenkopf, das ist
ein Berg im Bereich Gallenklinge, nicht sehr weit von der Zamenhofstraße,
wo ich damals meinen städtischen Dienst tat, den Schmelzle dort mit Frau
und Tochter spazieren, der ja in gewisser Weise mein damaliger Chef war.
Wir redeten einige Minuten miteinander und dabei erfuhr ich, dass der
dumme Quatländer, nur wenige Tage nach meinem Ausscheiden dort,
einen Herzinfarkt erlitten hatte und derzeit noch böse im Katharinen-
Hospital liegen würde. Sein Zustand sei nach wie vor kritisch und die
Ärzte wissen noch nicht, ob er den Infarkt überstehen wird. Gehässig und
wirklich ernsthaft nachtragend sein ist nicht meine Art, aber wundern tut
mich das nicht, wie sich der über alles aufgeregt hat. Der war immer auf
100 oder zumindest kurz davor, ständig zwanghaft auf der Suche nach der
Entdeckung mangelnder Arbeitsmoral oder Arbeitsleistung und er stellte
sich dabei dann doch so trottelig an, dass ein Kleinkind ihn hätte auf
Anhieb austricksen können. Seine Intelligenz, darüber braucht man nicht
zu reden, weil nicht vorhanden. Naja, wenn er es über den Berg schafft,
was ich ihm durchaus gönnen möchte, trotz unserer beruflichen
Feindschaft, dann wird für ihn der Dienst bei der Stadt ohnehin gelaufen
sein und er wird dann gewiss pensioniert und kann es ruhiger angehen
lassen. Alles ist im Zerfall und so sagte der Schmelzle, dass man den
Bäuerle kürzlich zu einer anderen Dienststelle nach Bad Cannstatt versetzt
habe, wegen dortigem Personalmangel. Der Schmelzle kann jetzt den
Laden in der Zamenhofstraße ganz alleine dirigieren und muss sich selbst
um die Einteilung der Leute kümmern. Er sagte auch, dass es noch großen
Streit um die Beschäftigung weiterer Sohis, die nach uns kamen, gegeben
habe. Beim jetzigen Stand sei es so, dass man ihnen keine weiteren Sohis
mehr zuteilen dürfe, aber es sind zu wenige echte Beschäftigte vorhanden,
die alle anstehenden Arbeiten bewältigen könnten. Zusätzliche
Einstellungen wären aber vom Kämmerer untersagt worden, weil die
Kassenlage mager ist und so bliebe ihm nichts anderes übrig, als zu
entscheiden, welche Arbeiten wichtiger sind und gemacht werden und
welche man auf die lange Bank schiebt, wo sie vermutlich dann auch
bleiben werden. Es gibt schon Parks, in denen man keinen Rasen mehr
mähen will und kein Unkraut jäten möchte, weil das nicht zwingend
lebenswichtig erforderlich ist, es schaut dann eben nur widerlich und
ungepflegt aus. Dann hängt man einfach ein Schild auf, das sei jetzt ein
umweltbelassener Park nach ökologischen und biologischen
Gesichtspunkten und steht noch als Umweltschönling da, obwohl ganz
andere Gründe dahinter stecken. Der Schmelzle sagte aber auch, dass ihm
unter den jetzigen Arbeitsvoraussetzungen so ziemlich alles egal wäre. Da
man ihm nicht mehr die notwendigen Mittel an die Hand gibt, die Arbeiten
zu bewältigen, kann er sich nicht darüber aufregen, weil das dann andere
zu verantworten haben. Der geht wahrscheinlich bald in einen
vorgezogenen Ruhestand.

Es gebe noch vieles zum Berichten, aber ich höre für heute auf, weil ich
schon wunde Finger vom Tippen habe und mich jetzt immer häufiger
vertippte und korrigieren musste. Demnächst geht es weiter. Es sieht so
aus, als wolle es heute doch noch wärmer werden. Als ich mit dem Bericht
hier begann war es noch saukalt.

Viel schönes Wetter, nicht nur in Stuttgart, auch bei Ihnen, wünscht

Ihr 

Egbert Lappenkeuler
 


Beitrag 2

Lappenkeuler - Brief / Email "Evolution" vom 09.06.2004

Viel Hallo!

In den jüngsten Tagen habe ich viel darüber nachgedacht, ob es nicht
sinnvoller wäre, alle Email und Internetsachen aufzukündigen, um die
eigentlich relativ sinnlosen Gebühren zu sparen. Gewiss hat man
manchmal seine Freude daran und so teuer ist es dann auch wieder nicht,
deshalb habe ich diesen Schritt zunächst doch nicht gewagt. Es ärgert mich
jedoch maßlos, dass man für sein eigenes Geld immer häufiger mit
idiotischer Werbung und blöden fremdländischen Emails zugebombt wird.
Im Posteingangsordner findet man die wenigen echten Emails schon kaum
noch zwischen diesem ganzen Affenmüll heraus. Den Versendern davon
wünsche ich die leuchtende Beulenpest an den Hals und dass deren
Computer explodieren möchte. Also Entwarnung, ich werde vorerst meine
Internetmaschinerie in Betrieb behalten, beobachte die Entwicklung jedoch
weiter kritisch. Wenn es so weitergeht mit der Zunahme der unsinnigen
Werbung und es mir zu dumm wird, dann schaffe ich das ganze Zeug ab
und benutze den Computer nur noch ohne das. Die Bedeutung, die
besonders Politiker in den letzten Jahren in der Öffentlichkeit dem Internet
ständig beipflichten, hat es nach meiner Meinung gar nicht. Vermutlich
deshalb nicht, weil schon zu viele einen Zugang haben, dadurch verwässert
alles und die wirklich guten, wichtigen Informationen gehen im sinnlosen
Feuerwerksgeböllere der anderen unter. Das bereitet mir langsam aber
sicher keine rechte Freude mehr. Es wäre egal, wenn man gar nichts dafür
zahlen brauchte, aber das Abladen der Emails benötigt Zeit auf online und
kostet damit mein Geld, auch wenn es nur unerwünschter Käse ist, der mir
dabei ins Haus flattert. Auch die Suche nach bestimmten
Interessensgebieten hat in den letzten Jahren deutlich nachgelassen, weil
sie zunehmend zweckloser wird. Man findet kaum noch etwas, was
wirklich zum gesuchten Thema passt, dafür aber Müll und nochmals Müll.
Soll man den Müll alle durchstöbern, um darunter die echten Treffer zu
finden, so bräuchte man viele Tage dafür und die Gebühr würde
explodieren. Nach spätestens einer Stunde vergeblichem Stöbern verliere
ich aber ohnehin jede Lust an der Sache und ärgere mich nur noch darüber,
damit schöne Zeit vertan zu haben.

Viele Reisende fahren immer wieder nach Süddeutschland. Ich sage
immer, Süddeutschland und Süddeutschland ist zweierlei. Viele rechnen
Stuttgart auch schon zu Süddeutschland und das wird sicher vor allem eine
Frage der eigenen Heimatlage sein. Für mich ist es so eben noch zu
Mittelwest zählend, aber eine solche Definition ist sicher mehr bei mir im
eigenen Kämmerlein entstanden. Vielleicht wirkt das dann so, als wolle
man unbedingt vermeiden, zu Süddeutschland gezählt zu werden. Wäre es
eine Schmach zu Süddeutschland gezählt zu werden? Ich denke sicherlich
heute längst nicht mehr. Früher war das einmal so, vor allem aber, weil
man damals oft bayrisch gleichsetzte mit dumm, primitiv, bäuerlich,
rückständig und ähnlichen Attributen, die man im allgemeinen Provinzlern
gerne aufs Auge drückt. Falsch war eine solche pauschale Vorverurteilung
sicherlich zu jeder Zeit, denn in Bayern hat es damals genauso viele
Schlauköpfe gegeben, wie weiter nördlich. Und Baden-Württemberg
profilierte sich stets gerne als das Land der Denker und Konstrukteure, der
Techniker und Praktiker, der Architekten und Mittelständler, aber auch
sehr gerne der Finanzgenies. Von allem wird etwas dabei gewesen sein,
früher wie auch heute, aber von Pauschalisierungen halte ich eigentlich
wenig. Trotzdem muss ich zugeben, dass besonders die Bayern es einem
früher nicht leicht machen, an das Vorhandensein von Intelligenz zu
glauben. Ich habe in meinem Leben etwa 10 waschechte Bayern kennen
gelernt, einer dümmer als der andere, oder naiver wäre hier der passendere
Ausdruck. Sie vertraten Weltanschauungen, die man hier in Stuttgart
vielleicht vor 100 Jahren einmal allen Ernstes inne hatte, aber das ist ja
nicht gleichbedeutend mit Dummheit, sondern schwenkt mehr in Richtung
Naivität in einem gewissen Denkbereich. Naivität und Dummheit sind bei
weitem nicht dasselbe, obwohl man beides oft miteinander verwechselt
oder gegeneinander austauscht. Ich sage nicht, dass alle Bayern früher naiv
waren oder dass sie generell naiver als Baden-Württemberger waren, aber
schräge Köpfe waren es schon, besonders die Figuren weiter im Süden,
haha. Nein, verzeihen Sie mir, es ist Quatsch und völliger Blödsinn, das
weiß ich selber, aber dieser Eindruck beruhte nur darauf, weil man mir
früher immer das falsche Bild von Bayern vermittelt hat; zudem beleben
gelegentliche Frotzeleien die Stimmung. Habe ich neulich ein paar Leute
aus Nordrhein-Westfalen kennen gelernt, genauer gesagt Kölner sind das.
Das ist gleich wieder ein ganz anderer Schlag, als die Bayern. Was einen
zuerst etwas abstoßen mag, die waren gleich mit jedem ungefragt per Du,
was nicht jeder vertragen mag. Deren Umgangsformen wirkten auf mich
grob aber herzlich und wenn die fragen: "Na Du Arschloch, wie geht es
Dir?", dann muss das nicht unbedingt böse gemeint sein. Der eine von
denen bezeichnete grundsätzlich bei seinen Darlegungen alle Leute, die er
zitierte, erst einmal als Arschlöcher. Auch Pfälzer kenne ich einige, ich
glaube es sind derer drei. Das sind ja Gemütsmenschen und mir ist
aufgefallen, vielleicht ist es auch nur Zufall, dass die in brenzligen
Situationen, in denen manch anderer schon die Hände über dem Kopf
zusammenschlägt, immer eine lösende Idee aus der Trickkiste zaubern, die
das anstehende Problem auflöst oder wenigstens deutlich abmildert. Aber
die sind freundlich und gelassen, regen sich nicht schnell auf und lassen die
Hektik dieser Welt recht gut an sich abperlen, das gefällt mir. So kenne ich
auch einige Sachsen, mein Gott sind das Zappelphilippe die aus jeder
Mücke einen Elefanten machen, und ein Nichts zu einer großen
Angelegenheit aufblasen, gar nicht mein Fall. Aber genug der regionalen
Feinheiten, die vor allem eines sind: gepflegte Vorurteile.

Mit dem Eigentümer des Mehrfamilienwohnblocks hier, dem in der ganzen
Stuttgarter Umgebung auch noch viele andere ähnliche Häuser gehören,
verstehe ich mich sehr gut. Es ist sicherlich eine Ausnahme, dass sich bei
Gebäuden dieser Größenordnung Eigentümer und Mieter überhaupt kennen
und dass sie sich dann auch noch halbwegs gut verstehen ist noch seltener.
Aber dieser Eigentümer kümmert sich sogar selbst um die Neuvermietung
leerstehender Wohnungen, macht selbst Besichtigungstermine mit
Interessenten u.s.w., andere würden in dieser Liga ihre Angestellten
vorschicken, anstatt sich selbst mit den Leuten herumzuschlagen. Nun traf
ich ihn im Flur, als er gerade einem neuen Interessenten für die Wohnung
schräg gegenüber eine Besichtigung zukommen ließ. Kurz erzählten wir
etwas und er hatte eine Idee, die er mir als Vorschlag unterbreiten wollte,
weswegen er mich später noch einmal aufsuchen wollte. Am gleichen
Abend hat er mich dann gegen 21 Uhr aufgesucht. Um diesen Wohnblock
hier befinden sich einige flache Rasenwiesen, besonders dahinter in
Richtung Westen und eine kleinere in Richtung Norden. Diese kurze Wiese
in Richtung Westen endet an einer alten Baumreihe, die Baumreihe zählt
aber schon nicht mehr ganz zu dem Grundstück des Eigentümers hier. Auf
dem plattenbelegten Weg zu den Wiesen wächst in den Zwischenräumen
jetzt wieder gerne das Unkraut und es sieht dann nicht sehr schön aus, das
Gras auf den Wiesen wuchert auch in Überlänge und diverse
Unkrautbüschel zwängen sich dazwischen. Bisher war es so, dass er einen
zentralen Gärtner beschäftigte, der an all seinen Anlagen diese Sachen in
Ordnung hielt, der kam dann immer mit einem älteren Renault-Kleinbus
vorgefahren, worin er Rasenmäher und diverse Sachen mitbrachte, die er
zu diesen Arbeiten benötigte. Dass seit diesem Jahr etwas anders ist, sieht
man daran, dass nun schon diese Unkräuter wüten, sonst waren die zu
dieser Zeit schon längst von diesem Zentralgärtner geköpft worden. Er
erzählte mir nun, dass er das Ausscheiden des Zentralgärtners aus
Gesundheits- und Altersgründen nun zum Anlass nehmen würde, die
Pflege aller Außenflächen an all seinen Gebäuden neu zu organisieren.
Kein Zentralgärtner mehr, sondern in jedem Wohnblock versucht er einen
Mieter zu finden, der diese Aufgabe vor Ort übernimmt. Die notwendigen
Gerätschaften bekäme er kostenlos zur Verfügung gestellt, nebst einem
zusätzlichen Kellerraum dafür, den der Helfer auch privat nutzen könnte.
Diese Mieter bekämen dann wahlweise, entsprechend der betrauten
Flächengröße, entweder eine Mietvergünstigung oder auch Bargeld. Sein
Anliegen war nun, ob ich diese Arbeiten hier nicht übernehmen möchte,
weil er mir hier ihm Haus das am ehesten zutrauen würde. Er bot an,
monatlich dafür in der warmen Jahreszeit immerhin 90 Euro auszuloben
und er erklärte, dass er empfiehlt, die Unkräuter mit hochwirksamen
Unkrautvernichtungsmitteln ohne viel Arbeitsmühe kurz zu halten. Der
Rasen selbst solle natürlich etwa alle 2 Wochen einmal gemäht werden. Es
gibt zwar ein teilweises Verbot von Unkrautvernichtungsmitteln, diese im
privaten Wohnumfeld einzusetzen, das hat aber nichts damit zu tun, dass
man Nachteile für die Anwohner befürchtet, sondern weil besagt wird, dass
wenn jeder das machen würde, Überreste davon in die Kanalisation
einsickern würden, was man jedoch in den dann auftretenden Mengen nicht
möchte. Aber was heißt das schon, zumal naturbiologische Hilfsstoffe zur
Unkrauteindämmung erlaubt sind und gespritzt werden dürfen. Wer will da
wo die Grenze ziehen, ob man nun ein leichtes chemisches Mittel einsetzt
oder ein selbstgebrautes biologisches Mittel, z.B. auf der Basis von
Zwiebelabfällen, wie es in einer Empfehlung angesprochen wird? Ich habe
keinen grünen Daumen, wie man es bei Hobbygärtnern oder ähnlich
interessierten Leuten sicher sagt, aber die anvisierten Arbeiten würde ich
mir durchaus zutrauen und ich hätte auch kein Problem mit den
Unkrautarbeiten. Der Arbeitsaufwand des Rasenmähens betrüge vielleicht
in der jetzigen Jahreszeit alle zwei Wochen einmal einen halben Tag,
vielleicht morgens von 8 bis 14 Uhr, mehr garantiert nicht, zumal die zur
Verfügung gestellten Geräte sehr gut und effektiv sind, kein Billigschrott
aus dem Baumarkt. Die Unkrauteindämmung braucht nach Angaben des
Eigentümers im Durchschnitt nur alle 6-7 Wochen einmal vorgenommen
zu werden, wenn man besagte Sprühmittel verwendet. Wenn deren
Wirkung gut anschlägt, kann es sogar vorkommen, dass man nur ein oder
zwei Mal während der Sommermonate den ungebetenen Gewächsen damit
auf die Pelle rücken muss. Ab Ende September entfallen all diese Arbeiten
ohnehin wieder bis April des nächsten Jahres. Am Schluss dieser
Besprechung haben wir uns dann darauf geeinigt, dass ich diese Arbeiten
zuerst einmal probeweise für 2 Monate übernehme und dass ich nicht 90
Euro, wie zuerst angedeutet, sondern 120 Euro pro Monat dafür bekomme.
Die bekomme ich bar ausgezahlt, nicht als Mietpreisvergünstigung, davon
hätte ich nichts, weil ja das Sohi-Amt meine Miete begleicht. Natürlich
gibt es das Geld nur in der aktiven Zeit, nicht auch noch im Winter. In den
nächsten Tagen werden die notwendigen Arbeitsgeräte angeliefert, den
Schlüssel von dem zusätzlichen Kellerraum habe ich schon. Es ist ein
riesiger Raum, war früher eine zusätzliche Waschküche mit beachtlichen 9
Waschmaschinen drin. Die uralten Geräte stehen auch heute noch dort und
würden sicher manches Museum erfreuen. Sie werden schon seit über 25
Jahren nicht mehr benutzt, weil es noch eine kleine offizielle Waschküche
gibt, in der stehen 4 moderne Maschinen, die von einigen Mietern genutzt
werden, aber meistens hat ja heute fast jeder eine eigene Maschine in der
Wohnung stehen und braucht solche Gemeinschaftsapparate gar nicht
mehr. Die alten Geräte in der ehemaligen Großwaschküche sind so alt, dass
sie noch auf Betonsockeln festgedübelt sind, damit sie beim Schleudergang
nicht fliegen gehen. Vermutlich stammen sie von 1955 oder aus dieser Zeit.
Vielleicht würden einige davon sogar noch funktionieren, wahrscheinlich
aber eher nicht, nach so langem Stillstand. Ich war zuvor noch nie in
diesem Raum drin und war selbst erstaunt. Wenn mir der hausinterne
Zusatzjob nicht gefällt, kann ich nach 2 Monaten sagen, das war's und ich
bin dann sofort raus aus der Sache.

War hier ein Auflauf wegen dem 8 Juni. Die Venus-Sonnenfinsternis
sorgte für eine Euphorie unter astronomisch angehauchten Bewohnern der
Umgebung. Etliche hatten sich ausgerechnet hier auf der grünen Wiese am
Haus eingefunden, um dort diverse Apparaturen zur Sonnenbetrachtung
aufzustellen. Gewiss, auf der Straße hätten die ihre Stelzen nicht aufstellen
können, an denen die Okulare oder Teleskope und was sonst für Zeug
befestigt waren. Aber muss es denn gleich solch eine Übertreibung sein?
Der Rasen, den ich ja jetzt ständig pflege, ich berichtete Ihnen jüngst
darüber, trampelten die Hornochsen fest. Wären es alles Leute hier aus dem
Haus gewesen, so wäre es mir ja noch egal, aber total fremde
Hobbyastronomen versammelten sich hier und ich fand's weniger gut. Ich
habe dann mit dem Hauseigentümer telefoniert, der riet aber dazu, keinen
Streit mit den Leuten zu beginnen, um schlimmere Taten der
Widerborstigkeit zu verhindern. Ich sollte mich nicht darum kümmern,
solange die keine groben Verunreinigungen oder Schäden anrichten. Wie
soll man das nachher noch sagen? Einer von denen schimpfte sogar noch,
dass ihm ein Balkon des Hauses für seine Betrachtungen im Wege sei.
Vielleicht hätten wir den wegen diesem Milchgesicht noch einreißen
sollen. Aber mir war's egal, wenn's dem Hauseigentümer egal ist, ist's mir
zehnmal egal.

Es werden Millionenbeträge verschleudert mit Versuchen, die Evolution
aufzuhalten oder sogar rückgängig zu machen. Das ist einzigartig in der
Geschichte der Erde und bislang noch nie da gewesen. Ich kann mich
herzlich darüber aufregen, dass seit Jahren ständig Versuche gemacht
werden, vom Aussterben bedrohte Tier- und Pflanzenarten krampfhaft zu
erhalten oder sogar bereits ausgestorbene durch Rückzüchtungen oder
Fernverlagerungen hier wieder einzuführen. Ich betrachte das als völligen
Unsinn und es ist ein Kampf gegen die Entwicklungsgeschichte der Welt.
Was hier als positiv für die Natur verkauft wird, ist in Wahrheit eine Sache
dagegen, da man künstlich versucht, den Gang der Dinge aufzuhalten oder
gar umzukehren.
Ein beliebtes Beispiel dafür ist der Einbau von sogenannten Lachs- oder
Fischtreppen entlang von Rhein und Mosel, was gerne im Fernsehen als
großartiges und mehrere hundert Millionen Euro teures Umweltprojekt
verkauft wird. Fische, die schon seit über 50 Jahren aus diesen Gebieten
verschwunden sind, werden so künstlich wieder zurück geholt. Wozu? Was
hat man davon, dass ausgerechnet in ein paar kleinen Dörfern an Rhein,
Mosel und Lahn plötzlich wieder für wenige Wochen im Jahr Lachse
auftauchen? Nichts, rein gar nichts! Aber man schleudert locker 25
Millionen Euro aus dem Ärmel, die die billigste Fischtreppe neben einer
Schleuse halt so kostet. 25 Millionen, die an jeder Schleuse erforderlich
werden, da die Fische ja sonst nur bis zur nächsten Schleuse gelangen
würden, wo sie wieder vor dem gleichen Problem stünden. Es sind aber
nicht nur die Fischtreppen, es werden in Schottland und Irland noch kleine
Lachse zu hunderttausenden gekauft und dort ausgesetzt, Stückpreis
zwischen 7 und 25 Euro! So summiert sich das schnell auf mehrere hundert
Millionen Euro. Sogar hier am Neckar denkt man schon laut über ähnliche
Projekte nach. Einfach idiotisch! Hat Deutschland wirklich keine anderen
Sorgen, als nach 50 Jahren dort wieder für wenige Wochen im Jahr Lachse
anzusiedeln? Nachdem die Tiere dort gelaicht haben, ziehen sie ohnehin
wieder ab bis ins Meer, in kalte Zonen. Wenn ich das höre, dann kann ich
jeden noch so argen Sozialschmarotzer gut verstehen, der sich aus
öffentlichen Kassen mit beiden Händen kräftig bedient, weil er sich sagt,
was ein paar Fischen zusteht, das steht mir als Mensch allemal zu.
Das ist aber keineswegs ein Einzelfall. So hörte ich neulich von ernsthaften
Bemühungen, für viele Millionen Euro in bestimmten Gebieten
Deutschlands wieder frei lebende Wölfe anzusiedeln, z.B. im Bayrischen
Wald, im Harz und der Eifel. Das Gleiche hat man mit Luchsen und
ähnlichen Halbwildkatzen vor. Übermorgen kommt noch ein Schwachkopf
und will in ganz Deutschland wieder Bären ansiedeln, koste es, was es
wolle. Welchem Zweck soll so etwas dienen? Unnötiges Geld verheizen,
nenne ich das. Vor allem begreife ich nicht, weshalb gibt man so
leichtfertig für derartig sinnlose Projekte solche horrenden Geldbeträge
frei, wieso stellen sich hier nicht längst die Sparpolitiker quer, die sich
sonst bei jeder Kleinigkeit zu Wort melden?
Aber auch aus Sicht der Natur, des Entwicklungsganges von Allem,
sozusagen der weiteren Evolution, sehe ich das als fatalen Fehler an.
Stellen Sie sich bitte vor, heute gebe es neben uns auch noch Dinosaurier,
ich denke nicht, dass ich mit derartigen Tieren wirklich zusammenleben
möchte. Gerade dieser Wandel macht doch die Entwicklung, die Evolution
aus! Es ist doch ganz normal und folgerichtig, dass bestimmte Rassen und
Arten im Verlauf der Zeit aussterben, so wird es uns Menschen irgendwann
schließlich auch ergehen, egal ob grüne Spinner glauben, diese
Entwicklung aushebeln zu können oder nicht. Ich bin überzeugt davon, das
muss auch so sein und hat alles seine Richtigkeit und Eingriffe des
Menschen in solche komplexen Systeme haben sich bislang immer noch
am Schluss langfristig als Bärendienst an der Natur erwiesen und gingen
als Schuss nach hinten los. So wird es auch am Ende mit solchen
Bemühungen sein, die Evolution durch Rückbilden alter Rassen oder deren
zwanghafter Erhaltung zu beeinflussen. Einen derart unzulässigen Eingriff
in den Entwicklungsverlauf der Evolution hat es so noch in keiner
Generation vor uns gegeben. Das ist grüner Quatsch und es beruht auf
fehlgedeutetem Halbwissen und in gewisser Weise in einer reaktionären
Denkweise, die einem zu allem Überfluss auch noch als modern und
zeitgemäß verkauft werden soll. Hier werden Steuermilliarden sinnlos
verheizt und der Eichel soll sich mal die Brille putzen und darauf gucken.

Manche Leute denken, Essen ist nur dann gut, wenn es etwas ganz
extravagantes und teures ist. Solch einen Blödsinn und ich habe mich
trotzdem köstlich amüsiert über die Borniertheit mancher Leute. Wir
schlenderten, Kayla und ich, durch ein Kaufhaus. Nicht um zu kaufen, nur
um zu sehen, als Zeitvertreib, wenn man so will. In der
Lebensmittelabteilung im Keller hatte eine überschminkte Dame, die
wirkte, wie ein Gipsabdruck ihrer selbst, einen Stand aufgebaut. Sie pries
dort außergewöhnliche und kostspielige Spezialmarmeladen an. Dazu bot
sie zahlreiche Pröbchen davon auf Toasthäppchen preis. Als wir gerade
vorbei gingen, reckte sie uns derartige Häppchen hin, Toast mit einem
eigenartigen dunkelgrünen Gelee drauf. Pasternaken-Gelee sei das und
etwas ganz Erlesenes. Bevor ich mich schlagen lasse, haben Kayla und ich
die Pröbchen angenommen und probegeschmeckt. Sehr eigenartig ist alles,
was ich dazu sagen kann, aber keinesfalls gut. Der Geschmack war
undefinierbar, ich würde sagen, es schmeckte so ähnlich, wie alte feuchte
Pappe riecht. Mit breitem Lächeln grinste die Propagandistin uns an und
erwartete nun, dass wir vor lauter Geschmacksbegeisterung eine
umwerfend positive Bemerkung losließen, die aber von unserer Seite
ausblieb. Ihr Gesicht wurde ernster, dann folgte die Frage mit beinhalteter
Wunschantwort: "Na, das war doch umwerfend? Ein hervorragender, nie
gekannter Geschmack, der Sie überzeugt hat!" So lasse ich mich aber nicht
in eine Antwort drängen. Kräftig schüttelte ich den Kopf und sagte zu ihr,
dass es eigenartig schmecke, aber keinesfalls über einen angenehmen
Geschmack verfüge. Da wäre mir ein Erdbeer- oder Kirschgelee viel lieber.
Träge wand sie den Kopf um fast 180 Grad und jauchzte: "Neeeeiiin, um
Gottes Willen, hihi, Erdbeergelee, wie primitiv, kein Vergleich. Hier ist
noch viel Lernarbeit am edlen Geschmack erforderlich wie ich sehe! Naja,
es kann ja nicht jeder einen geschulten Geschmack besitzen." Ein Opa war
durch das Theater neugierig geworden und verlangte auch ein Pröbchen,
um mitreden zu können. So streckte sie ihm einen ordentlichen
Probehappen zu und schob gleich die Bemerkung nach: "Na, das ist doch
was für wirkliche Gourmets!" Sehr langsam verzehrte der Opa den
Happen, schmeckte und schnalzte mehrmals, dann sagte er bedächtig: "Ja
der Geschmack kommt mir bekannt vor. Im Krieg gab es billiges Maisbrot,
welches keiner essen wollte, ein ekelhaftes Zeug, wenn man darauf selbst
gemachtes Rübenkraut strich, schmeckte es fast genauso." Die Dame
versank bald im Boden. Dann zog sie einige ähnliche Häppchen mit einem
anderen Gelee hervor und reichte uns die. Hierbei handle es sich um eine
neuartige französische Geleekomposition, ein Orange-Kirsch-Gelee,
welches vielleicht mehr unseren Geschmack treffen sollte. In der Tat war
dieses Gelee gut genießbar und nicht übel, aber auch keinen Deut besser,
als vielleicht vom Norma das billige Geleezeug neben dem Eingang. So
oder so ähnlich sagte ich das dann auch. Sie bekam einen roten Ballonkopf
und schimpfte: "Ach gehen sie doch weiter, sie haben ja keine Ahnung und
keinen geschulten Geschmackssinn. Soll ich mich weiter mit einem VW-
Fahrer über Ferrari unterhalten?", fügte sie noch mit beleidigtem Blick
hinterher. Wenn die wüsste, dass ich noch nicht einmal VW fahre, wäre sie
vor Einbildung gleich explodiert. Einige Leute umher kicherten schon,
allerdings eindeutig mehr über die hochnäsige, eingebildete Propagandistin
und ihr Gehabe, als über mich. Gekauft hat dann bei ihr auch keiner etwas.
Was auch nur verständlich schien, denn ein kleines Glastöpfchen des
Orange-Kirsch-Gelees, welches vielleicht zum dünnen Bestreichen von 4
normalen Butterbroten ausreichen mochte, kostete schon 8,80 Euro und das
wohlgemerkt im Sonderangebot des Tages, sonst soll es 12 Euro kosten.
Das seltsame dunkelgrüne Pasternakengeleezeug soll gar 15 Euro kosten
und es sah in dem Gläschen aus, wie im Hochsommer angeschwemmte
Algenteppiche am Bodensee aussehen. Vielleicht haben die sogar so was
nur am Ufer eingesammelt und in diese Gläschen gepresst, wundern würde
mich heute so etwas schon nicht mehr.

Wo wir gerade beim süßen Essen sind, viele Damen aber auch immer mehr
Herren vergehen für Kaffee und Kuchen. Es ist gewiss nicht so, dass ich
darauf spucke. Mir ist eine gut gemachte Obsttorte lieber, als ein Schnitzel,
etwas vom Grill oder gar Eisbeinzeugs, welches ich überaus eklig finde..
Nun brauche ich mir deswegen auch keine Sorgen zu machen, ich nehme
davon nicht so leicht zu. Manche Leute essen ein Stück Kuchen und
bereuen es dann 3 Wochen lang, weil sie davon sofort zunehmen, solche
Effekte kenne ich nicht. Solche Kuchen sind nun für Kayla etwas ganz
Neues, sie hat besonders Parfékuchen wie Käsesahne / Zitronesahne /
Erdbeersahne und dergleichen noch nie gesehen. Auch Buttercremekuchen
waren ihr neu. Für Deutsche sind solche Kuchen irgendwie Bestandteil des
Alltags, nichts besonderes, aber Kayla sprangen diese Kuchen besonders
durch ihr buntes, frisches Aussehen ins Auge. Sie wirken so leicht, obwohl
sie ja wahre Kalorienbomben sind, zumindest diese
Buttercremegeschichten. Diese Zitronensahne und Käsesahnegeschichten
gehen ja noch einigermaßen, weil ihr Hauptbestandteil schließlich Quark
ist und kaum Sahne, obwohl der Name anderes vermuten lässt. Jedenfalls
war bei Kayla die Neugierde geweckt, als wir neulich in einer großen
Bäckerei gleich hier um die Ecke einkauften und ihr diese bunten Kuchen
ins Auge drückten. So wurden einige Ecken davon gekauft und Kayla
probierte zuhause reichlich davon. Besonders Buttercremekuchen haben
die Gemeinheit, dass sie sich zuerst leicht essen lassen und man deren
Fülle erst einige Minuten nach dem Verzehr bemerkt. Die geschmackliche
Abstimmung übertönt den extremen Fettgehalt völlig, die Rache folgt
stehenden Fußes. Ich hatte Kayla gewarnt, jedoch sie wurde leichtsinnig.
Beide großen Stücke Buttercremekuchen stopfte sie, angetan von dem für
sie völlig neuartigen Geschmack, genüsslich in einem Zug in sich hinein.
Dann noch der leckere Käsesahnekuchen mit Zitronenaroma hinterher und
zur Krönung folgte ein riesiges Schokoladeneis. Ich war erstaunt, wie man
soviel Nahrung in einem solch zierlichen Körper unterbringen kann. Nach
einer knappen halben Stunde hatte Kayla ein sehr langes, fahles Gesicht
bekommen und es kündigte sich an, was kommen musste.
Magenbeschwerden, mehrfaches Erbrechen und die ganzen elenden
Folgen. Nach rund 3 Stunden war alles durchstanden und Kayla wieder
einigermaßen fit. Dann entschuldigte sie sich laufend bei mir dafür. Ich
sagte ihr, dass sie sich bei mir nicht dafür entschuldigen brauche. Ich hatte
sie gewarnt vor dem Verzehr solcher Kuchen in solchen Mengen in kurzer
Zeit, sie hat's darauf ankommen lassen und die Quittung dafür erhalten.
Durch nichts lernt man besser, als durch praktische Beispiele. Ich denke
das kann man auch von diesem Fall sagen und das Wort Buttercreme sollte
ich in unserer Wohnung momentan vermeiden, da sie sonst gleich wieder
die Mundwinkel tief nach unten fallen lässt und zu würgen beginnt.

Noch ein winziger Zwischenbericht über meinen Suzuki-Alto. Ich hatte
immer geplant, relativ wenig zu fahren, um auch so die laufenden
Benzinkosten und den Verschleiß gering zu halten. Nach langer
Enthaltsamkeit in Sachen Auto hat man aber wohl unbewusst einen
gewissen Nachholbedarf in sich schlummern. So bin ich inzwischen in
dieser Woche meinen 6.000sten Kilometer damit gefahren. Es ist kein
Grund zur Besorgnis, da ich weiß, dass diese häufige Nutzung keine Sache
von Dauer bleibt. Spätestens im Herbst, wenn das Wetter nachlässt, dann
werde ich deutlich weniger damit fahren. Alle bislang zurückgelegten
Kilometer verliefen wunderbar, ohne jegliche Pannen und Macken, der
Verbrauch an Benzin bleibt auf dem erwähnten geringen Stand. Der
Ölverbrauch des Motors liegt mit vielleicht einem halben Liter auf 5.000
Kilometer auch gewiss in einem geringen Bereich. Viele schwören auf
teure Öle mit synthetischem Zeug, mein Autobekannter riet davon ab. So
begnügen ich und mein Suzuki sich hier mit einem Billigöl, von dem der 5-
Liter-Kanister 12 Euro kostet. Es ist nicht das billigste, aber das
drittbilligste Öl in dem Laden, wo ich solches kaufe. Erneut wird bewiesen,
die Anschaffung des Suzukis war goldrichtig und man muss sich trotz
dieses Schleuderpreises keineswegs eine Gurke einhandeln, die später mehr
Zeit in der Werkstatt als auf der Straße verbringt.

Glänzende Grüße,

Ihr

Egbert Lappenkeuler